Kraftstoff aus Abwasser soll Schifffahrt grüner machen
Aus Abwasser wird klimaneutraler Schiffstreibstoff: Neue Anlage in Mannheim zeigt, wie Methanol aus Biogas entsteht.

Fahren bald Schiffe über die Weltmeer, die von Methanol aus Abwasser angetrieben werden?
Foto: PantherMedia / AvigatoR (YAYMicro)
In Europa gibt es rund 80.000 Klärwerke. Sie reinigen unser Abwasser – und setzen dabei Biogas frei. Bislang wurde dieses Nebenprodukt häufig ungenutzt verbrannt oder nur lokal verwertet. Doch jetzt zeigen Forschende und Unternehmen, wie sich dieses Biogas sinnvoller nutzen lässt: als Basis für klimaneutralen Schiffstreibstoff.
Am 24. März 2025 nahm ein Konsortium in Mannheim eine Demonstrationsanlage in Betrieb, die aus CO₂ und Wasserstoff Methanol erzeugt. Methanol ist ein flüssiger Energieträger, der als Treibstoff für Schiffe eingesetzt werden kann. Die neue Anlage im Mannheimer Klärwerk nutzt das dort entstehende Biogas und wandelt es in Methanol um. Möglich macht das ein patentiertes Verfahren, das CO₂-Abscheidung und Methanolsynthese in einem Schritt kombiniert.
Inhaltsverzeichnis
Das Projekt „Mannheim 001“
Das Projekt entstand in Zusammenarbeit zwischen dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Start-up-Ausgründung Icodos und der Stadtentwässerung Mannheim. Die neuartige Anlage wurde im Klärwerk installiert – dort, wo ohnehin Biogas aus der Abwasserbehandlung entsteht.
Das Biogas enthält Methan und CO₂. In der Anlage wird zunächst das CO₂ abgeschieden und anschließend mit grünem Wasserstoff – also Wasserstoff aus erneuerbarem Strom – in Methanol umgewandelt. Die kompakte Bauweise erlaubt einen dezentralen Einsatz der Technologie – ein entscheidender Vorteil, da Klärwerke europaweit verteilt sind.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing drückte beim offiziellen Start den symbolischen Knopf. Er betonte die Bedeutung alternativer Kraftstoffe für die maritime Schifffahrt:
„Neben der Elektrifizierung und wasserstoffbasierten Antrieben brauchen wir klimafreundliche Kraftstoffe, insbesondere in der maritimen Schifffahrt.“
Warum Methanol?
Methanol ist ein einfacher Alkohol mit hoher Energiedichte. Er lässt sich gut lagern, transportieren und in bestehenden Motoren mit nur geringem Umbau einsetzen. Außerdem kann Methanol als Ausgangsstoff für viele chemische Produkte dienen. In der Schifffahrt gilt er als vielversprechender Treibstoff, um fossile Brennstoffe zu ersetzen. Aktuell wird Methanol meist noch aus Erdgas hergestellt – also fossil. Das Verfahren von Icodos soll das ändern.
ICODOS-Mitgründer Dr. Vidal Vazquez erklärt: „Mit unserer Technologie gewinnen wir aus einer vorhandenen Quelle einen hochwertigen Energieträger. Allein in Deutschland könnten Kläranlagen jährlich mehrere Millionen Tonnen nachhaltiges Methanol produzieren.“

Icodos, eine Ausgründung aus dem KIT, entwickelt vollintegrierte, vollautomatische und dynamisch betriebene E-Methanol-Anlagen.
Foto: KIT
Die Technik hinter dem Verfahren
Bei bisherigen Verfahren zur Herstellung von e-Methanol sind die CO₂-Abscheidung und die Methanolsynthese getrennt. Das neue Verfahren vereint beide Schritte in einem sogenannten Hybridprozess. Dadurch sinken Energiebedarf und Investitionskosten.
Das CO₂ aus dem Biogas wird mithilfe eines Lösungsmittels gebunden. Dieses Lösungsmittel ist gleichzeitig Teil des Methanolherstellungsprozesses und wird kontinuierlich regeneriert. So entsteht kaum Abfall, und das Lösungsmittel nutzt sich nicht ab – anders als bei herkömmlichen Aminwäschen, bei denen Korrosion und Lösungsmittelverluste auftreten können. Auch die Zahl der notwendigen Anlagenteile sinkt, was die Wartung vereinfacht und eine vollständige Automatisierung ermöglicht.
Ein Schritt in Richtung zirkuläre Bioökonomie
Das CO₂, das im Biogas enthalten ist, stammt ursprünglich aus Pflanzen, die es während ihres Wachstums der Atmosphäre entzogen haben. Durch die Umwandlung in Methanol entsteht ein geschlossener Kohlenstoffkreislauf. Das Verfahren ist damit ein Beispiel für eine zirkuläre Bioökonomie – also eine Wirtschaftsweise, in der Stoffkreisläufe geschlossen und Ressourcen effizient genutzt werden.
„Hier wird aus Biogas, das bei der Abwasserbehandlung anfällt, ein Wertstoff gewonnen – ein innovativer Ansatz, der zeigt, wie vorhandene Ressourcen intelligent und klimafreundlich genutzt werden können“, sagte Professor Thomas Hirth vom KIT.
Übertragbarkeit und Zukunftspotenzial
Die neue Technologie ist modular aufgebaut und kann daher auch an anderen Standorten zum Einsatz kommen. Icodos ist bereits mit mehreren Kläranlagen im Gespräch. Ziel ist es, die Produktion nachhaltiger Kraftstoffe aus Biogas flächendeckend auszurollen – nicht nur in Deutschland, sondern europaweit.
Der Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht betonte die Vorbildfunktion des Projekts:
„Hier zeigt ein Start-up-Unternehmen aus unserem Technologie- und Gründungszentrum Mafinex mit Unterstützung aus dem Klimafonds der Stadt Mannheim, wie aus Abwasser grüner Kraftstoff für die Schifffahrt hergestellt werden kann.“
Langfristig plant Icodos auch die Nutzung weiterer CO₂-Quellen, etwa aus der Zementindustrie. Damit ließe sich das Verfahren in noch größerem Maßstab einsetzen.
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