Lack hält mit Strom Seepocken von Schiffsrümpfen fern
Sie lieben Schiffsrümpfe, Seepocken und Muscheln. Und wenn Sie einen Rumpf erobert haben, dann steigt der Widerstand im Wasser enorm, und damit auch der Treibstoffverbrauch. Aber wer kommt auf die Idee, diese Plagegeister mit Stromschlägen statt mit giftigen Lacken zu bekämpfen?
Ingenieuren des ostdeutschen Unternehmens Bioplan in Rostock und des Fraunhofer-Instituts in Halle an der Saale ist es gelungen, mit einem speziellen Lack in Kombination mit Stromspannung den Seepocken und Muscheln das Andocken an Schiffsrümpfe gründlich zu vermiesen. Der Lack besteht aus drei Schichten, durch die ein schwacher Gleichstrom von 0,1 Milliampere (mA) pro Quadratzentimeter fließt.
Testreihen erfolgreich: Schiffe frei von Bewuchs
Und die Stromspannung sorgt dafür, dass in ersten Langzeitversuchen Schiffe frei von Bewuchs bleiben, obwohl sie zum Teile lange Liegezeiten im Hafen haben. Gerade dann siedeln sich Muscheln und Seepocken mit Vorliebe an. Das zu verhindern, ist keine Kleinigkeit: In der Schifffahrt geht ein Großteil der Antriebsenergie durch die Reibung des Wassers am Schiffsrumpf verloren — bei Containerschiffen sind es 40 bis 50 Prozent!
Was ist die Idee der Ingenieure? Die äußere Schicht fungiert einmal als Anode, ein andermal, wenn sich die Stromrichtung umkehrt, als Kathode. An der Anode entstehen durch Elektrolyse aus dem Salzwasser Sauerstoff und Chlor. Dadurch wird das Wasser in unmittelbarer Nachbarschaft des Rumpfes sauer, was Seepocken, Muscheln und andere potentielle Siedler gar nicht mögen.
Sie können sich auch nicht daran gewöhnen. Denn bei Umkehr der Stromrichtung entsteht Wasserstoff, der die Säure kompensiert. Nach und nach stellt sich eine basische Umgebung ein. Durch den ständigen Wechsel wird ein pH-Stress erzeugt, der die Ansiedlung von Mikroorganismen verhindert.
Strom wird nur im Hafen eingeschaltet
„Bei einem 20.000-Tonnen-Schiff reicht dafür eine Spitzenleistung von 20 bis 25 Kilowatt“, sagt Uwe Spohn vom Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (IMWS) in Halle an der Saale. Die Schutzmaßnahme ist nur nötig, wenn das Schiff im Hafen liegt, so dass sich der Energieverbrauch in Grenzen hält.
Das IMWS hat eine Technik verfeinert, die das Unternehmen Bioplan aus Ostseebad Nienhagen entwickelt hat. Getestet wird sie derzeit an einem Patrouillenboot der Fischereiaufsicht.
In Süßwasser ist eine höhere Spannung nötig
Vorerst funktioniert das Verfahren nur in Seewasser, das genügend Salz für die Elektrolyse enthält. Eine Spannung von drei bis fünf Volt reicht schon aus, um Bewuchs zu verhindern. „In Süßwasser geht es auch“, sagt Spohn. „Da brauchen wir allerdings eine höhere Spannung.“
Heute werden vor allem Anti-Fouling-Mittel eingesetzt, die Bewuchs durch die Absonderung von Giftstoffen verhindern. „Mit unserem System schützen wir die Schiffe vor Bewuchs, das Wasser vor giftigen Stoffen und das Klima vor unnötigen Emissionen“, sagt Professor Ralf B. Wehrspohn, Leiter des IMWS.
Schwefel bleibt ein Problem
Fouling ist ein massives Problem für die Schifffahrt. Starker Bewuchs kann den Treibstoffverbrauch um 40 bis 80 % erhöhen. Ebenso stark steigen dann die Schadstoff- und Kohlendioxidemissionen an. Vor allem Schwefel macht der Umwelt zu schaffen, denn Schiffe dürfen auf hoher See noch immer schwefelhaltigen Treibstoff einsetzen. „Unser Know-how können wir auch für andere Produkte nutzen, denn Anti-Fouling-Systeme spielen auch in der Kühl- und Klimatechnik sowie der Trinkwasseraufbereitung eine wesentliche Rolle“, sagt Spohn.
US-Forscher setzen auf elastischen Anstrich
Mit einer anderen Idee versuchen US-Forscher, den Muscheln und Seepocken beizukommen. Sie haben einen elastischen Lack entwickelt, der die Bewohner „abschütteln“ soll.
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