Leonardo da Vinci: Warum sein Traum vom Fliegen unerfüllt blieb
Noch heute gehen die Meinungen auseinander, ob Leonardo da Vinci einfach ein technikbegeisterter Maler war oder ein Universalgenie. Sicher ist: Die Kraft der Elemente hat Leonardo in großem Maße fasziniert. Wir haben uns seine Ideen zum Element Luft näher angesehen.
Fliegen zu können ist einer der ältesten Träume der Menschheit. Auch Leonardo da Vinci machte sich bereits 1463 Gedanken über eine Tragschraube zum Abheben. Als einer der ersten Forscher beschrieb er, wie Vögel ihre Flügel beim Aufwärtsschwung spreizen und in der Abwärtsbewegung anlegen.
Leonardos Ideen hatten schon andere
Der technikbegeisterte Maler ersann darüber hinaus einen Flugapparat mit stehendem Piloten. Diese Idee ist zu Leonardos Geburt jedoch schon 200 Jahre alt. Die Idee kam dem englischen Franziskanermönch Roger Bacon. Das Buch “Leonardos Erbe” von Matthias Eckoldt gibt ein überliefertes Zitat von Bacon wieder: „Man kann auch fliegende Maschinen bauen. Es genügt, dass ein Mann in der Mitte eine Vorrichtung betätigt, die künstliche Flügel gleich denen eines Vogels in schlagartige Bewegungen setzt.” Der Traum vom Fliegen reicht zudem bis in die griechische Mythologie zurück. Dädalus entwickelte laut der Mythologie Gestelle mit Vogelfedern, um aus einem Labyrinth zu gelangen.
Der Erforscher der geflügelten Wesen
Leonardo stützt sich in all seinen Notizen auf den Vogelflug. Er bezeichnet sich darin, als “Erforscher der geflügelten Wesen”, so das Buch “Leonardo da Vinci: Tagebücher und Aufzeichnungen”. Das geschulte Malerauge nützt ihm, um genau zu beobachten, warum Vögel fliegen können. Passenderweise nennt Leonardo da Vinci seinen geplanten Flugapparat oft den “großen Vogel”. Starten wollte er damit vom Monte Ceceri in Fiesole.
Mithilfe von nachgebauten Flügelmodellen erkannte Leonardo da Vinci die Bedeutung des Luftwiderstandes. Doch eine entscheidende Sache entging ihm: das spezielle Flügelprofil, welches für den nötigen Auftrieb sorgt. Das ist für heutige Flugzeuge essenziell.
Leonardos Traum blieb zu Lebzeiten unerfüllt. Einen künstlichen Vogel am Himmel hat er nie gesehen. Nichtsdestotrotz gilt Leonardo vielen heutigen Ingenieuren als Vater der Bionik, die sich für technische Konstruktionen ebenfalls von der Natur inspirieren lässt.
Experimente mit einem Luftsack
Leonardo beschäftigte sich zu seiner Zeit mit dem Prinzip der Komprimierbarkeit der Luft. Er experimentierte mit einem Luftsack und stellte fest, dass sich der Druck im prall gefüllten Balg gleich verteilt, sofern man ihn mit einem Gewicht belastet. Bei seinen Experimenten und Beobachtungen von Krähen ist ihm der unterschiedliche Luftwiderstand während der Flügelbewegung jedoch nicht aufgefallen. Welche Wissenslücken Leonardo da Vinci nicht schließen konnte, beschreibt Eckoldt in seinem Werk. Das Buch ist zu empfehlen. Es liest sich flüssig und verständlich und lässt den Leser die Neugierde des Malers nachvollziehen. Es führt auch auf, warum der als Genie gefeierte Ingenieur viele Ideen aus heutiger Sicht nicht richtig durchdacht hat.
An den Fallschirm glaubte Leonardo selbst nicht
1485 entwarf Leonardo da Vinci einen Fallschirm – also zu einer Zeit, in der es undenkbar war, dass Menschen Tausende von Metern über der Erde an einem Schirm herumfliegen. Dieser absurde Gedanke spiegelt sich auch in seiner Zeichnung wider. Sie ist rasch hin gekritzelt und ohne weitere Erläuterung. Umso erstaunlicher, dass die Skizze heute als visionär gefeiert wird. Gibt sie doch kaum Aufschluss über die angedachte Entwicklung. Die Skizze zeigt lediglich ein Froschmännchen, der an einem Zeltdach hängt. Das Zeltdach soll dabei 10 Meter hoch sein und einen Durchmesser von 10 Metern aufweisen. Der Fallschirm wurde von Leonardo da Vinci also spitz zulaufend und unten rund konzipiert. Dass die Maße eine klare Fehleinschätzung Leonardos ist, führt Eckoldt wie folgt auf: Ein normalgroßer Mensch der Renaissance misst 1,70 Meter. Das Zeltdach, an dem er hängt, wäre demnach maximal 2 Meter hoch. Also ein Fünftel der von Leonardo angegebenen Maße.
Wie sich die historische Konstruktion mit einem modernen Fluggerät schlägt? Der Fallschirm aus der Feder von Leonardo da Vinci wurde im folgenden Video mit dem Mathematikum Gießen getestet.
Leonardo da Vinci inspirierte nicht nur Zeitgenossen, sondern auch viele Menschen nach ihm. Durch Leonardos Zeichnung inspiriert, entwarf der kroatische Gelehrte Faust Vrancic (1551–1617) einen eigenen Fallschirm. Vrancic behielt den rechteckigen Rahmen der Skizze bei, ersetzte aber die Fallschirmkappe durch ein segelartiges Stück Stoff, von dem er zu Recht annahm, dass es den Fall besser verlangsamen würde.
Entwurf einer Flugschraube zeigt das Können da Vincis
Im Gegensatz zur lieblosen Skizze des Fallschirmsprungs, fuchste sich Leonardo da Vinci in die Konstruktion der bereits erwähnten Flugschraube rein. Die sich in 2 Windungen nach oben verjüngende Vorrichtung soll am äußeren Rand aus Eisendraht bestehen; die Bespannung soll aus Leinwand gefertigt werden. Für den Radius der Luftschraube berechnete Leonardo 5,5 Meter – ein beachtliches Gerät. Wie die Schraube in die Luft aufsteigen soll, ließ er allerdings unkommentiert. Mit etwas Fantasie wird man bei der Zeichnung am unteren Ende des mittigen Mastes eine horizontal durch das Holz laufende Stange erkennen. Leonardo könnte also angedacht haben, die Luftschraube mit Menschenkraft anzuschieben.
Leonardo hat zwar kein Buch und keinen einzigen Prototypen hinterlassen, dafür aber unzählige Notizbücher. Er war auch kein Luftfahrtpionier, aber ein forschender Geist, der sich Gedanken über die Physik und Mechanik des Vogelflugs machte. Bilder und Skizzen sind bis heute erhalten geblieben – und die beweisen, dass ein technisch interessierter Maler zahlreiche innovative Ideen hatte, die viele Ingenieure nach ihm inspirierten.
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