Giftige Dämpfe in Flugzeugkabinen: Göttinger Forscher finden Schadstoffe im Blut
Fluggesellschaften werden dieses Forschungsergebnis verfluchen: Menschen in Flugzeugkabinen sind oftmals giftigen Dämpfen ausgesetzt und erkranken dadurch. Das haben Forscher der Universität Göttingen jetzt bestätigt. Nach drei Jahre langen Untersuchungen.
Die Befürchtung, dass die Luft in Flugzeugkabinen giftige Dämpfe enthalten kann, gibt es schon lange. Doch so intensiv wie die Göttinger Forscher haben sich bisher unabhängige Wissenschaftler des Problems noch nicht angenommen. Beinahe drei Jahre lang untersuchten Arbeitsmediziner um Astrid Heutelbeck Menschen, die unmittelbar nach ihrem Flug über Beschwerden klagten. Dabei wurden laut Spiegel mehr als 140 Patienten Blut- oder Urinproben entnommen und analysiert. Überwiegend handelte es sich bei den Betroffenen um Flugpersonal.
Flüchtige organische Verbindungen
Gefunden haben die Forscher regelmäßig sogenannte flüchtige organische Verbindungen (VOC) oder deren Abbauprodukte.
Belasten diese die Innenraumluft können Menschen dauerhaft am sogenannten Sick-Building Syndrom erkranken. Symptome sind Kopfschmerzen, Allergien, Müdigkeit, Leistungsminderung, Schlafstörungen und Reizungen der Atemwege.
Kabinenluft wird aus Triebwerken abgezapft
Wo aber kommen die gefährlichen Dämpfe im Flieger her? Die Forscher vermuten, dass sie in den Turbinen bei starker Hitze aus Kerosin, Enteisungsmitteln oder Öl freigesetzt werden könnten und dann über undichte Stellen im Triebwerk in die Zapfluft gelangen. Das ist naheliegend, weil in fast allen Passagierflugzeugen die Kabinenluft aus den Triebwerken abgezapft wird. Nach einer älteren Studie von Fresenius gelangt offenbar auch das Nervengift TCP in die Luft von Passagierflugzeugen. Und dieses Gift ist in Dämpfen der Triebwerksöle enthalten.
Cockpit fordert zusätzliche Hilfsturbinen
Früher war alles besser: Was giftige Dämpfe in den Flugzeugkabinen angeht, trifft dies wahrscheinlich zu. Denn ursprünglich gab es zusätzliche Hilfsturbinen für die Kabinenluft. Sie waren lange üblich, wurden dann aber aus Kosten- und Gewichtsgründen eingespart. Lediglich die Boeing 787 verzichtet auf Zapfluft direkt aus dem Antrieb.
In den kommenden Wochen werden die Göttinger Forscher ihre Ergebnisse auf Tagungen und in Fachartikeln präsentieren. Der Pilotenvereinigung Cockpit wird es neuen Auftrieb geben. Sie fordert von Flugzeugherstellern und der Europäischen Agentur für Flugsicherheit EASA, die Gesundheitsrisiken für Passagiere und Besatzungen endlich abzustellen – mit zusätzlichen Hilfsturbinen.
Denn Pannen gibt es häufig: Allein in der Zeit von 2006 bis 2013 registrierte die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen bei deutschen Fluggesellschaften 663 Fälle sogenannter Dunst-Ereignisse. In die Öffentlichkeit gelangte vor allem ein Zwischenfall in einem Germanwings-Airbus beim Landeanflug auf Köln Ende 2010: Pilot und Co-Pilot griffen während der Landung zu ihren Sauerstoffmasken, nachdem sie einen scharfen Brandgeruch wahrgenommen hatten und ihnen übel geworden war. Noch rechtzeitig: Die Maschine landete damals sicher.
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