Helix-Antenne im All löst den Datenstau im Schiffsverkehr auf
Wohin geht die Reise, wann und mit welcher Ladung? Informationen wie diese funkt jedes Schiff ständig und vollautomatisch. An maritimen Knotenpunkten wird die Informationsflut für herkömmliche Überwachungssatelliten schnell zu viel. Das DLR hat deshalb eine neuartige Antenne entwickelt, die den Datenstau auflöst und am Montag ihren Dienst aufnimmt.
Auf dem Meer herrscht Ruhe und Stille – sollte man meinen. Gerade in vielbefahrenen Gebieten wie der Deutschen Bucht, dem Mittelmeer oder der nordamerikanischen Atlantikküste gibt es jedoch einen so regen Funkverkehr, dass Satelliten inzwischen an ihre Grenzen stoßen.
Jedes Schiff sendet AIS-Signale, die von Satelliten empfangen werden. AIS steht dabei für Automatic Identification System (Automatisches Informationssystem). Die Signale enthalten Angaben über Position, Kennung, Länge und Breite, Ladung, Geschwindigkeit und Richtung. Damit kann jederzeit verfolgt werden, wo welches Schiff gerade mit welchem Ziel unterwegs ist.
Theoretisch jedenfalls: Während die Kapazität der bisherigen Satelliten in wenig befahrenen Gebieten ausreicht, kommt es an den maritimen Hauptverkehrsadern schnell zu Informationsgewirr babylonischen Ausmaßes, und die Signale können den einzelnen Schiffen nicht mehr problemlos zugeordnet werden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die bisher üblicherweise eingesetzten Satelliten mit ihren ungerichteten Stab-Antennen die einen Umkreis von immerhin 5.000 bis 6.000 Kilometern abdecken.
Wie der Lichtkegel einer Taschenlampe
„Die empfangen alles zugleich – das ist ein wenig so, als ob man 100 Radiosender gleichzeitig hören würde“, beschreibt Jörg Behrens vom Bremer Institut für Raumfahrtsysteme im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Behrens leitet das Projekt „AISat“ des DLR, das Abhilfe bei dieser Misere schaffen soll. Ein Satellit mit diesem Namen lauscht demnächst deutlich zielgerichteter den AIS-Signalen der Schiffe.
Um das leisten zu können, bekommt der Satellit des DLR völlig neue Rahmenbedingungen: Er wird mit einer Helix-Antenne ausgestattet, die sich erst im All entfaltet und dann gezielt in Richtung Erde ausgerichtet wird. Damit soll er in einem kleineren Gebiet mit einem Durchmesser von nur 750 Kilometern auf die AIS-Signale der Schiffe lauschen. „Der Satellit fokussiert wie der Lichtkegel einer Taschenlampe“, verdeutlicht Jörg Behrens.
Entwickelt und getestet wurde die Antenne in Gemeinschaftsarbeit der DLR-Institute für Raumfahrtsysteme und für Faserverbundleichtbau und Adaptronik. Damit bei der Entfaltung im All alles gut geht, wurde dies ausführlich auf Parabelflügen in der Schwerelosigkeit durchgespielt. Jetzt wird es ernst: Am Montag, 30. Juni, wird der Satellit mit einer Rakete vom indischen Startplatz Sriharikota 80 Kilometer nördlich von Chennai aus ins All geschossen.
Exakt 1113,7 Sekunden nach dem Start um 6.19 Uhr Mitteleuropäischer Zeit wird AISat auf seiner Bahn in 660 Kilometern Höhe ausgesetzt und beginnt dann mit dem Aufladen seiner Batterien. Wenn sich bei den ersten Überflügen herausstellt, dass der Satellit den Start gut überstanden hat, erfolgt das Kommando, die bis zu dem Zeitpunkt noch zusammengezogene Helix-Antenne zu entfalten. Sollte sie dann Richtung Weltall anstatt in Richtung Erde ausgerichtet sein, wird das ganze Objekt mit Hilfe kleiner Magnetspulen in die richtige Position gedreht.
Bodenstationen liefern Vergleichsdaten
Dann steht einem Dienstantritt von AISat nichts mehr im Weg: Die Wissenschaftler in Bremen, von wo aus der Satellit gesteuert und überwacht wird, rechnen gegen 11 Uhr mitteleuropäischer Zeit mit dem ersten Signal. Zwei- bis dreimal am Tag überfliegt er danach Norddeutschland und versorgt das Team mit Daten aus dem All. Eine weitere Empfangsstation soll später im kanadischen Inuvik aufgestellt werden, damit die Möglichkeiten zum Datenempfang ausgeweitet werden.
Um die Zuverlässigkeit von AISat zu prüfen, werden die von den Schiffen empfangenen Informationen mit den Aufzeichnungen fernbetriebener Bodenstationen vergleichen. Davon gibt es zurzeit sechs an der deutschen Nordseeküste: Sie erfassen mit einer Reichweite zwischen 40 und 60 Kilometern den Schiffsverkehr. Vier weitere Stationen sollen folgen. Zudem liefert auch AISat selbst Vergleichsdaten über kleinere, ungerichtete Stab-Antennen, die ebenfalls mit an Bord sind.
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