Gekenterte „Waldhof“ zwingt Logistiker zum Umdenken
Die Teilsperrung des Rheins nach dem Schiffsunglück der „Waldhof“ bei St. Goarshausen bringt europäische Logistikdienstleister in Bedrängnis. Sie müssen alternative Ver- und Entsorgungskonzepte entwickeln und Güter teilweise auf andere Verkehrsträger verlagern. Für die gestoppten Rheinschiffer geht es derweil um ihre Existenz. Sie büßen pro Tag und Schiff bis zu 4000 € Umsatz ein.
Seit der Havarie eines Säuretankers am 13. Januar ist der Rhein auf Höhe der Loreley für die Binnenschifffahrt in Teilen und zeitweise sogar komplett gesperrt. Mehr als 400 Schiffe warteten dadurch Anfang dieser Woche nach Angaben des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) Bingen oberhalb der gesperrten Unfallstelle auf ihre Weiterfahrt flussabwärts.
Die Häfen in Ludwigshafen oder Mannheim stießen an ihre Kapazitätsgrenzen. Mehr als 100 Schiffe legten alleine dort an. Unterdessen läuft die Bergung des Tankers „Waldhof“ auf Hochtouren. Laut Martin Mauermann, Leiter des WSA, wurden in fünf der sieben Tanks Öffnungen von 50 mm beziehungsweise 80 mm Durchmesser gebohrt und Stickstoff eingebracht, um den beim Kontakt der geladenen Schwefelsäure mit Wasser entstandenen Wasserstoff auszuspülen und die Explosionsgefahr zu reduzieren. Erst danach kann die 2400-t-Schwefelsäureladung, die das gekenterte Tankschiff von Ludwigshafen nach Antwerpen befördern sollte, abgepumpt werden.
Als enorme Belastung für die Branche bezeichnete der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB), Duisburg, die Rhein-Havarie bei St. Goarshausen. Sie verursache Umsatzausfälle in Millionenhöhe. Zwar sei die Fahrt in Richtung Oberrhein inzwischen kontrolliert frei gegeben worden und die dringend auf Lieferung wartende Kundschaft könne wieder bedient werden, doch die nicht minder wichtige Talfahrt, also die Fahrt in Richtung Niederrhein und Seehafen Rotterdam, bleibt nach BDB-Schätzungen noch mindestens bis zum 7. Februar gesperrt. Da das mit Schwefelsäure beladene, gekenterte Schiff in dieser Richtung teilweise im Fahrweg liegt, sei eine gefahrlose Passage nicht möglich.
Wie groß der durch die Havarie verursachte Schaden für die Wirtschaft ist, untermauert der Binnenschifffahrtsverband mit Zahlen. Demnach werden jährlich knapp 200 Mio. t Güter auf dem Rhein befördert. Die teilweise Sperrung dieser wichtigen Wasserstraße habe daher gravierende Auswirkungen auf die Logistik in Europa.
„Nicht nur in der chemischen Industrie und im Containerverkehr müssen alternative Ver- und Entsorgungskonzepte entwickelt und Güter teilweise auf andere Verkehrsträger verlagert werden“, so BDB-Präsident Gunther Jaegers. Auch die Binnenschifffahrtsunternehmen selbst seien von dem Schiffsunglück erheblich betroffen. Die durchschnittlichen Umsatzausfälle eines Rheinschiffes würden je nach Typ und Größe für jeden Stillstandstag bis zu 4000 € betragen. Jaegers: „Die Umsatzausfälle erreichen daher bereits jetzt Millionenhöhe.“ Besonders angespannt sei die Situation derzeit für die Partikulierschifffahrt. Die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise hätten – anders als in anderen Branchen – das Geschäftsergebnis auch noch im Jahr 2010 erheblich belastet. „Die Kombination aus einer schwierigen Marktsituation mit extrem niedrigen Frachtraten, Eis- und Hochwassersperrungen und nun der noch Wochen dauernden havariebedingten Behinderung führt zu einer außergewöhnlich großen Belastung für die Branche“, so der BDB-Präsident.
Mit einem alternativen Transportkonzept hat der trimodale Containerlogistikspezialist Contargo, Ludwigshafen, bereits auf die Rheinsperrung reagiert. So werden derzeit alle Containerschiffe nördlich der Sperre in Düsseldorf gedreht. Die bis dahin per Schiff transportierten Importcontainer werden dort gelöscht und per Lkw oder Bahn auf dem „Landweg“ an der Sperre vorbeigeführt.
Die Schiffe südlich der Sperre werden in Ludwigshafen entladen. Sie fahren dann beladen mit den per Güterbahn von Düsseldorf angelieferten Containern wieder in Richtung Basel. Exportcontainer aus Basel, Ottmarsheim, Strasbourg und Wörth können per Binnenschiff nach Ludwigshafen vorgeholt und dann per Güterbahn nach Düsseldorf transportiert werden. Von dort aus übernehmen wieder Binnenschiffe den Weitertransport nach Rotterdam oder Antwerpen.
Dringende Containerlieferungen bringen die Contargo-Terminals Aschaffenburg, Frankfurt und Koblenz per Lkw direkt nach Düsseldorf oder holen sie von dort ab. Sobald es der Wasserstand zulässt, wird dieser Ersatzverkehr über die kürzere Strecke nach Koblenz abgewickelt. Contargo kann mit den Sofortmaßnahmen nach eigenen Angaben etwa 20 % seiner normalen Transportkapazität aufrechterhalten.
Zu den Nutznießern der geänderten Verkehrsführung zählen auch die Neuss-Düsseldorfer Häfen, die aufgrund der Tankerhavarie mit unerwarteten Zusatzgeschäften in das neue Jahr gestartet sind. „Jetzt kommen Mengen an unsere Standorte, die sonst vorbeigefahren wären“, so Hafengeschäftsführer Rainer Schäfer gegenüber den VDI nachrichten. ROLF MÜLLER-WONDORF
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