Forschung auf ISS 06.07.2023, 09:57 Uhr

Kühle Flammen können Wirkungsgrad von Verbrennern deutlich erhöhen

Ein interessantes Experiment fand in den vergangenen Monaten auf der ISS statt. Forschende konnten mit einer neuen Art von kühlen Flammen nachweisen, dass sich der Wirkungsgrad von Verbrenner-Motoren deutlich verbessern lässt.

Auspuff

In Europa sind ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr erlaubt, indes ist es Forschenden gelungen, den Wirkungsgrad deutlich zu erhöhen.

Foto: Panthermedia.net/AndreyPopov

Auch wenn es in Europa PkWs mit Verbrenner-Motoren in absehbarer Zeit nicht mehr geben wird, haben Forschende auf der Internationalen Raumstation (ISS) in den vergangenen Monaten ein interessantes Experiment durchgeführt. Demnach könnte sich der Wirkungsgrad von Verbrennern mit einer kühlen Flamme von derzeit 35 Prozent auf bis zu 60 Prozent erhöhen. Dabei ist es überraschend zu erfahren, wofür die kühle Flamme eigentlich genutzt wird – Ziel ist es nämlich nicht, den Motor selbst damit zu betreiben.

Revolutionäre Erfindung, allerdings nicht gut für die Umwelt

Eine bahnbrechende Erfindung veränderte Ende des 19. Jahrhunderts für immer unsere Art zu reisen und führte uns in die moderne Welt des Transports, die wir heute genießen – der Verbrenner-Motor. Schon in den 1850er-Jahren waren erste Verbrennungsmotoren bekannt. Christian Reithmann entwickelte und baute in dieser Zeit Gasmotoren. Étienne Lenoir konnte ab 1859 einen Gasmotor betreiben und im Jahr 1860 wurde das Hippomobile, das mit einem Verbrennungsmotor betrieben wurde, Teil der Automobilgeschichte.

Besonders bekannt wurde der Ottomotor, ein Viertaktmotor, deren Erfindung Nicolaus Otto zugeschrieben wird. Interessanterweise geht die Bezeichnung „Ottomotor“ auf die ursprüngliche Bezeichnung „Otto’s Neuer Motor“ zurück. Im Jahr 1936 schlug der VDI vor, diese Bezeichnung zur Ehrung von Nicolaus Otto für alle Hubkolbenmotoren mit Fremdzündung zu verwenden. 1946 wurde sie in einer DIN-Norm eingeführt. Jedoch brachte der Verbrennungsmotor auch das moderne Problem der Umweltverschmutzung mit sich. Angesichts des heutigen Klimawandels besteht ein zunehmender Bedarf an neuen Technologien, Verbrenner-Motoren effizienter machen und unsere CO2-Bilanz verbessern können.

Um die Effizienz von Verbrennern zu steigern und den Schadstoffausstoß zu reduzieren, setzen Forschende auf eine vermeintliche Gegensätzlichkeit: kühle Flammen. Wenn man an Flammen denkt, denkt man wahrscheinlich zuerst an Hitze. Heiße Flammen, wie die eines Gasherds, erreichen Temperaturen von bis zu 1.700 Grad Celsius. Im Gegensatz dazu brennen kühle Flammen bei viel niedrigeren Temperaturen, die in der Regel nicht über 550 Grad Celsius liegen.

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Temperatur spielt Schlüsselrolle bei Verbrenner-Motoren

Die Temperatur spielt bei Verbrennern eine entscheidende Rolle – sowohl für die Effizienz des Motors als auch für die Entstehung von Schadstoffen. Eine vielversprechende Möglichkeit, Motoren sauberer und effizienter zu machen, besteht darin, Aspekte der Chemie kalter Flammen zu berücksichtigen. Dadurch könnten Motoren bei niedrigeren Temperaturen betrieben werden. Jedoch erfordert dies ein gründliches Verständnis der Chemie kalter Flammen, das auf der Erde schwer zu erforschen ist. Kalte Flammen haben eine langsame Reaktionsgeschwindigkeit und werden durch die Schwerkraft schnell gelöscht, bevor sie sich vollständig entfalten können.

Um kalte Flammen genauer zu untersuchen, benötigten Wissenschaftler eine Umgebung, in der die Schwerkraft und der damit verbundene Löschungseffekt aufgehoben sind. Hier kam das Nationale Labor der ISS ins Spiel. Ein Forscherteam unter der Leitung von Peter Sunderland, Professor für Brandschutztechnik an der University of Maryland, nutzte die ISS für ein innovatives Experiment, das auf der Erde nicht durchführbar gewesen wäre. Mit finanzieller Unterstützung der U.S. National Science Foundation wollten sie die Schwerelosigkeit nutzen, um eine bisher unbekannte Art von kalter Flamme zu erzeugen. Die gewonnenen Daten sollen dazu dienen, Verbrennungsmodelle für kalte Flammen zu verbessern und somit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung umweltfreundlicherer Verbrennungsmotoren zu leisten.

Derzeit geht 65 Prozent der Energie als Wärme verloren

Die meisten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren haben einen Wirkungsgrad von etwa 35 Prozent, was bedeutet, dass nur etwa ein Drittel der durch die Verbrennung erzeugten Energie tatsächlich für den Antrieb des Autos genutzt wird. Doch was passiert mit dem übrigen Teil der erzeugten Energie? Die Antwort lautet: Sie geht größtenteils in Form von Wärme verloren.

Es gibt zwei Hauptursachen für diesen Wärmeverlust:

  • Zum einen entweichen heiße Abgase durch das Auspuffrohr des Fahrzeugs, was kaum zu vermeiden ist.
  • Zum anderen wird ein beträchtlicher Teil der Energie als Motorwärme abgegeben, worauf die Hersteller von Verbrennungsmotoren heutzutage ihr Augenmerk richten.

Moderne Verbrennungsmotoren arbeiten bei sehr hohen Temperaturen, und zur Gewährleistung eines sicheren Betriebs ist ein Kühlsystem erforderlich, um die Motorhitze zu reduzieren. Allerdings führen hohe Verbrennungstemperaturen auch zu einer erhöhten Produktion von Stickoxiden (NOx), die schädlich sind.

Wenn hohe Verbrennungstemperaturen das Problem darstellen, könnte die Chemie der kalten Flamme eine Lösung bieten – jedoch nicht in der Art und Weise, die der Laie vielleicht zunächst vermutet. Das Ziel besteht nicht darin, den Motor mit tatsächlich kühlen Flammen zu betreiben, da dies nicht möglich ist, sondern darin, die Prinzipien der kühlen Flammenchemie zu nutzen, um eine zusätzliche Luftzufuhr zur Verbrennung zu ermöglichen. Es handelt sich dann dabei um eine ganz neue Art von Verbrennungsmotor.

Luft spielt eine entscheidende Rolle bei dem Konzept der kühlen Flamme

Bei Verbrennungsmotoren erfolgt die Verbrennung, indem Kraftstoff und Luft in einem bestimmten Verhältnis gemischt und anschließend komprimiert werden. Durch eine Zündkerze wird das Kraftstoff-Luft-Gemisch entzündet. Wenn es den Motorenherstellern gelänge, die gleiche Menge an Kraftstoff durch den Motor zu leiten, jedoch mit doppelt so viel Luft, würde der Motor deutlich kühler laufen. Die Kühlung des Motors könnte unter Umständen sogar ohne ein herkömmliches Kühlsystem auskommen. Dies würde bedeuten, dass weniger Energie in Form von Motorwärme verloren ginge und auch die Emission von Stickoxidschadstoffen (NOx) reduziert würde.

Allerdings würde eine Zündung mit einer Zündkerze bei Motoren, die mit doppelt so viel Luft betrieben werden, nicht mehr funktionieren. Die Flammen würden entweder erlöschen oder sich zu langsam durch das Kraftstoff-Luft-Gemisch ausbreiten, erklärte Peter Sunderland. Stattdessen müsste die Zündung allein durch Kompression erfolgen, was wiederum eine spezielle Chemie der kalten Flamme erfordern würde.

Peter Sunderland äußerte sich in einer Meldung des ISS National Laboratory folgendermaßen: „Bei Motoren ist der Zündzeitpunkt entscheidend. Bei Motoren mit Fremdzündung kann der Zündzeitpunkt genau gesteuert werden, wenn die Flammen heiß und stark sind. Bei künftigen ultraschlanken Selbstzündungsmotoren werden die ersten Reaktionen die kühle Flammenchemie betreffen, die dann die heißen Flammen entzünden, die das Auto antreiben.“

Kühle Flamme wurde bereits 1810 entdeckt

Die erste Entdeckung der kalten Flamme wurde bereits im Jahr 1810 gemacht, als der britische Chemiker Sir Humphry Davy während seiner Untersuchungen zur Verbrennung auf die kalte Flamme stieß. Er machte diese zufällige Entdeckung, während er sicherere Lampen für Bergleute entwickelte. Fast zwei Jahrhunderte später, genauer gesagt im Jahr 2012, wurde auf der Internationalen Raumstation eine andere Art von kalter Flamme entdeckt, diesmal durch einen weiteren zufälligen Vorfall.

Bei dieser Entdeckung handelte es sich um kühle Diffusionsflammen. Im Gegensatz zu den kühlen Flammen von 1810 entstehen kühle Diffusionsflammen in Systemen, in denen der Brennstoff und das Oxidationsmittel (wie Sauerstoff oder ein anderes Oxidationsmittel) nicht bereits vorab vermischt sind. Stattdessen diffundieren der Brennstoff und das Oxidationsmittel zueinander, und die Flamme entsteht an dem Ort, an dem sie aufeinandertreffen.

Für ihre Experimente auf der ISS nutzten die Forschenden keinen flüssigen, sondern gasförmigen Treibstoff. Zwar entstehen kühle Flammen in der Regel bei Flüssigtreibstoffen, doch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten die Grenzen der kalten Flamme ausloten. Genauer gesagt ging es darum, den Brennstoff mit den kleinsten Molekülen zu finden, mit dem sich solch eine kühle Flamme erzeugen lässt. Zum Einsatz kamen Butan, Propan und Ethan, drei gasförmige Brennstoffe mit abnehmender Molekülgröße.

Warum mussten die Experimente unter Schwerkraft stattfinden?

Die meisten Menschen sind sich nicht bewusst, dass die Schwerkraft auf der Erde für die Nutzung von Verbrennung eine entscheidende Rolle spielt. Nehmen wir als Beispiel eine brennende Kerze. Sobald die Kerze angezündet wird, entsteht die Flamme schnell und bewegt sich nach oben, wodurch die typische tropfenförmige Form entsteht. Dies geschieht aufgrund des Auftriebs durch die Schwerkraft, der die heißen Verbrennungsprodukte nach oben steigen lässt und frische Luft anzieht. Diese Strömung hält die Flamme am Brennen und der Prozess verläuft sehr schnell.

Im Gegensatz dazu verläuft die Chemie der kalten Flamme viel langsamer und erzeugt eine schwächere Flamme, die mehr Zeit benötigt, um sich zu entwickeln. Auf der Erde ist die Auftriebsbewegung so schnell, dass kalte Flammen fast sofort erlöschen. In der Mikrogravitation hingegen verhalten sich Flammen völlig anders. Im Weltraum können Flammen kugelförmig sein, anstatt die Form einer Träne anzunehmen. Dies liegt daran, dass das Oxidationsmittel nur durch Diffusion in die Flamme gelangen kann, und dieser Prozess ist schwach und langsam. Das ist schlecht für heiße Flammen, aber gut für kühle Flammen und somit für die Experimente.

Neue Art von kühler Flamme gesucht und gefunden

In der Raumstation wurde ein Versuchsaufbau verwendet, der aus einer abgedichteten Verbrennungskammer bestand, die etwa die Größe eines kleinen Büro-Mülleimers hatte. Diese Kammer war mit einem Gemisch aus Sauerstoff und Stickstoff gefüllt. Im Inneren befand sich eine Viertelzollkugel aus gesinterten Metallspänen, durch die das Gas strömte. Mit einem Zünder ließ sich die Verbrennung starten. Das Forschungsteam führte verschiedene Tests mit drei Brennstoffen durch, bei denen sie unterschiedliche Brennstoff- und Sauerstoffkonzentrationen sowie verschiedene Drücke variierten.

Das Ziel bestand darin, die genauen Bedingungen zu identifizieren, die erforderlich sind, um eine kühle Diffusionsflamme aus gasförmigem Brennstoff zu erzeugen. Die Forschungen waren recht komplex, und es dauerte eine gewisse Zeit, bis das Team ihre erste kühle Diffusionsflamme aus gasförmigem Brennstoff erfolgreich erzeugen konnte. Anhand der gewonnenen Daten im Weltraum konnten sie nachweisen, dass der Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren von 35 Prozent auf bis zu 60 Prozent gesteigert werden kann – und das durch die Anwendung von kühler Diffusionstechnologie.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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