Entsorgungsbetriebe setzen verstärkt auf ökoeffiziente Hybrid- und Biogasantriebe
Angesichts steigender Energiekosten und Klimaschutzanforderungen suchen auch Entsorgungsbetriebe Alternativen zum Dieselantrieb. Erdgastechnik hat sich vielerorts bewährt und bietet die Option, selbst erzeugtes Biogas zu nutzen. Versuche mit Hybrid-Müllsammelfahrzeugen und der Elektroantrieb mit Range Extender deuten darüber hinaus eine weitere Verbesserung des Ökoeffizienzpotenzials bei Müllabfuhr und Wertstoffentsorgung an.
Müllabfuhr verbraucht viel Energie. Zwar legen Müllsammelfahrzeuge in einer Großstadt wie Berlin pro Achtstundenschicht kaum 100 km zurück, doch stoppen sie dabei 200 bis 300 Mal. Während der Stopps versorgen ihre Antriebsmotoren die hydraulische Bordtechnik, ehe sie die tonnenschweren Lkw wieder in Gang setzen. In so einer 100-km-Schicht verbrauchen sparsame Müllfahrzeuge 60 l Diesel, weniger sparsame mehr als 80 l.
Bei den 300 Müllsammelfahrzeugen der Berliner Stadtreinigung (BSR) kämen so täglich über 20 000 l Diesel zusammen – würde nicht jedes zweite von ihnen Methan tanken. Noch kommt es aus fossilen Quellen. Doch die BSR baut aktuell eine Biogasanlage, die ab 2013 jährlich 60 000 t Abfälle aus den Biotonnen der Stadt verarbeiten wird. Ihre Produktion von jährlich gut 2000 t Biomethan werden die Müllfahrzeuge tanken. Diese Menge entspricht dem Ersatz von 2,5 Mio. l Diesel.
Während erdgasbetriebene Müllfahrzeuge vielerorts etabliert sind, stecken andere Antriebskonzepte noch im Forschungsstadium. Etwa ein elektrischer Müllsammler von MAN, der in der Praxis 60 % weniger Kohlendioxid (CO2) emittieren soll als Dieselfahrzeuge. „Metropolis“ haben die Münchner das Forschungsfahrzeug genannt, das sie kürzlich auf der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover vorgestellt haben. Herzstücke sind eine 203-kW-Elektromaschine und eine modulare Lithium-Ionen-Batterie mit bis zu 105 kWh Speicherkapazität. Geladen wird sie am Stromnetz oder wenn nötig während der Fahrt. Dafür haben die Entwickler einen V6-Turbodieselmotor aus dem Regal der neuen Konzernmutter VW integriert, der als Range Extender nur Strom liefert. Vorteil: Da er von der Antriebsarbeit entkoppelt ist, kann der 150 kW starke Selbstzünder stets im optimalen Kennfeld betrieben werden. Mehr Gewicht bringt der elektrische Antrieb nicht an Bord. Das Gewicht des Pkw-Motors und der elektrischen Komponenten wird durch den Wegfall des Lkw-Motors samt Getriebe kompensiert. Doch stehen einer baldigen Markteinführung hohe Mehrkosten im Weg. Allein der 105-kWh-Akku dürfte angesichts aktueller Preise für Lithium-Ionen-Technik (400 €/kWh bis 550 €/kWh) zwischen 40 000 € und 60 000 € kosten. Doch sollten die Batteriepreise, wie jüngst in einer McKinsey-Studie prognostiziert, nach 2020 auf ein Niveau um 120 €/kWh fallen, dürfte das MAN-Konzept hochinteressant werden. Zumal es dank drastisch reduzierter Lärmemissionen Entsorgungstouren in frühen Morgen- oder in späten Abendstunden möglich macht. Versorger könnten die Fahrzeuge dann besser auslasten oder ihre Touren in Großstädten ohne Verkehrsbeeinträchtigungen erledigen. Damit die Fahrer dabei stets den Überblick behalten, wird das Fahrzeugumfeld aus der Vogelperspektive lückenlos überwacht. Dazu führt ein Grafikprozessor Aufnahmen von vier Kameras zu einem 3-D-Gesamtbild zusammen.
Während im MAN Metropolis der Dieselmotor als Hilfsaggregat des Elektroantriebs dient, ist es im Econic BlueTec Hybrid von Mercedes-Benz umgekehrt. Dennoch ist der Effekt beachtlich: Im Praxistest bei der BSR hat der Hybrid im Schnitt 23,9 % weniger Kraftstoff verbraucht als ein herkömmlicher Econic BlueTec. Dafür reichen eine permanent erregte Synchronmaschine mit 26 kW Dauerleistung (45 kW peak) und ein Lithium-Ionen-Akku mit 10,5 kWh Kapazität. Geladen wird an der Steckdose oder mit zurückgewonnener Bremsenergie, die im Stop-and-go der Entsorgungsfahrten reichlich zur Verfügung steht.
Da der elektrohydraulische Pressmüllaufbau die Hälfte der Zeit elektrisch arbeitet, wird der 210 kW starke Dieselmotor beim Leeren der Mülltonnen automatisch abgeschaltet, wann immer es der Ladezustand der Batterien erlaubt. Auch das senkt die Lärmbelastung von Müllwerkern und Anwohnern.
Allerdings ist auch der Econic Hybrid noch nicht wettbewerbsfähig. Laut BSR kann der Verbrauchsvorteil die 80 000 € Mehrkosten der Hybridisierung mitnichten kompensieren. Doch das wird sich ändern, wenn die Batteriepreise wie prognostiziert sinken. Zumal Daimler durch globale Standardisierung eine schnelle Reduktion der Systemkosten anstrebt. „Unser Ziel sind weitestgehend standardisierte Antriebsstränge aus erprobten Komponenten, die wir jeweils an die regionalen Gegebenheiten und Einsatzfelder unserer Trucks applizieren“, erklärt Klaus Dieter Holloh, Leiter der Vorentwicklung bei Daimler Trucks.
Zentrum dieser Strategie ist das Global Hybrid Center in Japan, das eng mit Applikationszentren in Europa, Nordamerika und Japan kooperiert. Der als Parallelhybrid angelegte modulare Baukasten steht allen Konzernmarken zur Verfügung, ob sie nun kleine Lkw für urbane Verteilerverkehre, schwere Fernverkehrs-Sattelschlepper oder Sonderfahrzeuge elektrifizieren wollen. So will der Konzern schnell steigende Stückzahlen, zügigen Know-how-Zuwachs und die Möglichkeit schaffen, Entwicklungskosten auf viele Fahrzeuge und Kunden umzulegen.
Nicht nur Entsorger sollen davon profitieren. Auch in Bussen, 3,5- bis 7,5-Tonnern oder im Fernverkehr wurden laut Holloh in verschiedenen Erdteilen Verbrauchssenkungen zwischen 10 % und 30 % erreicht. PETER TRECHOW
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