Experten fordern: Stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren
Stillgelegte Schienen sollten wieder für den Bahnverkehr in Betrieb genommen werden. Sie könnten die Verkehrswende erheblich beschleunigen, meinen Fachleute der Leibnitz-Gemeinschaft.
Schienenstrecken garantieren nachhaltige Mobilität, gesellschaftliche Teilhabe und die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Alte Schienen – oder zumindest die Trassen – gibt es vielerorts noch. Der Anschluss von Städten und Gemeinden an schienenbasierte Verkehrssysteme ist also prinzipiell möglich. Diese Strecken für den Personen- wie auch den Güterverkehr wieder in Betrieb zu nehmen, könnte die Verkehrswende erheblich beschleunigen – und nebenbei für gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland führen.
Mehr Menschen auf die Schiene bringen
Stillgelegte Bahnstrecken zu reaktivieren, hätte einige Vorteile. Denn zum einen könnten mehr Menschen auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel umsteigen, zum anderen würde der ländliche Raum besser an den öffentlichen Verkehr angeschlossen. So würden Stationen an Schienenstrecken auf dem Land Entwicklungsimpulse erzeugen und als Mobilitätsdrehscheiben fungieren. Zu diesem Ergebnis kommt Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL) in ihrem aktuell veröffentlichten Positionspapier.
Worauf es jetzt ankommt, so die ARL, sei die verbindliche Sicherung der Trassen durch die Landes- und Regionalplanung, damit es nicht zu einer Überbauung der Flächen komme. Über Jahrzehnte hinweg wurde das „System Schiene“ schrittweise geschwächt. Zwischen 1955 und 2019 wurde etwa ein Drittel des Streckennetzes stillgelegt – insgesamt um ca. 15.000 km. Außerdem wurden etwa 80 % der Anschlussgleise für den Güterverkehr gekappt.
Jahrzehntelang wurden die Schienennetze verdichtet
Soll die Verkehrswende gelingen, müsse sowohl in die Infrastruktur des Bestandsschienennetzes investiert als auch für zusätzliche Verbindungen bzw. die Wiederherstellung alter Schienennetze gesorgt werden. Das ARL-Positionspapier zeigt auf, wie bisherige Hindernisse zu überwinden sind. „Nachdem über Jahrzehnte das Streckennetz der deutschen Eisenbahnen reduziert wurde, ist es angesichts überlasteter Strecken und nicht auf der Schiene erreichbarer Mittelzentren höchste Eisenbahn, das Netz wieder zu verdichten und Menschen in allen Teilen Deutschlands einen gut erreichbaren Zugang zum System Eisenbahn zu verschaffen!“, fordert der ARL-Präsident Axel Priebs. Als Mittelzentren bezeichnet man kleine und mittlere Städte, die ihr jeweiliges Umland versorgen sollen. Bundesweit sind der Studie zufolge 123 Mittelzentren nicht mehr an den Reisezugverkehr angeschlossen.
Gut 4500 km Schienenstrecke eignet sich für eine erneute Inbetriebnahme
Für eine Reaktivierung kommen 277 Strecken mit einer Streckenlänge von 4573 km infrage. Eine entsprechende Liste haben die Allianz Pro Schiene und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) vorgelegt. Davon profitieren könnten 332 Städte und Gemeinden sowie 3,4 Mio. Menschen. Für mehrere Landesregierungen war dies ein Signal, Untersuchungen zu beauftragen, um die Reaktivierungspotenziale in ihren Ländern zu ermitteln. Seitdem sind bereits zahlreiche Reaktivierungsprojekte auf den Weg gebracht worden oder befinden sich in der Vorbereitung.
Nach Ansicht der ARL-Experten habe das Deutschlandticket gezeigt, dass gute Angebote auch zu neuer Nachfrage bei der Nutzung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) führen. Da damit auch das Pendeln preiswerter und attraktiver wird, ergeben sich – etwa im Zusammenspiel mit neuen Arbeitsformen und verstärkter Nutzung des Homeoffice – nicht zuletzt im weiteren Umfeld der Großstädte neue Chancen für ländliche Mittelzentren.
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