Ford-Test mit autonomen Transportern: Paketzusteller laufen zu Fuß
Kuriere kommen zu Fuß, der Transporter autonom. So sieht es das Szenario von Ford und Hermes vor. Ob sich das künftig in die Realität umsetzen lässt, testen der Automobilhersteller und der Zustelldienst aktuell im Rahmen eines Praxistests in London.
Zustelldienste wie das Unternehmen Hermes gehören zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. Sie verzeichnen eine deutlich erhöhte Nachfrage ihrer Dienstleistungen. Schließlich hatten die Menschen aufgrund geschlossener Geschäfte keine andere Möglichkeit, als Waren in Online-Shops zu bestellen und sich diese nach Hause liefern zu lassen. Es ist zu vermuten, dass dieser Trend noch weiter anhält, auch wenn sich die Auswirkungen der Pandemie wieder langsam normalisieren. Der Automobilhersteller Ford und der Zustelldienst Hermes forschen gemeinsam an Lösungen, Pakete mit autonom fahrenden Transportern zuzustellen.
Dabei gehe es vor allem darum, die sogenannte „letzte Meile“ mit autonom fahrenden Transportern abzudecken. Deshalb testen die beiden Partner nun zwei Wochen lang in London, wie sich andere Verkehrsteilnehmer dem scheinbar fahrerlosen Transporter gegenüber verhalten. Denn aufgrund der aktuellen Gesetzeslage sitzt natürlich trotzdem ein Mensch am Steuer dieses Nutzfahrzeugs. Anders ist das nicht möglich. Erkennbar ist das Zustellfahrzeug, ein umgebauter Ford-Transit-Kastenwagen, an zahlreichen Sensoren. Es sind die, mit denen vollautonome Autos üblicherweise ausgestattet sind. Für andere Verkehrsteilnehmer bleibt der Fahrer unsichtbar.
Unsichtbarer Fahrer im autonom fahrenden Transporter bleibt passiv
Ford verfolgt dabei das Ziel, neue Möglichkeiten und Modelle für den autonomen Fahrzeugbetrieb zu identifizieren. Im Mittelpunkt stehen vor allem menschliche Interaktionen in Verbindung mit automatisierten Fahrzeugen sowie bestehende Prozesse. Lieferfahrten stellen deshalb aus Sicht des Automobilherstellers ein ideales Testgebiet dar. „In unserem Vorhaben, autonome Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen, konzentrieren wir uns nicht nur auf die Technologie – wir halten es für wichtig, auch die Geschäftsmodelle unserer Kunden zu stärken“, sagt Richard Balch, Direktor Autonome Fahrzeuge und Mobilität von Ford Europa. „Um zu verstehen, in welchen Bereichen sie sich anpassen müssen, gibt es keinen besseren Weg, als bestimmte Prozesse in der Realität auszuprobieren.“
Denn der Fahrer ist in diesem Szenario eben nicht bloß ein Mensch, der einen Lkw oder Transporter steuert. Er übernimmt weit mehr Aufgaben: Zum Beispiel sortiert und verlädt er die Ware, übergibt sie persönlich an die Empfänger oder lädt sie eben wieder ins Fahrzeug, falls er niemanden angetroffen hat. Für den Praxistest in London soll sich der „unsichtbare“ Fahrer jedoch völlig anders verhalten – nämlich absolut passiv.
Kurier fordert autonom fahrenden Transporter per App an
Der autonom fahrende Transporter arbeitet mit einem Kurier zusammen, der zu Fuß in der Stadt unterwegs ist. Dieser ist auch für das Ausliefern der Pakete zuständig. Er kann das Lieferfahrzeug per Smartphone-App an seinen aktuellen Standort oder einen, an dem er sich mit dem Transporter treffen möchte, bestellen. Diese App hat Hermes eigens für diesen Test entwickelt. Das Fahrzeug sucht sich selbstständig einen sicheren Parkplatz. Anschließend kann der Kurier die Tür zum Laderaum über einen Fernzugriff entriegeln. Im Inneren des Transporters helfen Sprachhinweise und Monitore dem Kurier dabei, das richtige Paketfach mit dem dazugehörigen Inhalt zu finden. Davon versprechen sich die beiden Partner, Ford und Hermes, ein Verständnis sowie eine Gestaltung der Interaktion zwischen Mensch und Fahrzeug zu entwickeln, mit dem Geschäftsprozesse auch ohne die Anwesenheit eines Fahrers sicher ablaufen können.
Statt Kurzschluss und Totalausfall – So wird autonomes Fahren sicherer
Vorab gab es bereits „Letzte-Meile-Zustelltests“ von Ford in London. Hier nahmen Kuriere die Pakete aus einem Transporter entgegen und liefen die letzte Etappe bis zum Empfänger zu Fuß. Der Test war erfolgreich, da die Pakete in der Innenstadt auf diese Art und Weise schneller und effizienter zugestellt werden konnten. Die Ergebnisse dienen den beiden Partnern als Basis, um Prozesse zu entwickeln, wie die Beschäftigten mit fahrerlosen Fahrzeugen kooperieren können.
In den USA bringen autonome Transporter Lebensmittel an Schulen
„Wir wollen das Potenzial autonomer Fahrzeuge verstehen und abschätzen, ob sie langfristig eine Rolle im Zustellgeschäft spielen könnten“, so Lynsey Aston, Leiterin Produkt, Innovation und Onboarding bei Hermes. „Wir entwickeln und erforschen ständig innovative Konzepte wie dieses und freuen uns auf die Ergebnisse, die zweifellos branchenweit von Nutzen sein werden.“
Ford betrachtet autonom fahrende Autos als Zukunftsprojekt und investiert innerhalb von zehn Jahren – noch bis 2025 – rund sieben Milliarden US-Dollar in dieses Forschungsgebiet. In mehreren großen amerikanischen Städten laufen Praxistests. In Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Argo AI, das selbstfahrende Systeme entwickelt, setzt Ford in sechs amerikanischen Metropolen bereits jeden Tag autonome Fahrzeuge ein. Einige von ihnen belieferten im Rahmen eines Wohltätigkeitsprojekts 2020 Schulen in Miami mit frischen Lebensmitteln.
Mehr zum Thema autonomes Fahren:
- Autonomes Fahren: Sensoren lösen endlich fatales Problem
- Wie Pakettransporter künftig autonom fahren
- Wie autonome Fahrzeuge die Logistik bewegen
Ein Beitrag von: