Ist die indirekte Elektrifizierung effizienter als ein Elektroauto?
Eine aktuelle Studie weist auf das unterschätzte Potenzial von E-Fuels hin. Energie aus erneuerbaren Quellen ließe sich so nutzen, um synthetische Kraftstoffe zu gewinnen. Fällt damit die Gesamtbilanz sogar besser aus als bei reinen Elektrofahrzeugen?
Die Elektrifizierung des Antriebs sei längst in vollem Gange, so ist immer wieder zu hören. Aber hat die Entwicklung auch den richtigen Weg eingeschlagen? „Gemeinhin wird darüber sehr ingenieurwissenschaftlich diskutiert – dabei ist die Frage der Zukunft unserer Mobilität längst zu einer gesellschaftlichen Debatte geworden. Bei der Frage etwa nach dem Antrieb der Zukunft ist eine gesamtheitliche Betrachtung und Bewertung notwendig, die unter anderem auch Fragen der Akzeptanz einbezieht“, unterstreicht David Bothe von Frontier Economics Limited. Gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat Frontier unlängst eine Studie erstellt, die sich mit den unterschätzten Potenzialen von E-Fuels auseinandersetzt. Unter E-Fuels werden synthetische Kraftstoffe verstanden, die mittels (erneuerbarer) Energie aus Wasser und Kohlendioxid hergestellt werden. Erkenntnisse aus der Studie wird Bothe auch auf dem Internationalen Motorenkongress in Baden-Baden vorstellen.
Die Systemkosten der Mobilität ganzheitlich betrachten
Um die angestrebten Klimaschutzziele zu verwirklichen, muss Deutschland langfristig auch den Verkehrssektor nahezu vollständig auf erneuerbare Energien umstellen. Schließlich finden von 2.472 Terawattstunden (TWh) Gesamtendenergie, die in Deutschland im Jahr genutzt werden (Stand 2015), rund 30 % im Verkehrssektor Verwendung. „In der öffentlichen Diskussion steht meist die direkte Elektrifizierung von Fahrzeugen im Fokus. Dabei zeigen unsere energiewirtschaftlichen Betrachtungen, dass chemische Energieträger, die als E-Fuels aus erneuerbarem Strom gewonnen werden, durchaus eine bessere ökonomische Effizienz aufweisen“, so Bothe. Verschiedene Technologien dazu befinden sich derzeit in der Erforschung beziehungsweise Erprobung. Zusammengefasst werden die verschiedenen Ansätze für synthetische Kraftstoffe unter dem Oberbegriff „Power-to-X“.
Power-to-X bezeichnet verschiedene Technologien zur Speicherung bzw. anderweitigen Nutzung von meist erneuerbarem Strom – synthetische Kraft- und Brennstoffe („Power-to-Liquids“ und „Power-to-Gas“) gehören daher zu PtX. Die weltweite Nachfrage nach PtX könnte sich laut einer Frontier-Studie bis zum Jahr 2050 leicht Größenordnungen von 20.000 TWh erreichen – dies entspricht der Hälfte des derzeitigen weltweiten Rohölmarktes. So heißt es wörtlich in der Studie von Frontier und IW: „Der weltweite Leistungsbedarf an Elektrolyseuren und weiteren Umwandlungskapazitäten (Methanisierungsanlagen und Anlagen zur Herstellung synthetischer Flüssigkraftstoffe) würde sich dann in einer Größenordnung von 8.000 Gigawatt bewegen. Hierdurch würden Investitionen in einer Größenordnung von schätzungsweise durchschnittlich 215 Milliarden Euro pro Jahr in PtX-Anlagen (Elektrolyseure, weitere Umwandlungsanlagen, CO2-Erfassungsanlagen aus der Luft) ausgelöst. Zum Vergleich: Weltweite Investitionen in den Öl- und Gassektor umfassen aktuell ca. 746 Milliarden Euro pro Jahr.“
Da erneuerbare Energien grundsätzlich unerschöpflich sind, sei nicht primär der Wirkungsgrad entscheidend, sondern welcher energetische Nutzungspfad die geringsten Systemkosten aufweist – und sich technisch und sozial umsetzen lässt. „In einer systemischen Betrachtung zeigt sich, dass die Umwandlungsverluste von E-Fuels durch die Vorteile, die chemische Energieträger für die Energieversorgung bieten, in vielen Fällen mehr als kompensiert werden“, betont Bothe weiter.
E-Fuels bieten eine Reihe von Vorteilen
In einer aktuellen Studie zeigt das Beratungsunternehmen Frontier Economics: Bei einer autarken Energieversorgung in Deutschland bis zum Jahr 2050 lassen sich durch die Nutzung von gasförmigen und flüssigen E-Fuels 250 Milliarden Euro einsparen – verglichen mit einer weitreichenden Elektrifizierung von Fahrzeugen. Die zentralen Kostenvorteile von E-Fuels sind dabei die hohe Energiedichte und die damit verbundene leichte Speicherbarkeit sowie die Möglichkeit, die vorhandene Infrastruktur und vertraute Endanwendungen für flüssige und gasförmige Energieträger weiterhin zu nutzen – vom klassischen Verbrennungsmotor bis zum ohnehin vorhandenen, flächendeckenden Tankstellennetz. Der Endverbraucher müsste sich nicht einmal beim Tankvorgang umstellen. Ganz anders die Herausforderungen bei einer Umstellung auf Elektroautos: Hier fehlt es ebenso an der Infrastruktur wie an flächendeckend verfügbaren Lösungen für ein Schnellladen der Fahrzeugbatterien. Dies alles könnte zu einer größeren gesellschaftlichen Akzeptanz der indirekten Elektrifizierung im Vergleich zur Elektrifizierung des Fahrzeugantriebs führen.
Für Akzeptanz beim automobilen Wandel sorgen
Neben den ökonomischen und technischen Aspekten werde oft übersehen, dass die Energiewende nur gelingen kann, wenn es eine breite gesellschaftliche Unterstützung für dieses Vorhaben gebe, meint Bothe. „Die Vorteile von E-Fuels wiegen mögliche Nachteile mehr als auf. Auch bei einer langfristigen Umstellung des Verkehrssektors auf annähernd 100 % erneuerbare Energien ist daher ein Energieträgermix aus Strom und E-Fuels die wirtschaftlichste Lösung für die Energieversorgung.“ Dies bietet Perspektiven für den Verbrennungsmotor, aber auch für alternative Anwendungen auf Basis von Brennstoffen wie Hybridsysteme und Brennstoffzellen.
Die Studienergebnisse zu E-Fuels wird David Bothe auf dem Internationalen Motorenkongress vorstellen, der vom 26.-27. März 2019 in Baden-Baden stattfindet.
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