Kritik am ökologischen Nutzen der Elektromobilität
Nach dem Hype um die Elektromobilität mehren sich kritische Stimmen. Die energetischen und ökologischen Vorteile werden angezweifelt. Nur Strom aus erneuerbaren Energien bringe das gewünschte Ergebnis.
Prof. Hans Peter Lenz hält die Erwartungen an Elektromobilität für übertrieben. „Sie bringt in den nächsten Jahrzehnten nichts für die Umwelt, kostet Konsumenten viel Geld und ist dem Verbrennungsmotor in allen Punkten unterlegen“. Der Initiator des Wiener Motorensymposiums und Vorsitzende des Österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik ist mit dieser Kritik nicht allein. Nach dem Hype steht Elektromobilität plötzlich am Pranger.
Lenz begründet seine Ablehnung mit aktuellen Studien, die an den ökologischen Vorteilen von Stromern zweifeln lassen. So veröffentlichte der Leiter des Karlsruher KIT-Instituts für Kolbenmaschinen, Prof. Ulrich Spicher, jüngst in der Motortechnischen Zeitschrift (MTZ) von Springer Automotive Media eine vergleichende Well-to-Wheel (Quelle-bis-Rad)-Analyse von Elektroautos und Referenzfahrzeugen (C-Klasse) mit Benzin- und Dieselantrieb.
Zunächst untersuchte Spicher die Energiebilanz der Verbrenner. In Anlehnung an reale Verbrauchswerte korrigiert er deren Normverbrauch auf 6,2 l/100 km Diesel und 8,5 l/100 km Benzin nach oben. Davon nutzen die Fahrzeuge nur etwa ein Drittel für den Antrieb – beim Diesel sind es 33,9 % und beim Benziner 28,2 %. Die restliche Energie geht als Rollwiderstand, Reibung und Abwärme verloren. So weit die Bilanz von Tank bis Reifen. Doch bei einer mittleren Jahrestemperatur von 10 °C und 60 km/h Geschwindigkeit ändert sich das Bild: Abwärme werde dann Nutzenergie, was den Wirkungsgrad auf 38 % beim Benziner und 45 % beim Diesel hebe. Von der Primärenergie seien zudem 10 % als Verluste aus der Vorkette von Ölquelle bis Tank abzuziehen.
Studie: Kohlestrom bringt Elektromobilität keine ökologischen Vorteile
Spicher hält jedoch durch Motoroptimierung und forcierte Abwärmenutzung bei 10 °C und 60 km/h Wirkungsgrade von 54 % beim Benziner und 61 % beim Diesel für realistisch. Gegenüber solchen Werten sieht er Elektrofahrzeuge im Nachteil. Zwar nutzten deren Antriebe 90 % der Energie zum Fahren. Doch Nebenverbraucher und Klimatisierung ruinieren die Bilanz. Mangels Abwärme muss geheizt werden. Der Verbrauch steige dann nach seinen Berechnungen auf 31 kWh/100 km. Zudem kämen in der Vorkette aufgrund von Kraftwerkswirkungsgraden um 50 % und 10 % Leitungsverluste nur 40 % in den Batterien an. Well-to-Wheel summierten sich die Verluste dabei auf 77,5 %.
Spichers Fazit: Bei Kohlestrom, dessen Erzeugung pro kWh rund 1,6-mal mehr Treibhausgas freisetzt als PKW mit Otto- und Dieselantrieb, bleibe vom vermeintlichen energetischen und ökologischen Vorteil der E-Mobilität nichts übrig.
Zweifel äußerte zuletzt auch der ADAC. So habe der Verbrauch des Mitsubishi i-MiEV im ADAC-EcoTest mit 16,9 kWh/100 km über dem angegebenen Wert von 13,5 kWh/100 km gelegen. Allerdings wurde dem als Stadtauto konzipierten Stromer innerstädtisch ein Verbrauch von 11,3 kWh/100 km attestiert. Zugleich räumte der ADAC ein, dass mit Windstrom durchaus Werte von 2,5 g CO2/km erreichbar seien.
Kritik am ökologischen Nutzen der Elektromobilität ist lückenhaft
Lenz sieht die Entwicklung daher kritisch: „Die Markteinführung der E-Mobilität ist erst sinnvoll, wenn der Strom regenerativ erzeugt wird. Dies wird noch Jahrzehnte dauern.“ Dass händeringend Speicherlösungen für überschüssigen Wind- und Solarstrom gesucht werden, blendet er in seiner Kritik ebenso aus wie die Endlichkeit des Öls.
Aber auch hinter Spichers Zahlen bleiben Fragezeichen. Bill Spence, seinerzeit Klimaschutzverantwortlicher im Mineralölkonzern Shell, räumte 2009 gegenüber den VDI nachrichten 30 % Verlust in der Vorkette von Quelle bis Zapfsäule ein. Dass die Vorkettenverluste seither reduziert wurden, ist angesichts vermehrter Förderung von Ölsanden und Tiefseevorkommen allerdings eher unwahrscheinlich. PETER TRECHOW
Ein Beitrag von: