Dolby Atmos: Besserer Klang im Auto mit weniger Lautsprechern
Das Infotainment im Auto wird immer wichtiger, aber auch aufwendiger und teurer. Innovationen wie Dolby Atmos sollen helfen.
Inhaltsverzeichnis
Der Schlagzeuger hämmert seinen Sound genau rechts hinter dem Zuhörer, der Leadgitarrist steht offenbar links vorn, und der Bass schräg hinter ihm. Die drei Musiker der Heavy-Metal-Band aus den 1990er-Jahren geben alles – und das in Surround-Sound aus den Lautsprechern eines Mercedes. Nur der Sänger schwächelt hörbar: Seine Stimme klingt dumpf wie aus dem Inneren eines Toilettenhäuschens irgendwo hinter der virtuellen Bühne.
Fahrzeug-Klang: KI-manipulierter Sound hat Grenzen
„Da war wohl die künstliche Intelligenz am Werk“, erklärt Stefan Bock die enttäuschende Performance. Der Toningenieur kennt wie kaum ein Zweiter in Deutschland die Tricks beim nachträglichen Erzeugen von dreidimensionalen Höreindrücken – und ihre klaren Grenzen. „Einfach technisch die Spuren nach einem Algorithmus Klangeffekte arrangieren zu lassen, bringt zwar Raumeindrücke. Aber oft nicht solche, die von den Musikern gewünscht waren“, erklärt Bock. Der Computer kennt eben die Wünsche der Künstler nicht. Streaming-Dienste wie Apple scannen deshalb die Musik auf solche KI-Manipulationen und blockieren die Songs.
Die vielen Dimensionen eines perfekten Klangs
Bock dagegen weiß, wie Klang in drei Dimensionen geht. Denn sein Tonstudio MSM arbeitet seit Jahren im Dialog mit den Plattenfirmen, Musikern oder Streaming-Services daran, neue und alte Aufnahmen von Künstlern und deren Bands oder Orchestern neu abzumischen. Revolutionär neue Technik ermöglicht es dabei, die Aufnahmesituation noch genauer abzubilden. Wer steht wo auf der Bühne, wie bewegen sich die Musiker bei einem Liveauftritt, wie groß ist der Saal und wo sitzen die Zuhörer? Solche Fragen beantworten die Experten inzwischen mit der Technik von Dolby Atmos oder vergleichbaren Ansätzen. Das wird auch die Konstruktion und Fertigung von Autos erheblich verändern können.
Dolby Atmos für Autos wie geschaffen
Denn Dolby Atmos ist eine objektbasierte Audiotechnologie. „Vor allem für das Hörerlebnis im Auto ist Dolby Atmos wie geschaffen“, sagt der Experte. Das ist auch direkt vor der Haustür seines Studios erfahrbar – im wörtlichen Sinne: Dort steht eine Mercedes S-Klasse bereit, in der das beste Soundsystem für dieses Auto verbaut ist: eine Burmester-Anlage mit 1750 W und 31 Lautsprechern, vom Subwoofer im Kofferraum über die Lautsprecher in Kopfhöhe bis zu der Beschallung von der Decke. Aber die Masse macht es nicht aus, das besondere Hörerlebnis.
Viele Lautsprecher sind natürlich hilfreich, um die Töne, Worte oder Geräusche besonders lebensecht aus allen Ecken kommen zu lassen. Doch Bock erklärt den anderen Ansatz des Dolby-Verfahrens, das ursprünglich für Hightech-Kinosäle entwickelt wurde: „Diese Technologie schafft ein immersives und besonders realistisches Klangerlebnis, das den Zuhörer tiefer ins Geschehen eintauchen lässt.“ Das geschieht dadurch, dass die Klänge nicht wie bei herkömmlichen Surroundsystemen festen Kanälen zugewiesen sind, mit denen sie dann einen räumlichen Eindruck imitieren. Raumklangsysteme wie Dolby Atmos arbeiten vielmehr mit sogenannten Klangobjekten, die auf dem Computerbildschirm im Tonstudio zu sehen sind. Bis zu 118 solcher Soundobjekte können gleichzeitig in einem virtuellen Raum platziert werden.
Bei den neuartigen Raumklangtechniken wie Dolby Atmos ist der Ton darum nicht nur auf die Verteilung zwischen Hoch-, Tief- und Mitteltönern oder Subwoofern beschränkt. Stattdessen ist es, als würde jeder Ton zu einem eigenen Objekt, das sich frei in einem virtuellen Raum bewegen kann. Die MSM-Tontechniker können dann diese Objekte frei in einem dreidimensionalen Raum anordnen, statt sie einfach einzelnen Lautsprechern zuzuweisen.
Diese Unabhängigkeit von physischen Lautsprechern bedeutet, dass sich das Audioerlebnis individuell anpassen lässt – für jeden einzelnen Platz im Auto. Auch die Zahl der Lautsprecher ist nicht mehr entscheidend. Denn Atmos ist „praktisch ein Produktionsweg“, so Bock. Die Tonspuren werden in dem Format codiert – und dann für alle möglichen Endgeräte wieder decodiert.
Dolby Atmos kommt mit wenigen Lautsprechern aus
Dadurch kann auch ein gutes Ausgabegerät mit nur zwei Lautsprechern schon das neue 3D-Hören ermöglichen. Die meisten Autohersteller führen das Verfahren daher bereits in viele Baureihen ein, teilweise sogar per Update. Und weil große Streaming-Plattformen wie Apple-Music oder Audible ebenfalls immer mehr Musik mit Raumklang auf ihre Plattformen bringen, hat Studio-Besitzer Bock reichlich zu tun: „Diese Angebote an Hunderte Millionen Nutzer etwa über Kopfhörer, Soundbars oder Auto-Hi-Fi-Systeme verhelfen dem Format zum Durchbruch“, ist sich der Experte sicher.
Der Streaming-Durchbruch hat damit erhebliche Bedeutung auch für die Autohersteller. Denn die Kunden werden in Zukunft an Raumklang auch ohne möglichst viele Lautsprecher, Verstärker und Systeme gewohnt sein. In aktuellen Fahrzeugen sind durch diese Konfiguration und die dazugehörige Verkabelung im Durchschnitt etwa 15 kg Mehrgewicht und 30 l Bauraum belegt. Das verschlechtert die CO2-Bilanz. Zudem konkurriert der Bauraum mit den Komponenten für Airbags, Versteifungen, Head-up-Displays, Tank, Motoren und vielen notwendigen anderen Teilen. Ingenieure und Konstrukteure müssen deshalb nicht selten Kompromisse eingehen – und auf Komfortkomponenten wie Fächer und Ablagen verzichten oder Lautsprecher an bisher suboptimalen Orten wie dem Fußraum verbauen.
Guter Sound auch ohne aktive Lautsprecher möglich
Jetzt ist guter Klang mit weniger Lautsprechern zu erzielen – oder sogar ganz ohne solche. Zulieferer Continental hat etwa zusammen mit Sennheiser mit Ac2ated Sound eine Technologie entwickelt, bei der Fahrzeugoberflächen als Klangkörper eingesetzt werden. Wenige Aktuatoren, klein wie eine Münze und nur zwei Finger dick, wiegen lediglich etwa 1 kg und benötigen nur rund 1 l Volumen. Die Übertragung der Tonsignale erfolgt durch eine Software, die die Audiosignale in die entsprechenden Frequenzen umwandelt. Diese Frequenzen werden dann von den Aktuatoren auf die Verkleidungsteile übertragen, wodurch Musik, Sprache sowie Signale und Warnhinweise im Fahrzeug ertönen, ganz ohne Lautsprecher.
Theoretisch kann jede Oberfläche zur Schallerzeugung genutzt werden, wobei die A-Säulen für hohe Töne, das Dach für Bässe und die Türverkleidungen sowie die Armaturentafel für weitere Tonfarben besonders gut geeignet sind. Sogar die Rückseite der Vordersitze kann als Klangquelle fungieren und sorgt so nebenbei für ein spürbares Bassgefühl. Das System hat zudem eine niedrigere Leistungsaufnahme, wodurch es weniger Strom benötigt.
Noch hat sich kein Hersteller offiziell zum Einbau der lautsprecherlosen Technik durchgerungen. Im Gegensatz zur Einführung von Atmos und Co., verbunden mit einer Abrüstung bei teurer und schwerer Hardware. Die technische Lösung klingt ja auch schon ganz gut.
Ein Beitrag von: