6 % weniger Treibstoff 28.06.2017, 08:13 Uhr

Künstliche Delfinhäute senken Spritverbrauch von Schiffen

Das wär was, wenn große Container- und Kreuzfahrtschiffe so leicht wie Delfine durchs Meer gleiten könnten. Der Widerstand des Schiffkörpers könnte demnächst zumindest deutlich sinken: Ingenieure haben die Haut von Delfinen und Haien nachgebildet und als Beschichtung auf Schiffsrümpfen eingesetzt. Das Ergebnis: sehr überzeugend.

Bau eines Frachtschiffs in der Werft in Wismar: Verwirbelungen des Wassers am Schiffsrumpf erhöhen den Reibungswiderstand. Jetzt ist Ingenieuren die Entwicklung einer Beschichtung geglückt, die der Delfinhaut nachempfunden ist. Der Effekt: Der Widerstand sinkt um 6 Prozent, entsprechend auch der Treibstoffverbrauch.

Bau eines Frachtschiffs in der Werft in Wismar: Verwirbelungen des Wassers am Schiffsrumpf erhöhen den Reibungswiderstand. Jetzt ist Ingenieuren die Entwicklung einer Beschichtung geglückt, die der Delfinhaut nachempfunden ist. Der Effekt: Der Widerstand sinkt um 6 Prozent, entsprechend auch der Treibstoffverbrauch.

Foto: Jens Büttner/dpa

Delfine gleiten nicht nur wegen ihrer Körperform so elegant durchs Wasser, auch ihre elastische Körperhaut ist der Grund, dass sie mit so wenig Widerstand durch die Meere gleiten. Zwar ist der Aufbau der Delfinhaut seit langem bekannt. Sie nachzubauen ist aber bislang nicht gelungen. Bislang.

Jetzt ist es Ingenieuren gelungen, eine Beschichtung zu entwickeln, die der Haut von Delfinen nahe kommt. Und aufgetragen auf Schiffsoberflächen ist die Wirkung signifikant: Sie reduziert den Strömungswiderstand von Schiffen und damit deren Treibstoffverbrauch um mindestens sechs Prozent. Das geht aus Messungen an Schiffskörpern im Strömungskanal der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) hervor.

Das mit einer nachgiebigen Beschichtung gestrichene Bugsegment wurde im Wasserkanal in Hamburg getestet.

Das mit einer nachgiebigen Beschichtung gestrichene Bugsegment wurde im Wasserkanal in Hamburg getestet.

Quelle: HSVA

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Kombiniert mit einer künstlichen Haifischhaut im hinteren Bereich eines Schiffes könnte der Widerstand noch weiter verringert werden. Die Haut von Haien hat charakteristische feine Rillen, die den Fisch schneller und leichter durchs Wasser gleiten lässt.

Speckschicht sorgt für laminare Strömung

Während die künstliche Haifischhaut bereits vor Jahren erfolgreich getestet wurde, ist die Nachbildung der Delfinhaut eine Premiere. Sie gelang Forschern des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) in Bremen.

Das elegant durchs Wasser gleitende Säugetier, das Beobachter häufig durch nicht minder elegante Sprünge fasziniert, hat eine Haut, die verhindert, dass sich auf ihr Turbulenzen bilden, die bremsend wirken. Sie ist, anders als die des Haifischs, glatt.

Schiff im Dock: Delfine haben unter der Haut eine flexible Speckschicht, die beginnende Turbulenzen durch Gegenbewegungen schwächt. Das sichert eine kontinuierliche laminare Strömung entlang der Haut, die den geringstmöglichen Widerstand garantiert. Die neue Beschichtung für Schiffe ahmt diesen Effekt nach.

Schiff im Dock: Delfine haben unter der Haut eine flexible Speckschicht, die beginnende Turbulenzen durch Gegenbewegungen schwächt. Das sichert eine kontinuierliche laminare Strömung entlang der Haut, die den geringstmöglichen Widerstand garantiert. Die neue Beschichtung für Schiffe ahmt diesen Effekt nach.

Quelle: Orestis Panagiotou/dpa

Darunter befindet sich eine flexible Speckschicht, die beginnende Turbulenzen durch Gegenbewegungen schwächt. Das sichert eine kontinuierliche laminare Strömung entlang der Haut, die den geringstmöglichen Widerstand garantiert.

Start mit einem mechanischen Hautmodell

Die Eigenschaften der Delfinhaut sind bereits seit Jahrzehnten erforscht. Bisher gelang es jedoch nicht, sie in ein technisches Produkt umzusetzen. HSVA-Wissenschaftler bauten zunächst ein Modell der Delfinhaut aus einer Membran sowie Federn und Dämpfungselementen.

Dessen Eigenschaften optimierten sie durch Berechnungen, an denen die Technische Universität Hamburg beteiligt war. Das Ergebnis war ein optimales Zusammenspiel der mechanischen Elemente der Haut.

Noch bessere Wirkung bei höherem Tempo

Die IFAM-Forscher setzten diese Eigenschaften in ein gelartiges elastisches Polymer um. Das wird in einer Schichtdicke von einigen Millimetern auf den Bug eines Schiffes aufgetragen. Eine elastische Folie bildet den Abschluss. Die Bremer Wissenschaftler beschichteten gleich mehrere Bugelemente mit der künstlichen Delfinhaut. Im HSVA-Kanal Hykat wurden sie getestet.

Die Beschichtung konnte die Turbulenzen am Schiffsrumpf auch bei wachsendem Tempo gut reduzieren. 

Die Beschichtung konnte die Turbulenzen am Schiffsrumpf auch bei wachsendem Tempo gut reduzieren.

Quelle: HSVA

Dabei bestätigte sich die theoretische Vorhersage, dass sich mit zunehmender Schichtdicke die Reibung entlang der künstlichen Delfinhaut verringert. Weiterhin zeigte sich eine Vergrößerung des positiven Effekts mit wachsender Geschwindigkeit. Normalerweise kommt es bei wachsendem Tempo zu immer größeren Turbulenzen. Das sei ein klares Indiz dafür, dass die Wirkungsweise der nachgiebigen Beschichtung tatsächlich auf einer Verzögerung des Strömungsumschlags zur Turbulenz beruht, sagen die Strömungsexperten der HSVA.

Es kommt auf die Haltbarkeit an

Das nächste Ziel ist nun, diese Technologie für die industrielle Anwendung nutzbar zu machen. Hier sind noch einige Hürden zu überwinden, die unter anderem die Übertragbarkeit auf verschiedene Schiffstypen, die Auftragstechnik im Werftbetrieb und die Vereinbarkeit mit herkömmlichen Anti-Fouling-Lösungen betreffen. Letztere sind Beschichtungen, die das Anhaften von Seegetier verhindern.

Die dabei entstehenden Verkrustungen erhöhen den Strömungswiderstand und damit den Treibstoffverbrauch von Schiffen. Ingenieure haben inzwischen Lösungen gefunden, bei denen der Lack leicht unter Strom gesetzt wird und damit das Anhaften von Seepocken und Muscheln verhindert wird.

Reinigung des Segelschulschiffs Alexander von Humboldt II in Bremerhaven: Ingenieure haben einen Lack entwickelt, der unter elektrischer Spannung steht und damit den Bewuchs durch Muscheln und Seepocken verhindert.

Reinigung des Segelschulschiffs Alexander von Humboldt II in Bremerhaven: Ingenieure haben einen Lack entwickelt, der unter elektrischer Spannung steht und damit den Bewuchs durch Muscheln und Seepocken verhindert.

Quelle: Maurizio Gambarini/dpa

Praxistests müssen zudem zeigen, ob die künstliche Delfinhaut überhaupt ausreichend haltbar ist. Wenn das Schiff zu oft ins Trockendock muss, um die flexible Schicht zu erneuern, ist die Einsparung durch geringeren Spritverbrauch schnell dahin.

 

Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Kempkens

    Wolfgang Kempkens studierte an der RWTH Aachen Elektrotechnik und schloss mit dem Diplom ab. Er arbeitete bei einer Tageszeitung und einem Magazin, ehe er sich als freier Journalist etablierte. Er beschäftigt sich vor allem mit Umwelt-, Energie- und Technikthemen.

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