Kameras beobachten Auto-Insassen
Forscher entwickeln ein neuartiges Assistenzsystem, das die Bewegungen aller Insassen im Auto erkennt und analysiert. Es soll einen weiteren Schritt hin zum autonomen Fahren ermöglichen.
Ob die Kinder auf der Rückbank sich mit Knetgummi bewerfen, die Fahrerin sich umdreht oder der Beifahrer auf dem Handy rumdaddelt – „InCarIn“ weiß es. Der seltsame Name ist das Kurzwort für „Intelligent Car Interieur“, ein neuartiges Assistenzsystem fürs Auto. Kameras und Sensoren erfassen dabei den gesamten Innenraum. Und ihre Daten werden in einer Software mittels Algorithmen ausgewertet, die noch in der Entwicklung sind. Ziel ist, jederzeit zu wissen, was wer im Auto gerade tut.
Die Forschungsarbeit dient dem autonomen Fahren, genauer: dem teil-autonomen Fahren. Denn wenn ein Fahrzeug mal völlig selbstständig agiert, dann sind die Aktivitäten im Innenraum wohl auch relativ egal. Nicht aber, wenn die Technik erkennen muss, ob beispielsweise der Fahrer gerade seine Aufmerksamkeit auf die Straße lenkt und mithin die Kontrolle hat oder nicht.
Kameras erkennen Größe und Körperhaltung
Forscher der Fraunhofer-Institute für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe und für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart entwickeln das System gemeinsam mit Unternehmen wie Bosch und Volkswagen. „Über Tiefenkameras erfassen wir das Fahrzeuginnere, erkennen die Anzahl der Personen, ihre Größe und ihre Körperhaltung. Daraus leiten wir die Aktivitäten der Personen ab“, erklärt Dr. Michael Voit, Gruppenleiter am IOSB. Tiefenkameras sind Geräte, die nicht nur Bilder erzeugen, sondern über die Zeitmessung von Lichtpulsen auch Entfernungen messen und so die exakte Entfernung zahlreicher Punkte im Bild in Echtzeit erfassen können.
Dreht sich der Fahrer beispielsweise zu den Kindern um, die auf der Rückbank sitzen, könnte in diesem Moment das System auf einem Monitor das Videobild der Rückbank darstellen – so kann der Fahrer den Blick umgehend wieder auf die Straße richten und sieht dennoch, was die Kinder machen, sagt Voit. Außerdem könne das System über die Sensoren abschätzen, wie lange der Fahrer nach dem automatisierten Fahren brauchen wird, um die Kontrolle über das Fahrzeug wieder vollständig zu übernehmen.
Airbags könnten individuell angepasst werden
Eine weitere mögliche Anwendung wäre die individuelle Anpassung der Airbag-Funktion an die Körpergröße und auch die Körperhaltung jedes Insassen. Doch bis dahin haben die Forscher noch ein Stück zu gehen: Die Herausforderung liegt vor allem in der Auswertung der aufgenommenen Daten. Personen und deren Gliedmaßen erkenne die Software zuverlässig, außerdem könne sie mithilfe einer Art Skelett, das sie über die Personenbilder legt, die Bewegungen nachvollziehen.
Aber eine große Hürde liegt noch darin, wie das System erkennen soll, mit welchem Gegenstand sich eine Person gerade beschäftigt. „Wenn man bedenkt, dass prinzipiell jedes Objekt in das Fahrzeug gebracht werden kann, müssen irgendwo Grenzen der Erfassungsmöglichkeiten gezogen werden. Wir setzen daher Grundvoraussetzungen, indem wir dem Computer mitteilen, wo sich etwa Sonnenschutzblende und Handschuhfach befinden“, erklärt Voit.
Bislang haben die Wissenschaftler Kameras und Software im Fahrsimulator getestet, jetzt soll es in einem Minivan praktisch erprobt werden.
Was wohl Datenschützer von diesem neuen Assistenzsystem halten? Das lässt sich bei einem Blick in unsere Geschichte „Datenschützer entdecken das Autofahren“ schnell erahnen. Auch der ADAC beobachtet den Trend zum vernetzten Auto kritisch.
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