Ingenieure rätseln weiter über die Ursache des Mannheimer Zugunglücks
Auch drei Tage nach dem schweren Zugunglück in Mannheim tappen die Experten bei der Unfallursache im Dunkeln. Da der Güterzug den Eurocity seitlich rammte, liegt der Verdacht auf einer falsch gestellten Weiche. Die Ermittler prüfen aber auch sämtliche Signale und die Lokomotiven.
„Wir haben richtig Glück gehabt, dass niemand gestorben ist“, sagte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann von den Grünen, nachdem er den Ort des Schreckens begutachtet hatte. Am Freitagabend um kurz vor neun Uhr rammte etwa 200 Meter vor dem Hauptbahnhof Mannheim ein Güterzug mit Chemikalien einen Eurocity. Noch immer rätseln die vor Ort anwesenden Experten über die Ursache.
„Wir schließen nichts aus. Es geht in alle Richtungen“, sagte Cora Thiele, Pressesprecherin der Bundespolizeidirektion Stuttgart der Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung. Sicher ist: Weil beide Züge bei der Einfahrt in den Hauptbahnhof ihr Tempo bereits stark gedrosselt hatten, ist nicht mehr passiert.
Falsch gestellte Weiche mögliche Unfallursache
Jetzt geht es an die Ursachenforschung. Es muss das Gleisbett untersucht werden, die vorliegenden elektronischen Daten müssen ausgewertet werden. „Wir müssen die Gleise, die Leitungen und die Signaltechnik überprüfen“, betonte eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Spezialisten der Bundespolizei und der unabhängigen Unfalluntersuchungsstelle des Bundes sind seit Samstag am Unfallort, um Aufklärung der Unfallursache bemüht.
Das niederländische Unternehmen ERS Railways, Eigner des Güterzuges, hat ebenfalls Fachleute nach Mannheim entsandt, um zu ermitteln. Laut Bundespolizei wird geprüft, ob eine falsch gestellte Weiche eine Rolle spielt. Denn der Güterzug hatte den Eurocity seitlich gerammt.
Die Klärung der Unfallursache wird wohl noch eine ganze Weile in Anspruch nehmen. Solange sollen die umgekippten Waggons seitlich der Schienen liegen bleiben. Eine Sprecherin der Untersuchungsstelle des Bundes betonte, dass jetzt unter anderem der Betriebsablauf im Bahnhof analysiert werden muss. Darüber hinaus gelte es zu klären, ob die Signale und die am Unfall beteiligten Fahrzeuge richtig funktionierten. „Wir sind noch in der Sammelphase“, so die Sprecherin.
Zwei Waggons mit 110 Fahrgästen stürzten um
Fünf der neun Waggons des Eurocitys 216, der mit 250 Menschen an Bord auf dem Weg von Graz nach Saarbrücken war, entgleisten bei dem Unfall, zwei stürzten um. Diese beiden umgestürzten Waggons waren mit 110 Fahrgästen besetzt. Auch ein Waggon mit zwei Containern des Güterzuges, der sich auf dem Weg von Duisburg nach Sopron in Ungarn befand, kippte bei dem Zusammenstoß auf die Seite.
Laut Bundespolizei wurden 35 Menschen verletzt, vier von ihnen schwer. Insgesamt kamen 14 Verletzte in die umliegenden Krankenhäuser. Vier von ihnen konnten schon bis Samstagmittag wieder entlassen werden. Bei keinem der Verletzten bestehe Lebensgefahr, so die Bundespolizei.
100 Bahnmitarbeiter waren bei den Rettungsarbeiten im Einsatz, um die 250 Passagiere aus den havarierten Waggons zu befreien. Dann ging es ans Aufräumen: Gegen 18.30 Uhr hatten die Ermittler am Samstag die Unfallstelle für die Deutsche Bahn freigegeben. In der Nacht konnten so schon die Lok des Eurocitys und die transportfähigen Waggons beider Züge mit Hilfe zweier 70 Tonnen schweren Bergekräne aus Leipzig und Fulda weggezogen werden. 40 Arbeiter waren dafür im Einsatz. Am späten Sonntagnachmittag war nach Bahnangaben der Güterzug bis auf die Lok abtransportiert. Auch der letzte entgleiste Waggon des Personenzuges war am Sonntag geborgen worden.
Keine gefährlichen Chemikalien ausgetreten
Eigentlich war geplant, die Güterwaggons und die Lok wieder in die Gleise zu setzen, sie mit den heruntergefallenen Containern zu beladen und auf ein Abstellgleis zu ziehen. Weil die Verankerung für die Container aber zu sehr beschädigt war, mussten die Arbeiter die Container mit Lastwagen abtransportieren. Die Behälter mit der Chemikalie seien bei dem Zusammenprall nicht beschädigt worden, es seien keine gefährlichen Stoffe ausgetreten, betonte eine Sprecherin der Bundespolizei.
Die Bergungsarbeiten waren gegen 1.00 Uhr morgens abgeschlossen, sagte eine Sprecherin der Deutschen Bahn am frühen Montagmorgen. Die Gleise für den allgemeinen Verkehr sind allerdings noch nicht wieder freigegeben. „Gleise sind verbogen, die Oberleitung und die Signaltechnik teilweise kaputt. Wir werden mindestens zwei Tage brauchen, um das wieder in Ordnung zu bringen“, sagte Martin Schmolke, Pressesprecher der Deutschen Bahn. „Bis dahin müssen sich Reisende noch auf geringfügige Einschränkungen im Zugverkehr rund um den Mannheimer Hauptbahnhof einstellen.“ Der Mannheimer Hauptbahnhof ist mit seinen zehn Gleisen ein zentraler Knotenpunkt vor allem im Fernverkehr quer durch Deutschland. Auch im Regionalverkehr kommt es zu Behinderungen und Verspätungen.
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