Elektromobilität kommt nur in kleinen Etappen voran
Das Fahren mit Elektroautos scheint für viele Menschen noch Zukunftsmusik zu bleiben. Aber immerhin schrittweise kommen Hersteller und Zulieferer auf dem Feld der Elektromobilität voran. Das wurde jetzt beim 5. Wissenschaftsforum Mobilität in Duisburg deutlich.
Der Verbrennungsmotor bleibt laut Einschätzungen von Branchenexperten noch über Jahrzehnte vorherrschend im Straßenverkehr. Doch hinter den Kulissen der Autohersteller und Automobilzulieferer brodelt es in den Entwicklungsabteilungen. In Hinblick auf die Elektromobilität finden zahlreiche Kooperationen zwischen Technologieunternehmen unterschiedlicher Herkunft statt. Welche Chancen und Risiken sich hinter all dem verbergen, war Mitte Juni Thema beim 5. Wissenschaftsforum Mobilität an der Universität Duisburg-Essen (UDE).
Die Automobilindustrie befinde sich in einer Situation veränderter Kundenwünsche, sagt Heike Proff, Inhaberin des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre & Internationales Automobilmanagement an der UDE sowie Leiterin des Wissenschaftsforums. „Die Kunden werden zunehmend rational“, so Proff. Die heute angebotenen Fahrzeuge würden vielfach als zu teuer angesehen. „Akzeptiert werden Preise zwischen 10 000 € und 25 000 € für ein Elektrofahrzeug.“ Im Preissegment unter 40 000 € sei es jedoch für die Unternehmen schwer, daran etwas zu verdienen.
Elektromobilität braucht zusätzliche Dienstleistungen
„So kriegen wir das Elektroauto nicht auf die Straße“, erklärt Proff. Neue Geschäftsmodelle und Fahrzeugkonzepte seien für den Erfolg der Technologie von großer Bedeutung. Aus einer Befragung von 52 Unternehmen, darunter 38 Unternehmen, die bis zum Jahr 2020 in der Elektromobilität tätig sein werden, gehe hervor, dass Zusatzangebote wie Carsharing und innovative Dienstleistungen wie eine Mobilitätsgarantie, künftig wesentliche Ertragskomponenten für Hersteller darstellten.
Grundsätzlich könne man zwei unterschiedliche Herangehensweisen der Unternehmen beobachten: Innovationsfreudige Firmen entschieden sich für eine schnelle und starke Ressourcenallokation und damit für Technologieführerschaft, verbunden mit einem modifizierten Nutzenversprechen mit zusätzlichen Leistungen, sowie für ein verändertes Gewinnmodell. Die andere Gruppe entscheide sich für eine langsame und schwache Ressourcenallokation und damit für Technologiefolgerschaft. Sie stehe für kostenminimale Differenzierung als traditioneller Wettbewerbsvorteil und für geringe Veränderungen von Nutzenversprechen sowie Gewinnmodell.
Dass die Investitionsbereitschaft unterdessen beachtlich sei, dokumentierten Investitionen in die Elektromobilität von durchschnittlich 30 % des Etats für Forschung & Entwicklung. Prognose: „Die Elektromobilität wird kommen“, so Heike Proff. Und wenn Technologieführer BMW nun mit den ersten Elektroautos auf den Markt komme, könne das der Entwicklung weiteren Schub liefern.
Es wird mehr angekündigt als umgesetzt
Darauf, dass der Technologiewettbewerb im Bereich Elektromobilität von vielen Unsicherheitsfaktoren begleitet wird, weist eine Studie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hin. Ein typischer Indikator für diese Unsicherheit sei das Phänomen, dass mehr Innovationen angekündigt als umgesetzt werden, sagt Bernd Liesenkötter. Die Unsicherheit zeige sich umso stärker, je offener das Feld sei, auf dem sich technologische Entwicklungen bewegen. Ob der Ausbau eines Stromtankstellen-Netzes, Bewegungen des Ölpreises oder Durchsetzungsstärke neuer Technologien – mit diesen Unsicherheiten müssten die Unternehmen umgehen.
Das schrittweise Vorgehen z. B. von VW sei eine logische Konsequenz aus der Unsicherheit. „VW baut Modelle so, dass sie sich später leichter elektrifizieren lassen.“ Man schaffe sich damit Perspektiven, ohne alles auf eine Karte zu setzen. Eine vorsichtige Strategie sei durchaus sinnvoll. Denn es genüge nicht, nur auf den reinen Nutzen wie Wirkungsgrade und Beschleunigungswerte zu achten, sondern auch auf marktrelevante Bedingungen wie vor allem auf den Erfolg von Konkurrenztechnologien.
Kooperationen der Hersteller werden immer wichtiger
Eine wichtige Rolle beim Fortschritt der Elektromobilität spielen derweil Kooperationen. Wie Jan Hendrik Fisch von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg erläutert, bieten sie nicht nur die Möglichkeit zum direkten Austausch von Wissen zwischen den Partnern, sondern unterstützen auch die Erschließung von Wissen aus dritten Quellen wie der Literatur oder Fachmessen. Die technologische Heterogenität, in der viele Chancen zur Verbesserung von Know-how liegen, berge für Unternehmen im Alleingang die Gefahr von Missverständnissen. Einerseits würden versehentlich Informationen aufgenommen, die nicht zielführend seien, andererseits würden andere Informationen nicht als relevant erkannt.
Durch die Zusammenarbeit mit Partnern steige die Menge an einschlägigem Vorwissen. „Je größer das gemeinsame Vorwissen, desto höher die Kreativität, und desto besser die Aufnahme relevanter Informationen“, so Fisch. Von Bedeutung sei daher der geistige Austausch zwischen Kooperationspartnern bei der Erschließung neuen Wissens. Wie eine Studie mit 20 000 Patenten zeigte, lasse sich die Qualität von Technologien hierdurch mehr als verdoppeln.
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