Automobil 06.01.2012, 12:02 Uhr

Leichtbau wird Materialmix von Autos massiv verändern

Die Automobilbranche wird sich durch die Elektromobilität bis 2030 verändern. In welcher Art und Weise der Leichtbau Anteil haben soll, analysiert eine neue McKinsey-Studie, die das Beratungsunternehmen am 5. Januar im Vorfeld der Detroit Motor Show (9. bis 22. Januar) vorstellte. Demnach werden vor allem hochfeste Stähle und Leichtmetalle Fahrzeuge abspecken lassen. Doch die Automobilbranche wird auch wichtigster Abnehmer für Kohlenstofffasern werden und durch den Leichtbau die Fahrzeugkosten erhöhen müssen.

Starke Veränderungen in der Autoindustrie erwartet McKinsey. Das Beratungsunternehmen hat in einer am 5. Januar veröffentlichten Studie untersucht, welche Entwicklung der Leichtbau in Luftfahrt, Fahrzeug- und Windenergiebranche nehmen wird. Demnach wird der Anteil von Leichtbaumaterialien, der derzeit in der Autoindustrie im Materialmix 29 % beträgt, bis 2030 etwa auf zwei Drittel steigen – so werde der Jahresumsatz mit Leichtbauteilen aus hochfesten Stählen, Aluminium und faserverstärkten Kunststoffen für Autos von aktuell 70 Mrd. € auf über 300 Mrd. € wachsen.

Der Löwenanteil von knapp 40 % wird laut McKinsey auf hochfeste Stähle entfallen. Auch für Aluminium (Al), Magnesium (Mg) und Kunststoff sagt die Studie starke Zuwächse voraus. Dagegen würden glasfaser- und kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (GFK bzw. CFK) in erster Linie den Flugzeugbau verändern.

Leichtbau mit CFK sorgt in der Luftfahrtbracnhe für Kraftstoffersparnis

„In der Luftfahrtbranche ist der Einsatz dieser teureren Materialien von Total-cost-of-ownership-Betrachtungen getrieben. Leichtbau mit CFK erlaubt mehr Zuladung und sorgt über ein Flugzeugleben hinweg für enorme Kraftstoffersparnis“, erklärte McKinsey-Partnerin Dr. Ruth Heuss. Im Autosektor seien dagegen eher Klimaschutzregularien bestimmend, die auch auf anderem Wege einzuhalten sind.

Für die Autoindustrie bleibt CFK mit 0,5 % Anteil am Materialmix ein Nischenprodukt, so die Studie, dennoch werde er für Faserhersteller und die Zulieferer von CFK-Bauteilen wegen der schieren Masse produzierter Fahrzeuge zum wichtigsten Kunden.

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Der Markt von Kohlenstofffasern wird laut Studie bis 2030 von zuletzt 20 000 t auf 500 000 t Fasern wachsen. Davon werden Luftfahrt und Windbranche insgesamt 25 % abnehmen der Rest geht in den Autobau. Allerdings muss sich das Preisgefüge dafür drastisch ändern.

Leichtbau im Auto: Mehrkosten von CFK werden sich dem Niveau von Aluminium anpassen

Der Leichtbau mit CFK erlaubt 50 % Gewichtsreduktion gegenüber Stahl. Aber noch sind CFK-Bauteile selbst unter Annahme signifikanter Stückzahlen sechsmal teurer als die gleichen Komponenten aus Stahl. Das wird sich laut McKinsey-Studie bis 2030 ändern.

Die Mehrkosten von CFK werden sich dem Niveau von Aluminium annähern, erwarten die Analysten von McKinsey. Während Al etwa 40 % teurer als Stahl sein wird, soll CFK gegenüber Stahl dann nur noch 90 % statt bisher 570 % Mehrkosten verursachen. „Allerdings müssen mehrere radikale Annahmen zusammentreffen, um das avisierte Kostenniveau tatsächlich zu erreichen“, schränkte Heuss ein.

Nach wie vor stehen Leichtbau im Auto hohe Kosten entgegen. „Effizienzmaßnahmen am Verbrennungsmotor und Elektrifizierung sind finanziell wesentlich attraktiver“, sagte McKinsey-Partner und Elektromobilitätsexperte Dr. Nicolai Müller. Allerdings brächten diese Maßnahmen Gewicht an Bord, das es durch Leichtbau zu kompensieren gelte.

Während bei herkömmlichen Fahrzeugen etwa 50 kg Mehrgewicht und bei Hybriden 100 kg bis 150 kg egalisiert werden müssten, seien es bei Elektroautos rund 250 kg. Dafür würden Hersteller je nach Pkw-Segment Kosten zwischen 3 €/kg und 10 €/kg akzeptieren. Bei den reinen Stromern könnten sogar bis zu 20 € je kg Gewichtsreduktion akzeptabel werden. „Das gilt für den Fall, dass die Batteriekosten nicht wie geplant um drei Viertel auf 230 €/kWh sinken, sondern nur um die Hälfte auf 460 €/kWh“, erklärte Müller.

Laut Studie werden Autohersteller je nach Segment unterschiedliche Materialien einsetzen. Bei Klein- und Kompaktwagen werde 2030 ein kostengünstiger Materialmix mit 48 % hochfesten Stählen, 15 % Stahl und jeweils etwa 10 % Aluminium und Kunststoff zum Einsatz kommen. Damit seien 250 kg Gewichtsreduktion bei 3 €/kg Zusatzkosten für das Abspecken zu schaffen.

Hersteller von Oberklassefahrzeugen werden es sich durchschnittlich 4 €/kg kosten lassen, das Gewicht um 420 kg zu senken. Dabei würden vor allem Al, Kunststoff und Magnesium zum Zuge kommen, während hochfeste Stähle, CFK und GFK untergeordnete Rollen spielen.

An prestigeträchtigen Modellen im Luxussegment sowie bei hochwertigen Elektrofahrzeugen wird CFK-Leichtbau dominieren, so die Studie. Um im Sinne von Verbrauchsminimierung und Fahrdynamik knapp 500 kg abzunehmen, werden diese Autos etwa zur Hälfte aus Faserverbundwerkstoffen und Kunststoff bestehen. Die andere Hälfte machen Leichtmetalle und hochfeste Stähle aus, während herkömmlicher Stahl nicht einmal mehr ein Zehntel zum Fahrzeuggewicht beiträgt.

Leichtbau mit CFK: Einsatz in Volumenmärkten mehr als unwahrscheinlich

Im Luxussegment und bei exklusiven Stromern „können sich sichtbare CFK-Komponenten als Differenzierungsmerkmal positiv auf die Nachfrage auswirken“, meint Müller. Kunden würden das Material mit fortschrittlicher Technologie assoziieren.

Bei allen Veränderungen, angefangen von der Konstruktion über die Fertigungstechnik bis hin zur Inspektion, Reparatur oder zum Recycling der Faserwerkstoffe wird aus der Studie deutlich, dass der massenhafte Einsatz von CFK in Volumenmärkten innerhalb der nächsten 20 Jahre mehr als unwahrscheinlich ist. Autohersteller werden den Einsatz der Werkstoffe vorerst auf spezielle Modelle und reine E-Fahrzeuge in kleineren Stückzahlen begrenzen.

Um die aktuell diskutierten CO2-Flottengrenzwerte von 95 g/km und später 75 g/km zu erreichen, spiele CFK-Leichtbau nur eine Nebenrolle. Treten die Prognosen der Studie ein, wird Klimaschutz auf der Straße auch 2030 vor allem das Geschäft optimierter Verbrennungsmotoren in elektrifizierten Antriebssträngen sein, die Fahrzeuge aus hochfesten Stählen, Leichtmetallen und Kunststoff antreiben.

 

Ein Beitrag von:

  • Peter Trechow

    Peter Trechow ist Journalist für Umwelt- und Technikthemen. Er schreibt für überregionale Medien unter anderem über neue Entwicklungen in Forschung und Lehre und Unternehmen in der Technikbranche.

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