TUM: Wie weit ist die Hyperloop Entwicklung? 23.09.2020, 15:36 Uhr

Hyperloop in Deutschland: „Die Sicherheitsbedenken sind durchaus berechtigt“

An der TU München (TUM) wird ein Hyperloop-Prototyp gebaut: In der Kapsel soll es eines Tages in 45 Minuten von der bayerischen Metropole nach Berlin gehen. INGENIEUR.de hat mit Gabriele Semino, Vorstandsvorsitzender des NEXT Prototypes e.V., über die Entwicklung des Hyperloops an der TUM gesprochen. Er verrät zum Beispiel, wie der SpaceX-Wettbewerb wirklich ablief.

Hyperloop Strecke in Bayern

Eine Hyperloop-Strecke in Bayern: An dieser Vision forscht die Technischen Universität München.

Foto: TUM Hyperloop

INGENIEUR.de: Wie weit sind denn die Planungen für den Hyperloop an der TU München?

Semino: In den letzten Jahren haben wir an den Wettbewerben von SpaceX in Kalifornien teilgenommen, die wir viermal in Folge gewinnen konnten. Dabei wurde in erster Linie die Geschwindigkeit der Kapsel getestet. Parallel dazu haben wir bereits angefangen, andere Prototypen zu bauen. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel ein Hyperloop-System im kleinen Maßstab gebaut. Vor wenigen Monaten wurde nun das Hyperloop-Forschungsprogramm an der TUM angekündigt. Hiermit wollen wir das Endsystem in Originalgröße erforschen und bauen sowie dessen Umsetzung in Europa untersuchen.

Treffen Sie denn auch auf Hürden? Zum Beispiel von der Stadt München? Oder ist die Stadt offen für eine Hyperloop-Strecke?

Das Forschungsprogramm wird vom bayerischen Wissenschaftsministerium unterstützt. Ministerpräsident Söder selbst ist sehr begeistert von der Technologie des Hyperloops. Es gibt ja auch Firmen, die am Hyperloop arbeiten und in die Technik investieren. Diese sind meistens sehr optimistisch und meinen, dass die Hyperloop-Technik auf jeden Fall funktioniert – auf der anderen Seite, gibt es aber auch Zweifler. Da wir ein Forschungsprogramm an einer Universität sind, wollen wir die Machbarkeit nun im Detail untersuchen, bevor wir eine Aussage treffen können.

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Sie sprachen eben an, dass der bayerische Ministerpräsident Söder von dem Projekt angetan ist. Es gibt also schon einen Austausch mit der Politik?

Ja, das Forschungsprojekt wird von der bayerischen Hightech Agenda gefördert. Ministerpräsident Söder war im September letzten Jahres auch schon hier und hat sich den Stand angeschaut.

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Wie kann man sich so einen SpaceX-Wettbewerb vorstellen? Ist es Science-Fiction-mäßig angehaucht?

Generell verläuft der SpaceX Wettbewerb in Stufen. Angemeldet haben sich im ersten Schritt zum Beispiel 1.000 Teams. Mit jeder Stufe verringerte sich die Anzahl, weil die Juroren von SpaceX schon aussieben. Zum Schluss waren es dann noch so 20 Teams. Wir haben dann auch die offizielle Erlaubnis bekommen, unsere Hyperloop-Entwicklung in Kalifornien weiter zu testen. SpaceX hat sich vor allem angeschaut, welche Kapseln sicher sind und entsprechend technisch gut ausgelegt sind.

Wieso ist die Qualität Ihrer Prototypen so gut?

Erstmal würde ich sagen, dass es wegen des Teams ist, das daran gearbeitet hat. Über 30 Studenten pro Wettbewerb waren involviert und haben wirklich sehr viel Zeit investiert. Zusätzlich hatten wir letztes Jahr zum Beispiel auch über 60 Sponsoren. Daher konnten wir viel investieren und die technische Qualität verbessern. Andere Teams haben dagegen weniger Zeit und Industriepartner.

Welchen Aspekt fanden die SpaceX Ingenieure bei Ihren Prototypen besonders gut? Bzw. was hat den Ausschlag gegeben, den Wettbewerb vier Mal in Folge zu gewinnen?

Ich denke, zum einen die besondere Lage, die wir am Standort München haben. Wir hatten das Glück von einer großen Anzahl von Unternehmen gefördert zu werden. Unsere Komponenten wurden dann zum Beispiel von namhaften Herstellern in der Münchner Umgebung gefertigt. Zum anderen, wie vorhin gesagt, hat das Team zum Erfolg geführt, auch weil viele schon seit mehreren Jahren dabei sind.

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Kommen Sie alle aus demselben Studiengang?

Nein, wir setzen uns praktisch aus fast allen Fakultäten zusammen, die die TUM hat. Ob mechanische Teile, passende Elektronik oder Leistungselektronik für die Motoren: Das sind alles unterschiedliche Bereiche, die nicht von einem Studiengang abgedeckt werden können. Wir haben auch eine Management- und Marketing-Abteilung.

Um mal auf den technischen Aspekt einzugehen. Es ist sicher schwer, kurz zu erklären, wie man einen Hochgeschwindigkeitszug mit annähernder Schallgeschwindigkeit baut? Oder?

Fangen wir mal mit den heutigen Zügen an. Diese fahren meistens nicht schneller als 350 km/h, denn je schneller ein Zug fährt, umso mehr Energie verbraucht er dabei. Wenn man also noch schneller fahren will, dann müssen zwei Probleme gelöst werden. Zum einen der Luftwiderstand und zum anderen müssen die Räder des Zugs mithalten. In einem Hyperloop-System verwendet man eine evakuierte Röhre, in der also einen Unterdruck aufgebaut wird und durch die die Hyperloop-Kapseln fahren. Das Ergebnis: man hat kaum noch Luft und damit auch weniger Luftwiderstand. Die Räder des Zuges wird man los, in dem man eine schwebende Kapsel baut. Die Kapsel fährt also kontaktlos.

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Danke, da kann man doch gut folgen. Das System in der Röhre könnte auch durch Solarzellen betrieben werden? Welche Informationen haben Sie hier?

Das System kann, wie aber auch der heutige Zugverkehr, völlig elektrisch betrieben werden. Jegliche Stromquelle kann verwendet werden. Solarpanele auf der Röhre sind ein Vorschlag. Hier muss aber bedacht werden, dass die Solarzellen die Infrastruktur teuer machen. Eine Alternative könnte sein, eine große Solarfarm neben der Röhre zu bauen. Das Kernthema ist viel eher, dass der Hyperloop zu 100 % elektrisch und somit potentiell komplett mittels erneuerbarer Energiequellen betrieben werden kann.

Wie sieht es mit dem Sicherheitsaspekt aus? Hier gibt es doch sicher auch Ängste, die es zu beseitigen gilt? Denn nicht jeder Nutzer wird sich doch direkt mit Schallgeschwindigkeit nach Berlin beamen lassen.

Die Bedenken sind ja erstmal durchaus berechtigt. Wir müssen ja zunächst beweisen, dass eine Fahrt mit dem Hyperloop wirklich sicher ist, bevor überhaupt erste Passagiere mitfahren dürfen. Deswegen führen wir unter anderem auch Risikoanalysen aus. Zusätzlich hat zum Beispiel auch der TÜV SÜD Guidelines für die Sicherheit von Hyperloop Zügen herausgebracht. Das Thema Sicherheit nehmen wir an der TUM auf jeden Fall sehr ernst und wollen somit beitragen, dass Hyperloop ein sehr sicheres Transportmittel wird.

Ist denn SpaceX schon weiter in der Hyperloop-Entwicklung?

SpaceX entwickelt selber nicht am Hyperloop. Sie haben nur den Wettbewerb organisiert und somit den Studierenden eine Plattform gegeben.

Da ist der Weltraum wohl spannender…

Darauf sind sie fokussiert, ja.

Wann wird es denn Ihrer Meinung nach so weit sein, dass wir in München in einen Hyperloop einsteigen können?

Das ist wirklich schwer zu sagen, aber man kann sicher meinen, dass es noch einige Zeit dauern wird. Es geht erstmal in den nächsten Jahren darum, ein sicheres Hyperloop-System zu Ende zu entwickeln und dann soll erst eine neue Infrastruktur aufgebaut werden, was natürlich auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Danke für das Interview und weiterhin viel Erfolg bei der Entwicklung des Hyperloops.

Gabriele Semino ist Vorstandsvorsitzender des NEXT Prototypes e.V. und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität München (TUM) im TUM Hyperloop Forschungsprogramm. TUM Hyperloop ist eine gemeinsame Forschungsinitiative von TUM und NEXT Prototypes e.V. mit dem Ziel der Entwicklung eines klimaneutralen Ultrahochgeschwindigkeits-Transportsystems, basierend auf dem von Elon Musk 2013 vorgeschlagenen Hyperloop-Konzept.

Zuvor leitete er die Hyperloop-Studenteninitiative an der TUM bereits zweimal bei der Teilnahme an der internationalen SpaceX Hyperloop Pod Competition. Im Laufe der letzten Jahre hat die Initiative alle vier Editionen des Wettbewerbs gewonnen, zuletzt im Juli 2019 mit einer beeindruckenden Höchstgeschwindigkeit von 482 km/h.

Gabriele hat an der TUM sowohl einen Bachelor-Abschluss in Physik als auch einen Master-Abschluss in Applied and Engineering Physics erworben.

Gabriele Semino

Gabriele Semino, M. Sc., Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität München.

Foto: Privat

Weitere Themen:

Neben dem Hyperloop-Projekt gibt es noch ein weiteres bayerisches Technik-Highlight. Isar Aerospace will nämlich das europäische SpaceX werden.

Ein Beitrag von:

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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