Berührungslose Ladetechnik 22.11.2017, 08:00 Uhr

Induktionssystem für die Industrie soll eine Leistung von 20 Kilowatt aufbringen

Das Start-up Blue Inductive aus Freiburg hat zunächst Industrieroboter im Fokus. Doch die berührungslose Ladetechnik soll künftig auch der Elektromobilität zum Aufschwung verhelfen.

Blue Inductive erlaubt berührungsloses Laden von Industrieakkus in bisher ungeahnter Effizienz. Das zumindest verspricht das Unternehmen um Johannes Mayer, dessen Namen auf der Forbes-Liste der „30 unter 30 in Europa“ prangt. Doch wie gut ist die Technik im Vergleich zu ihren Konkurrenten wirklich und wo sieht das Unternehmen seinen Marktvorteil?

Auf den Spuren von Nikola Tesla

Seit Nikola Tesla 1891 sein Publikum in New York erstmals mit der drahtlosen Übertragung von Elektrizität in Staunen versetzte, gab es zahlreiche Versuche, diese Technik in praktische Anwendungen umzusetzen. Doch erst in der jüngeren Vergangenheit erreichten Ingenieure die notwendige Effizienz, die eine drahtlose Ladetechnik beim heutigen Stromkonsum benötigt. Nicht zuletzt für die aufstrebende Elektromobilität wird händeringend nach praktikablen Lösungen gesucht, die sie von Stromschienen, Oberleitungen und dem ständigen Anschließen unhandlicher Kabel befreit.

Ideen hierfür gibt es viele. Einige Firmen setzen mit Brennstoff- oder Solarzellen auf die Stromerzeugung direkt beim Verbraucher. Die dafür benötigte Technik ist jedoch meist schwer und unhandlich. Andere automatisieren den Kabelanschluss durch Roboter oder schaffen konduktive Verbindungen über Lade-Kontaktflächen am Fahrzeugboden. Aufwendige Wartung kann den Effizienzvorteil dabei schnell auf ein unwirtschaftliches Maß reduzieren.

Blue Inductive – eine Ausgründung aus dem Fraunhofer ISE

Entstanden ist Blue Inductive im April 2016 als Ausgründung aus Europas größtem Forschungsinstitut für Solarenergie, dem Fraunhofer ISE, mit Unterstützung der Universität Freiburg. Von elektrisch betriebenen PKW und LKW liegt das Interesse des Unternehmens noch weit entfernt. Die Elektromobilität stellt erst den nächsten Schritt in der Produktentwicklung dar.

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Momentan kümmert sich das Start-up um den Markt mobiler Industrieroboter. Gabelstapler in Logistikzentren bieten das ideale Forschungsumfeld, um später für den lukrativen Schritt in den Markt der Automobilzulieferer gerüstet zu sein. Bis dahin heißt es, Daten und Erfahrungswerte zu sammeln und das Interesse zukünftiger Kooperationspartner zu erregen.

Dass Blue Inductive sich dabei auf einem guten Weg befindet, bezeugen Investoren wie Phoenix Contact Innovation Ventures, der High-Tech Gründerfonds (HTGF), die VC Fonds Baden-Württemberg und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft.

Die Physik hinter der Blue-Inductive-Technologie

Das physikalische Konzept, das die kabellose Übertragung von Strom ermöglicht, heißt Induktion. Jeder veränderliche Stromfluss durch einen elektrischen Leiter erzeugt um sich herum ein Magnetfeld und jedes verändernde Magnetfeld erzeugt in einem elektrischen Leiter wiederum einen Stromfluss. Die Richtung von Strom und Magnetfeld hängen voneinander ab und lassen sich mit der Rechte-Hand-Regel bestimmen.

Technisch gesehen werden hochfrequente Wechselströme durch Spulen geschickt, die um sie herum ein pulsierendes Magnetfeld erzeugen. Im Empfänger läuft das Verfahren dann genau umgekehrt ab. In der Empfängerspule erzeugt das wechselhafte Magnetfeld den benötigten Ladestrom, der über die interne Verkabelung zu den Akkumulatoren fließt.

Entscheidend ist der Abstand der Spulen voneinander, denn mit wachsender Entfernung nimmt der Effekt, und damit der Wirkungsgrad, stark ab. Dafür fallen wartungsintensive Probleme weg, zum Beispiel Korrosion an den Steckern, mechanische Belastungen an Robotermotoren oder Materialabrieb an Kontakten.

Leistung von 20 Kilowatt liegt deutlich vor der Konkurrenz

Blue Inductive selbst preist seinen erreichten Wirkungsgrad an. Diesen gibt das Unternehmen mit 95% an und übertrifft damit sogar viele kabelgebundene Systeme. Des Weiteren soll das neue System Ladeleistungen von 20 Kilowatt erreichen, beinahe das Doppelte vom Hauptkonkurrenten Qualcomm mit 11 Kilowatt Leistung. Zum Vergleich: Qualcomm lädt einen BMW i8 mit 7,2 Kilowatt in rund einer Stunde auf. Sollten sich die Werte von Blue Inductive in der Praxis bestätigen, wäre das in der Tat ein technischer Durchbruch.
Für den benötigten Abstand der Spulen zueinander nennt Blue Inductive 20 Zentimeter. Das ist mehr als ausreichend für Ladestationen an Parkplätzen, Bushaltestellen oder der heimischen Garage. Ideal für Roboter-Selbstladungen startet der Ladevorgang bei dem neuen System automatisch; ein weiterer Vorteil für die Benutzerfreundlichkeit zukünftiger E-Auto-Ladestationen.

Im E-Auto der nächsten Generation dürfte ein weiterer Vorteil der Technik maßgeblich für deren Einbau sprechen, denn der Stromtransfer funktioniert hier bidirektional. Autobatterien könnten im Stromnetz von morgen als Puffer zum Stabilisieren des Ladenetzes genutzt werden. Ein Problem, das im Zeitalter von Wind- und Solarkraft immer stärker nach Lösungen verlangt.

Ein Blick in die Zukunft

Hält die Technik aus Freiburg, was sie verspricht, dann dürfte das induktive Laden schon bald komfortabler sein als das Auftanken herkömmlicher Benzin- und Dieselautos. Der Autofahrer der Zukunft darf bei Regen und Sturm im Auto sitzen bleiben, während die Ladeplattform berührungslos seine Batterien lädt. In gut 15 Minuten kann er aufgeladen weiter fahren. Das ist nicht viel mehr als die Zeit, die wir bereits heute an Zapfsäulen verbringen.

Aber vielleicht bringt uns die Zukunft ja auch lineares Aufladen, bei dem designierte Ladespuren auf der Autobahn unsere Batterien während der Fahrt wieder aufladen. Getestet wird das unter anderem an Elektrobussen in der südkoreanischen Stadt Gumi. Dann würde uns nicht der Ladestand vorgeben, wann wir eine Pause einlegen, sondern unser Hungergefühl oder der Blasendruck. Mit berührungslosen Ladesystemen eine durchaus realistische Weiterentwicklung.
Dass Blue Inductive in größeren Industrieunternehmen zum Einsatz kommt, die schon jetzt eigene Windräder und Photovoltaik-Anlagen betreiben, scheint sicher. Zu groß ist der symbiotische Effekt, der den Stromhunger von Industrierobotern mit den Produktionsspitzen umweltfreundlicher Stromerzeuger verbindet.

Ladesaeule-zum-induktiven-Laden-von-Elektroautos

Elektroautos berührungslos via Induktion aufzuladen ist noch Zukunftsmusik. Ingenieure arbeiten aber trotzdem schon an der nächsten Generation induktiver Ladetechnik. Sie verlagern die Spulen aus dem Boden in eine Säule. Die Empfängerspule liegt direkt in der Front des Autos. Dadurch ist der Abstand beider Spulen so gering, dass der Ladevorgang erheblich besser funktioniert.

Quelle: Fraunhofer IISB

Weitere induktive Ladelösungen in der Entwicklung

Weil induktive Ladelösungen so attraktiv erscheinen, arbeiten die Fraunhofer-Forscher und das Start-up Blue Inductive auch nicht alleine an einer Lösung. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt widmet sich den Feinheiten des schnellen kabellosen Ladens. Fraunhofer-Forscher aus Erlangen haben außerdem bereits 2014 verkündet, dass sie aufrechte Ladespulen bei induktiven Systemen für effizienter halten. Und auch um das induktive Laden von Fluggeräten wie Drohnen kümmern sich Forscher und Entwickler auf der ganzen Welt.

Ein Beitrag von:

  • ingenieur.de

    Technik, Karriere, News, das sind die drei Dinge, die Ingenieure brauchen.

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