Hyperflexibles Elektroauto will mehr Büro als Fahrzeug sein
Ungewöhnlich hohe Form, seltsame Frontscheibe, Schiebetüren und ganz gerade Flanken: Der Reds von Designer Chris Bangle und dem chinesischen Fahrzeugbauer CHTC sieht erstmal seltsam aus. Der Grund: Das Design des Wagens wurde von innen nach außen gedacht.
Staus in den Städten und trotzdem pendeln Tausende jeden Morgen eine Stunde oder mehr zur Arbeit und abends wieder zurück. Das ist nicht nur nervenaufreibend, sondern vor allem zeitintensiv. Dem will ein chinesischer Autobauer jetzt etwas entgegensetzen: Das autonome Fahrzeug kann das innerstädtische Stop-and-Go alleine handhaben und wird für den Insassen zum Büro. Der Innenraum ist so gestaltet, dass die Pendelzeit als Arbeitszeit genutzt werden kann. Gutes, zweckmäßiges Innendesign, ein völlig neuer Ansatz im Außendesign und viel Technik machen es möglich. Das Elektromobil mit autonomem Fahr- und Bremssystem ist noch nicht serienreif, aber vielversprechend.
Autos sind keine sich bewegenden Objekte
Nahezu jeder geht davon aus, dass Autos sich bewegen. Schaut man sich aber mal an, was Autos tatsächlich tun, stellt man fest, dass sie sich maximal 10% der Zeit wirklich bewegen. Die restlichen 90% der Zeit stehen sie. Warum sollte man das Auto also als ein sich bewegendes Objekt konzipieren? Es bewegt sich ja fast nie. Chris Bangle, US-amerikanischer Designer und bis 2009 vorwiegend im europäischen Automobildesign tätig, denkt das Auto anders. Für ihn und sein Team ist es eine Art Raum, der sich gelegentlich bewegt, aber erst einmal ein neues Innendesign braucht. Eines, das nicht auf Fahren als Tätigkeit ausgerichtet ist, sondern auf den Lebensraum, den das Fahrzeug bietet.
Die Form heutiger Fahrzeuge wird immer noch in Geschwindigkeit und Luftwiderstand gedacht. Autos müssen stromlinienförmig sein, windschnittig, flach, schmal und schnell. Wozu, wenn sie 90% ihrer Zeit nur herumstehen? Es ist viel sinnvoller, das Fahrzeug für die komplette Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Auch außen. Die Form wird von dem definiert, was mit dem Auto alles möglich ist – außer dem Fahren. Türen und Öffnungsmechanismen sind auf enge Parkplätze in vollen Städten ausgerichtet, ohne die Sicherheit zu vernachlässigen. Und der Raum, den das Fahrzeug innen bietet, ist auf Lebensraum und Komfort ausgerichtet.
Technisch extrem innovativ
Damit dieses neuartige Fahrzeug aber wirklich als Arbeitszimmer genutzt werden kann, braucht es mehr als nur ein etwas ungewöhnliches Design: Es braucht Technik. Und die hat das Team um Chris Bangle eingebaut. Die Fahrzeuge sind standardmäßig mit WiFi ausgerüstet, sodass sie einem fest stehendem Büro in nichts nachstehen. Sie verfügen über einen Fahrassistenten, der autonomes Fahren ermöglicht. Parkassistenten und ähnliche Systeme kümmern sich um alles, was dem Insassen freie Zeit im Auto eröffnet.
Die beste Innovation dient allerdings dem Umweltschutz: Denn das Reds, so der Name des innovativen Fahrzeugs von Project Redspace, fährt elektrisch. Es hat keinen Verbrennungsmotor. Die Reichweite ist für die Stadt optimiert und es kann kabellos aufgeladen werden. Schnellladestationen, die in den Untergrund von Parkplätzen integriert sind, erlauben das Laden beim Parken. Entweder über ein induktives System, wie es derzeit schon bei Elektrobussen genutzt wird, oder ein konduktives System, wie es dieses österreichische Unternehmen auf der diesjährigen IAA in Frankfurt vorstellte.
Inneneinrichtung macht Auto zum Meetingraum
Das Fahrzeug hat vier Sitze, die allen Sicherheitsanforderungen eines normalen Kraftfahrzeugs genügen. Während der Fahrt sind die Sitze vorwärtsgerichtet, sie sind mit Sicherheitsgurten ausgestattet, können Kindersitze aufnehmen und erlauben selbstverständlich sicheres Autofahren. Aber das ist nicht alles. Die Sitze können in ihrer Position verschoben und gedreht werden. So können sich die vier Insassen anschauen, miteinander kommunizieren und arbeiten. Die Sitzanordnung ist ebenfalls flexibel: Es können wahlweise Fahrer- und Beifahrersitz vorne und zwei weitere Sitze hinten angebracht sein. Es ist aber auch möglich, den Beifahrersitz nach hinten zu verschieben, so dass die Rückbank drei Sitzmöglichkeiten bietet und der „Fahrer“ oder die „Fahrerin“ alleine sitzt. Der Beifahrersitz kann darüber hinaus zu einer Liege ausgebaut werden, die bequemes Ruhen wie auf einem Sofa ermöglicht. Wer auf dem Weg nach Hause noch Körner übrig hat, kann aber auch eine Arbeitsfläche ausklappen.
Das sind nur einige Ideen aus dem Fundus dessen, was mit diesem Auto alles möglich ist. Der Innenraum kann ganz individuell eingerichtet werden, es gibt keine vorgegebene Standardausrüstung für dieses Fahrzeug. So wird dem Geschäftsmann ermöglicht, sich ein fahrendes Büro zu schaffen, während der Familienvater vielleicht einen Spiel- und Freizeitraum für Frau und Kinder benötigt. Selbständige können ihr Büro komplett im Wagen einrichten und selbigen am Wochenende trotzdem für den Familienausflug nutzen. Sogar Stauraum ist flexibel gegeben: Hinter dem Beifahrersitz ist je nach Konzeption sehr viel Platz.
Neue Ansätze im Design sorgen für mehr Komfort
Zuerst einmal sieht Reds allerdings etwas ungewöhnlich aus. Die gebogene, leicht überhängende Frontscheibe ist sehr hoch, sie zeigt eine Lücke zu den Außenspiegeln hin. Das macht Sinn: Der Luftstrom ist so ähnlich optimal wie bei den gewohnten, eher flachen Autos mit fliehender Frontscheibe. Durch den Überhang des Daches wird das Auto innen komplett verschattet. Es heizt sich bei Sonneneinstrahlung viel weniger auf als herkömmliche Fahrzeuge. Die dadurch ungleich größere Dachfläche wird für Solarpaneele genutzt, die unter anderem die Klimaanlage des Wagens mit Strom füttern.
Für Sicherheit und gutes Handling beim Fahren sorgt der inzwischen schon fast gewöhnliche Touchscreen, der sich in der Mitte der Armaturen zwischen Fahrer und Beifahrer befindet. Darüber gibt es eine ausklappbare Maske, die ebenfalls als Projektionsfläche oder Bildschirm genutzt werden kann – beispielsweise dann, wenn im Wagen gearbeitet wird oder Jugendliche das Auto als Filmraum mit Freunden nutzen wollen.
Die Batterien des Wagens sind extrem bodennah untergebracht, so dass Reds trotz der ungewöhnlichen Höhe sehr stabil auf der Straße liegt. Die großen weiß abgesetzten Reifen sorgen ebenfalls für Stabilität, sind aber auch Teil des Konzepts für eine gute Beschleunigung und sichere Bremswege. Ebenfalls für Sicherheit sorgt das Farbkonzept: Reds ist außen mehrfarbig, die Farbauswahl kann den individuellen Vorlieben und Bedürfnissen der Kunden angepasst werden.
Noch ist der Wagen allerdings ein reines Show-Projekt, das bei der L.A.-Autoshow im Winter 2017 zeigt wurde. Geplant ist jedoch schon, dass der Wagen von Chris Bangles Associates und CHTC irgendwann in die Serienproduktion geht. Bislang gibt es kein Auto, das diese Ideen so konsequent umsetzt wie in dem Design von Project Red. Elektroautos, autonome Fahrsysteme, Solarsysteme und das Design des Wagens als Lebensraum in der Stadt wurden bislang nicht so kombiniert, dass sie in einem sicheren und tatsächlich kleinen Stadtwagen Platz finden. Der dazu auch noch extrem individualisierbar ist.
Die sechs spannendsten Concept Cars 2017 sind zwar auch andres, aber haben doch wesentlich mehr Ähnlichkeit mit herkömmlichen Fahrzeugen als das Reds. Einzig das grün-schwarze Gummiauto aus Japan kann in Sachen innovatives Design und Sicherheit mit dem Reds mithalten.
Ein Beitrag von: