EU will flächendeckend Stromladestationen in Europa
Gas geben für alternative Kraftstoffe heißt die Losung der EU-Kommission. 8 Mio. Stromtankstellen bis 2020, 800 000 davon im öffentlichen Raum, sind das Ziel. Davon allein 150 000 in Deutschland. Damit verbunden ist ein EU-weiter Triumph für den Typ-2-Stecker made in Germany. Bezahlen soll die neue Infrastruktur größtenteils die Wirtschaft.
Alternative Kraftstoffe sollen Europas Abhängigkeit vom Erdöl bis 2020 deutlich senken. Derzeit werden nahezu 95 % der Fahrzeuge auf Basis von Erdölprodukten betrieben. 84,3 % des Ölimports kommen aus instabilen Regionen der Welt. Mit dem Aktionsplan „Saubere Energien für den Verkehr“ will die EU-Kommission einen massiven Ausbau der Strom- und Gastankstellen vorantreiben, um alternative Kraftstoffe zu forcieren.
„Der hohe Erdölimport geht einher mit einer großer Versorgungsunsicherheit und steigenden Ölpreisen“, betonte EU-Verkehrskommissar Siim Kallas bei der Vorstellung des Maßnahmenpakets einer europäischen Strategie für alternative Kraftstoffe in Brüssel. Die EU-Kommission beziffert die gestiegenen Ölpreise allein im Jahr 2011 mit 1 Mrd. € pro Tag. Grund genug, dass Europa seine Energiequellen im Verkehrssektor diversifiziere. Dreh- und Angelpunkt dieser Bemühungen stelle eine EU-Infrastruktur-Richtlinie zum Ausbau der Strom- und Gastankstellen bis 2020 in ganz Europa dar. Hierbei sollen für die Mitgliedstaaten verbindliche Zielvorgaben und EU-weite Standards, wie Stromladestecker, festgeschrieben werden.
Derzeit knapp 12.000 Ladestationen in Europa
Die aktuelle Bestandsaufnahme weist 11 749 frei zugängliche Stromtankstellen in der EU auf. Nach Vorstellungen der EU-Kommission sollen bis zum Jahr 2020 mindestens 794 000 Ladestationen vorgehalten werden. In Deutschland soll das öffentliche Stromtankstellennetz von derzeit 1937 auf 150 000 bis 2020 ausgebaut werden. In Belgien soll das Angebot von elf auf 21 000, in Luxemburg von sieben auf 1000 und in Rumänien von derzeit einer einzigen Elektrotankstelle auf 10 000 steigen. Das dichteste Stromtankstellennetz weisen derzeit die Niederlande mit 1700 Stationen auf.
Amsterdam ist Avantgardist in Sachen E-Mobilität. So nutzen bereits mehr als 7000 Mitglieder „car2go“ in Amsterdam, den mobilen Service der Smart-fortwo-Fahrzeuge. So können an 18 neuen car2go-Parkplätzen mit Ladestationen die Elektrofahrzeuge aufgeladen werden. Die Miete für die Fahrzeuge beträgt 29 Cent pro Minute, fürs Parken 9 Cent. Bislang gibt es allein im Großraum Amsterdam 400 öffentliche Ladestationen. Parallel gibt es die car2go-App, mit deren Hilfe man Fahrzeuge finden sowie reservieren kann, nun auch in verschiedenen Sprachen. Sie ist kostenlos im AppStore für iPod Touch und iPhone verfügbar. Auch eine Anwendung für Android-Systeme existiert.
Darüber hinaus zählt die EU-Kommission Spanien, Frankreich und Großbritannien zu den führenden Elektromobilitätsnationen. Außerdem schlägt Kallas einen einheitlichen EU-Ladestecker des „Typ 2“ vor, der von der Sauerländer Firma Mennekes entwickelt wurde und zu den am „meisten verwendeten Ladesteckern in der EU“ zählt.
Andreas Sauer, Leiter der Brüsseler BMW-Repräsentanz begrüßt die Kommissionsinitiative ausdrücklich. „Bei der kommenden Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt wird dies zu einem Durchbruch der E-Mobilität im Verkehrssektor beitragen“, sagte er im Gespräch mit den VDI nachrichten.
Berufspendler sind großes Potential für Elektroautos
Weniger euphorisch sieht dies hingegen der Präsident des Bundesverbandes E-Mobilität, Kurt Sigl. „Die Brüsseler Initiative ist insgesamt positiv, zäumt aber das Pferd vom Schwanz auf“, erklärte er gegenüber den VDI nachrichten. Die Aufrüstung mit Stromtankstellen sei keine prioritäre Maßnahme, um die E-Mobilität in Deutschland wirklich voranzubringen. Von den 48 Mio. zugelassenen Kraftfahrzeugen seien 10 Mio. Zweit- und Drittfahrzeuge in deutschen Haushalten mit einer durchschnittlichen Tagesfahrleistung von 27,5 km. Allein die täglich 6 Mio. Berufspendler stellten ein enormes Potenzial dar. Den Städten und Kommunen sowie den mittelständischen Unternehmen komme eine entscheidende Rolle für mehr E-Mobilität in der Fläche zu. Steckdosen gebe es bereits in fast jeder Garage und die Möglichkeit, Ladestationen an vorhandene Straßenbeleuchtungsmasten zu koppeln, sei ebenso ein technisch gangbarer Weg.
Neben einem EU-weiten Stromtankstellennetz will die EU-Kommission gleichzeitig die Wasserstoff-Infrastruktur ausbauen. Für komprimiertes Erdgas (CNG), das im Auto verwendet werden kann, sollen bis 2020 an den überregionalen Straßen alle 150 km Tankstellen zur Verfügung stehen.
Die Gesamtkosten für die Infrastruktur von Strom- und Gastankstellen beziffert die Kommission auf 10,5 Mrd. €. Diese Investitionen sollen zum größten Teil vom Privatsektor bestritten werden. Die Mitgliedstaaten sollten sich auf Regulierung und Standardisierung konzentrieren und bei Ausschreibungen für Autobahntankstellen Gas- und Stromtanken künftig verpflichtend vorschreiben.
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