Flexibel und effizient: Radnabenmotoren treiben Elektroautos an
Forscher der TH Köln haben eine alte Idee von Ferdinand Porsche aufgegriffen und seinen Radnabenmotor für moderne Elektroautos weiterentwickelt. Dieses System soll Kosten sparen und umweltfreundlicher sein als herkömmliche Antriebskonzepte.
Zurück zu den Wurzeln – mit diesem Motto lässt sich die derzeitige Entwicklung in der Automobilbranche gut umschreiben. Schließlich hat die Geschichte des Automobils im 19. Jahrhundert mit einem Elektroauto begonnen, bevor Verbrennermotoren ihren Siegeszug antraten. Jetzt spricht alles dafür, dass Elektromobilität wieder in die erste Reihe tritt, und auch eine andere historische Erfindung erlebt eine Neuauflage: der Radnabenmotor. Ferdinand Porsche rüstete damit bereits zur Weltausstellung im Jahr 1900 Elektroautos aus. Diesem Prinzip folgen jetzt Wissenschaftler der Technischen Hochschule (TH) Köln.
Gemeinsam mit der Alten SW GmbH haben die Forscher der TH ein Elektro-Serienfahrzeug umgerüstet und den herkömmlichen Motor entfernt. Im Anschluss bauten sie Elektromotoren samt der dazugehörigen Leistungselektronik in jedes einzelne der 4 Räder ein. „Die Bundesregierung will in absehbarer Zeit eine Millionen Elektroautos auf die Straßen bringen. Dafür muss diese Fahrzeugart deutlich günstiger werden. Zudem sind ökologische Probleme durch den Einsatz Seltener Erden zu bewältigen. Beide Probleme adressiert der von uns entwickelte Antrieb“, sagt Andreas Lohner, Professor am Institut für Automatisierungstechnik der TH Köln.
Reluktanzkraft für jedes einzelne Rad
Die sogenannten Felgenmotoren haben die Wissenschaftler in den Raum zwischen Bremsanlage und Felge der Standardräder eingesetzt. Dabei besteht jeder Motor aus einem statischen Teil mit 20 Spulen und einem rotierenden Teil mit 24 Zähnen. Wird nun eine der Spulen unter Strom gesetzt, zieht sie den nächstgelegenen Zahn des Rotors an. Eine Spule nach der anderen wird aktiviert, sodass der äußere Bereich des Motors zu rotieren beginnt und die Räder antreibt. Die Bewegung erfolgt also durch die Reluktanzkraft, die den magnetischen Widerstand zwischen Spule und Rotor verkleinert. Faktisch handelt es sich daher um ein Allrad-Fahrzeug.
Die Reluktanzkraft ist wohlbekannt. Für die Forscher bestand die größte Herausforderung jedoch darin, die Motoren so zu gestalten, dass sie nicht an jeden Bauraum individuell angepasst werden müssen. Ihre Form ist neutral. Gleichzeitig musste es möglich sein, sie problemlos in die bestehenden Räder zu integrieren. Das schafft die Voraussetzung für die Serienumsetzung bei verschiedenen Fahrzeugmodellen. Hinzu kommt die sogenannte Skateboard-Konfiguration: Die 4 motorisierten Räder werden durch einen Akku im Unterboden ergänzt. Daher lasse sich das Antriebskonzept auf nahezu jede Karosserieform übertragen.
Günstiger als normale E-Autos
Jetzt stellt sich natürlich noch die Frage, welche Leistung der Antrieb mit seinen Radnabenmotoren schafft: Das rund 2 Tonnen schwere Fahrzeug beschleunigt in 8 Sekunden auf hundert Stundenkilometer (km/h) und schafft maximal eine Geschwindigkeit von 160 km/h. In puncto Reichweite ändert sich prinzipiell nichts. Denn die wird durch den eingebauten Akku festgelegt. Nach Angabe der Wissenschaftler verbraucht bereits der Prototyp nur unwesentlich mehr Energie als der ursprünglich eingebaute zentrale Elektromotor, seine Herstellung sei aber wesentlich günstiger. Die Forscher schätzen, dass ihr Antriebskonzept 30 bis 40 % billiger sein könnte als übliche E-Motoren. Voraussetzung sei eine Produktion in großer Stückzahl.
Abgesehen von den Kosten sieht Lohner auch deutliche Vorteile für die Umwelt. Denn in herkömmlichen Elektromotoren würden vielfach Permanentmagnete verbaut, bei deren Herstellung seltene Metalle zum Einsatz kämen. Diese würden vor allem in China unter schwierigen ökologischen Bedingungen gewonnen. „Unsere Felgenmotoren hingegen werden komplett aus ‚Blech‘, Aluminium und Kupfer hergestellt.“
Gute Straßenlage, aber viel Krach
Gepaart wird das einfache Antriebskonzept mit einer neu entwickelten Steuerungselektronik. Jedes Rad ist individuell ansteuerbar und wird alle 2 Millisekunden geregelt. Das soll die Agilität des Pkw und den Fahrspaß erhöhen. „Über den Lenkwinkel berechnet die Elektronik beispielsweise, wie der Fahrer eine Kurve nehmen möchte, und kann ein ausbrechendes Fahrzeug abfangen. Die äußeren Räder werden dann automatisch stärker und die inneren Räder schwächer angetrieben“, sagt Martin Voßwinkel vom Forschungsteam. Im Praxistest sei es so möglich gewesen, mit 30 % mehr Geschwindigkeit in die Kurven zu gehen – ohne dass der Wagen seine sichere Straßenlage verlor.
Trotzdem gibt es noch einiges zu tun, bevor das neue Antriebskonzept in die Serienproduktion gehen kann. Denn der Prototyp ist ungewöhnlich laut, obwohl die Forscher bereits einige Wochen an den Geräuschen getüftelt haben und den Lärmpegel um die Hälfte senken konnten. „Das Ziel ist nun, die Maschine auf ein akustisches Niveau zu bringen, das massenmarkttauglich ist“, sagt Voßwinkel.
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