Großbritannien startet mit Flugsicherung aus der Ferne
Die britische Flugsicherung will all ihre zivilen Aufgaben künftig nur noch von einem oder maximal zwei Standorten im Land aus abwickeln. Die heute noch auf jedem Flughafen stehenden Kontrolltürme werden dann überflüssig. An ihre Stelle treten gigantische Rechenzentren, in denen die Fluglotsen die Verkehrslage an jedem Flughafen im Land auf riesigen Bildschirmen beobachten können. Die Schärfe dieser Bilder geht deutlich über das hinaus, was mit dem menschlichen Auge auszumachen ist.
In jeder Minute des Tages und der Nacht befinden sich weltweit etwa 9.500 Verkehrsflugzeuge in der Luft. Alle sind von einer präzise arbeitenden Flugsicherung abhängig, um ihr Ziel sicher und schnell zu erreichen. Diese Flugsicherung ist ein gigantisches elektronisches System, das durch den ständig wachsenden Flugverkehr immer wieder aufs Neue herausgefordert wird.
Um das auf Dauer zu bewältigen sind große Reformen unvermeidlich. Die Briten gehen jetzt den ersten Schritt.
Tests auch in Frankreich, Deutschland und weiteren Ländern
Versuche mit einer Flugsicherung ausschließlich aus der Ferne gibt es seit Jahren in Frankreich, Deutschland, Irland, Schweden, der Schweiz und den Vereinigten Staaten. In Schweden werden schon seit 2015 zwei kleinere Flughäfen aus der Ferne betreut.
Die britische Flugsicherung stellt als ersten Flughafen den mittelgroßen London City Airport (LCY) um. Die bauamtlichen Genehmigungen liegen bereits vor. Mit den Bauarbeiten soll noch in diesem Jahr begonnen werden.
Erprobungsphase 2018
Das Jahr 2018 soll eine Erprobungsphase bringen, an deren Abschluss die Abschaltung des bisherigen Kontrollturms in LCY steht. Von 2019 an wird der Flughafen flugsicherungstechnisch vom südenglischen Kontrollzentrum Swanwick aus geführt werden. Bis dahin arbeitet noch der bisherige, 30 Meter hohe Kontrollturm des London City Airport. Der neue, einfache Stahlturm wird 50 Meter hoch.
London City Airport – einer von fünf Londoner Flughäfen – ist mit knapp 300 Flugbewegungen am Tag auf den ersten Blick eine Anlage der unteren mittleren Größenklasse. Was den City-Airport aber zu einem schwierigen Platz macht, ist seine Lage im Londoner Hafen mit Wasser auf drei Seiten und damit auch Nebelgefahr sowie einer relativ kurzen Startbahn von nur 1.500 m einschließlich der Überrollflächen. Außerdem befindet sich stadteinwärts in unmittelbarer Nähe zum Flughafen eine hohe Themsebrücke, die vor vielen Hochhäusern steht.
Die Folge ist, dass die Piloten, die auf dem LCY starten und landen besonders geschult sein müssen und dort nur wenige Flugzeugtypen für den Betrieb zugelassen sind.
Nach LCY soll zügig weiter umgestellt werden
Für die Umstellung des gesamten Landes auf die Flugsicherung aus der Ferne wird mit 20 bis 30 Jahren gerechnet. 2050 gilt als das wohl wahrscheinlichste Abschlussjahr für diesen Prozess. Über die Gesamtkosten halten sich alle Betroffenen bedeckt.
Zu rechnen sein wird mit wenigstens 20 Milliarden Pfund oder umgerechnet etwa 25 Milliarden Euro, wobei die ersten Umstellungen die teuersten werden. Mike Stoller, Direktor für die Flughäfen bei der britischen Flugsicherung (NATS) verspricht sich von dem neuen System eine verbesserte Sicherheit sowie einen reibungsloseren Betrieb und schließlich eine höhere Kosteneffizienz. Verwandt wird eine Technik, die von Saab Digital Air Traffic Solutions aus Schweden stammt und dort an den kleinen Flughäfen Örnsköldvik und Sundsvall bereits genutzt wird.
Kamera-Systeme verfügen teilweise über Zoom-Funktion
Am London City Airport werden 14 Kameras in 50 m Höhe auf dem neuen digitalen Turm installiert und erlauben dann eine 360 Grad Rundumsicht. Zwei zusätzliche Kameras besitzen eine Zoom-Funktion, die eine 30fache Vergrößerung jedes Bildausschnitts ermöglicht. Im neuen NATS-Kontrollzentrum in Swanwick bieten die Bilder eine komplette Rundumsicht, die für die Controller durch die Radarangaben auf den Monitoren und die Audio-Übertragung vom Flughafen sowie aus den Flugzeugen ergänzt wird.
Zusätzlich aufgerufen werden können Wetterinformationen, die Rufzeichen aller relevanten Flugzeuge oder auch die Bewegungen von Fahrzeugen auf dem Flughafen. Declan Collier, Chef des London City Airports, wertet das System insgesamt als „den neuen Standard für die weltweite Flugsicherung“. Collier verspricht sich vor allem viel davon, dass auf der Basis aller Bilder und sonstigen digitalisierten Daten die Controller deutlich schneller als bisher fundierte Entscheidungen treffen können.
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