Infrarotstrahlen befreien Flugzeuge von Eis und Schnee
Um Flugzeuge vor dem Start von Eis und Schnee zu befreien, werden die Maschinen üblicherweise mit einem Gemisch aus Glykol und Wasser besprüht. Gasbeheizte Infrarotstrahler können den gleichen Effekt bewirken und dadurch große Mengen Glykol einsparen helfen.
Wer im Winter eine Flugreise antritt, kennt die lange Prozedur mit den „Flugfeld-Elefanten“, den mit langen Rüsseln versehenen teleskopartigen Sprühgeräten, die auf dem Vorfeld die Maschinen mit einer Mischung aus aufgeheiztem Wasser und Glykol besprühen. Mancherorts rollen die Maschinen auch durch eine riesige Portalanlage, in der rechnergesteuerte Düsen herunterfahren und die Flugzeuge mit einer Glykolmischung einnebeln. Sinn dieser zeitaufwendigen und nicht gerade billigen Behandlung ist die Entfernung von Eis und Schnee von Tragflächen und Rumpf der Maschinen, um eine einwandfreie Aerodynamik und Steuerbarkeit zu gewährleisten.
Selbst wenn die Maschine für den Passagier völlig eisfrei erscheint, muss bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ein Enteisen durchgeführt werden, „denn manchmal hat sich zum Beispiel durch die Abkühlung des Treibstoffs auf minus 50 °C in der freien Atmosphäre auf den Tanks eine Klareisschicht gebildet, die nur durch Handauflegen ausgemacht werden kann“, erklärt Bernhard Dowé von der Lufthansa Engineering and Operational Services GmbH (LEOS), einer Tochter der Lufthansa Technik. LEOS kümmert sich um Einkauf und Entwicklung von Bodengeräten für den Flugbetrieb.
In den USA wurde von der Radiant Aviation Services Inc. eine alternative Behandlungsmethode entwickelt, die LEOS als Vertriebspartner auch in Europa salonfähig machen will. „Dazu müssen wir bei den Flughafenbetreibern und auch bei den anderen Fluggesellschaften noch einige Überzeugungsarbeit leisten“, erklärt LEOS-Planungsingenieur Bernhard Dowé.
Aus seiner Sicht spricht einiges für das neue System mit der Bezeichnung InfraTek, das auf Basis von gasbeheizten Infrarotstrahlern funktioniert. Bei diesen sogenannten katalytischen Brennern, die an der Decke einer freitragenden Halle hängen, wird jeweils ein Stahlrohr von einer innen liegenden Flamme auf etwa 580 °C erhitzt. Der Brenner strahlt dabei Wärme mit einer Wellenlänge im Infrarotbereich zwischen 2 mm und 12 Mikrometer ab, die besonders für die Molekülstruktur von Eis- und Schneekristallen wirksam ist. Da diese Wärmestrahlung für Mensch und Maschine praktisch wirkungslos ist und da auch feuerschutztechnisch offensichtlich keine Bedenken bestehen, gab die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA bereits ihr O.K., so dass neben den beiden Versuchsanlagen von Rinlander/Minnesota und Buffalo/New York auch die erste Routineanlage in Newark im Bundesstaat New Jersey letztes Jahr in Betrieb gehen konnte. „Leider waren die Winter nicht ganz so streng wie üblich“, bedauert der LEOS-Ingenieur; „es fehlen noch einige Daten für die Wirtschaftlichkeitsberechnungen.“
Dennoch seien die wichtigsten Fakten bekannt: An Verbrauchsmaterial fällt außer Erdgas für den Betrieb der Brenner nichts an. Auch komme das neue Verfahren mit deutlich weniger Personal aus. „Eine konventionelle Enteisung kostet je nach Wetterlage und Flugzeugtyp zwischen 200 DM und 4000 DM“, rechnet Roland Hennig von der Lufthansa-Tochtergesellschaft vor. Er schätzt, dass eine Infrarot-Bestrahlung 30 % bis 50 % der bisherigen Kosten einsparen kann. Genauere Zahlen mag man nicht nennen; zu unterschiedlich seien die Bedingungen auf den einzelnen Flughäfen, aber man könne davon ausgehen, dass sich die 12-Mio.-DM-Investition für eine Halle, die sich auch für Jumbojets vom Typ B 747 eignet, binnen drei bis fünf Jahren rechne.
Die bisherige Glykolenteisung wäre damit allerdings nicht überflüssig: Da die Bestrahlung keine Aufheizung der Maschine bewirkt und somit auch kein Speichereffekt auftritt, muss in der Regel noch eine dünne Glykol-Schutzschicht aufgebracht werden, die bis zum eigentlichen Abheben von der Piste eine erneute Vereisung verhindert.
Ein weiterer Vorteil sei der Zeitgewinn: Statt durchschnittlich 15 bis 18 Minuten Behandlungszeit bei Schnee- und Eisbefall soll die Bestrahlung nur etwa halb so lange dauern – ein Argument, das nach Meinung der LEOS-Fachleute ebenso wichtig ist wie der finanzielle Vorteil. MARTIN BOECKH
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