Kein Auto zusätzlich: Singapur stoppt Verkehrswachstum per Dekret
Bewohner von Metropolen wie Delhi oder Tokio können über das Verkehrsaufkommen in Singapur nur lachen. Und doch sind die 600.000 Autos Singapurs der Regierung des Stadtstaates schon zu viel, sie stoppt das Wachstum per Dekret. Ist Umweltschutz ohne Demokratie vielleicht einfacher?
Singapur ist ja für strenge Regeln bekannt. So bekannt, dass Souvenirläden den Touristen dort sogar T-Shirts mit aufgedruckten Verbotsschildern verkaufen. „No chewing gum!“ und so etwas. Nun hat sich die Regierung des Stadtstaates wieder ein Verbot ausgedacht: Autos kaufen. Das darf man nur noch, wenn man zugleich eines verschrottet oder verkauft.
Schon seit einiger Zeit hatte die Regierung die Wachstumsrate beim Kfz-Bestand auf 0,25 Prozent jährlich begrenzt. Nun aber gilt Nullwachstum. Die zuständige Verkehrsbehörde LTA („Land Transport Authority“) will Staus und Luftbelastung mit solchen Obergrenzen begrenzen. Das Motto lautet offenbar: Wehret den Anfängen. Denn von einem Chaos, wie es in asiatischen Metropolen normal ist, kann in Singapur keine Rede sein.
Autos können sich nur wenige leisten
Um das zu wissen, muss man sich nur die Zahlen anschauen: Etwa jeder zehnte der rund 5,6 Millionen Einwohner Singapurs hat statistisch gesehen ein eigenes Auto, die offizielle Zahl der Fahrzeuge liegt bei 575.000. Die anderen Bürger können es sich einfach nicht leisten, denn wegen der hohen Steuern und den vom Staat schon für das Kaufrecht erhobenen Gebühren kostet ein Pkw etwa dreimal so viel wie etwa in Deutschland. Ein neuer VW Golf ist also umgerechnet für etwa 70.000 Euro zu haben. Außerdem gibt es eine City-Maut, die die Betriebskosten in die Höhe treibt.
Die Behörde begründet ihren Schritt damit, dass man wenig Platz habe in Singapur. Der Stadtstaat hat mit seinen 720 Quadratkilometern etwas weniger Fläche als Hamburg (750). Der Vergleich mit der Hansestadt zeigt aber auch, dass das Problem aktuell jedenfalls eher in der Einwohnerzahl als in der Zahl der Autos liegt. Singapur beherbergt zwar mehr als dreimal so viele Menschen, aber trotzdem noch gut 200.000 Autos weniger als Hamburg.
Die Bürger müssen nicht gefragt werden
Die Behörden in Singapur erkennen aber auch einen Trend, der beispielsweise in Deutschland längst abgeflaut ist: Autos werden zunehmend zum Statussymbol. Und wenn irgendwann jeder zweite ihrer Bürger, wie in Deutschland, eines hätte, wären das 2,4 Millionen. Dieser Entwicklung will die Regierung nun frühzeitig Einhalt gebieten.
Das geht relativ einfach, weil Singapur ein sehr eigenes Verständnis von Demokratie hat, maßgeblich geprägt von Kuan Lee Yew, der mehr als 40 Jahre lang regiert und der einmal sagte: „Hätte ich in Singapur die absolute Macht und müsste die repräsentierten Bürger nicht fragen, ob sie das, was gemacht wird, mögen, dann könnte ich ohne Zweifel viel effektiver in ihrem Interesse regieren.“
So richtig dolle gefragt werden die Bürger aber eben auch nicht. Ab sofort gilt also per Dekret: Die Zahl der Autos wird auf dem heutigen Stand eingefroren. Zugleich baut die Regierung den Öffentlichen Nahverkehr weiter aus. Bis zum Jahr 2020 soll allein das Schienennetz auf 280 Kilometer ausgebaut werden. Dafür will Singapur umgerechnet rund 25 Milliarden Euro investieren. Die Stadt hat eines der weltgrößten U-Bahn- und Metronetze. Viele Linien sind sogar ohne Fahrer unterwegs.
Vielfach schneller als in Jakarta
In den vergangenen Jahrzehnten hat Singapur aber auch viel Geld in den Ausbau des Autobahnnetzes gesteckt. Auch deshalb kommt man in der Stadt noch heute mit einem Durchschnittstempo von 27 km/h voran. Das ist deutlich mehr als in London (19) und gar um ein Vielfaches schneller als Jakarta, wo in der Rushhour ein Schnitt von 5 km/h gemessen wurde. Da braucht man dann wirklich kein Auto mehr.
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