Problem gelöst: Größere Reichweite für kleine E-Autos
Forschenden der Universität Siegen ist es gelungen, in Kleinwagen mehr Platz für Batterien zu schaffen. Das könnte das Problem der Reichweite auch in diesem Fahrzeugsegment der Elektroautos lösen. Ihre Idee: eine neue Achse.
Elektromobilität gilt als umweltschonende Mobilität der Zukunft. Deshalb wird sie von der Bundesregierung entsprechend gefördert. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2021 in Deutschland rund 356.000 E-Autos neu zugelassen. Damit hat sich Bestand von E-Autos verdoppelt und lag am 1. Januar 2022 bei 618.000 Fahrzeugen. Betrachtet man die Zulassungen nach Segmenten, wird schnell klar: Es werden erheblich mehr SUVs sowie Fahrzeuge der Mittelklasse zugelassen als Kleinwagen. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass in kleinen Fahrzeugen nach wie vor die Reichweite ein Problem darstellt. In Kleinwagen steht einfach wenig Platz für die notwendigen Batterien zur Verfügung. Möglicherweise haben Forschende am Lehrstuhl für Fahrzeugleichtbau der Universität Siegen hier einen entscheidenden Durchbruch erzielt. Ihre Idee: eine neue Hinterachse konstruieren.
Das erste E-Auto ohne Feinstaub- und Mikroplastik-Emissionen
Diese neue Hinterachse haben sie absichtlich kleiner gebaut, um so mehr Platz für die Batterien zu erhalten. Das Forscherteam geht davon aus, auf diese Art und Weise die Reichweite von E-Autos um 35% zu steigern, das bedeutet konkret, dass 115 Kilometer mehr möglich sein sollen. „Unsere Idee war eigentlich ganz einfach: Wir haben die Hinterachse umgedreht und den Querträger der Achse so nach hinten, in Richtung Kofferraum verlagert“, erläutert Xiangfan Fang, Professor für Fahrzeugleichtbau an der Universität Siegen und Leiter des Forschungsprojektes. Durch diese Veränderung vergrößere sich nach vorn automatisch die Fläche, die unter dem Auto für die Batterien gedacht ist.
Neue Achse für E-Auto mit gewohnten Fahreigenschaften
Eine umgedrehte Achse ist das eine, doch es ist natürlich auch wichtig, die Eigenschaften des Fahrzeugs im Blick zu behalten. Da die Achse die Verbindung zu den Rädern darstellt, ist sie ein zentrales Element für die Fahrzeugeigenschaften, besonders beim Bremsen. Die Siegener Forschenden haben mehrere Lenker und Gelenke angepasst oder hinzugefügt, um so die gewohnten Eigenschaften des Autos zu erhalten. „Wir haben die neue Achse zunächst am Computer konstruiert und virtuell in die Karosserie integriert, um die Eigenschaften genau berechnen und simulieren zu können“, sagt Jens Olschewski, einer der Projekt-Mitarbeitenden. Auf Basis dieser Tests konnte dann der Prototyp der Stahlachse gefertigt werden.
Getestet haben die Forschenden ihn dann in einem Ford Fiesta. Da es sich bei dem Testwagen nicht um ein Elektroauto handelt, musste das Gewicht der Batterien entsprechend simuliert werden. Dafür nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schwere Metallplatten, die sie unter dem Boden des Fiestas anschraubten. Im Anschluss verbauten die Forschenden viel Messtechnik, damit die Ergebnisse der Tests auf dem Prüfstand sowie einer ausgewiesenen Teststrecke von Ford in Belgien adäquat aufgezeichnet werden konnten. Darüber hinaus prüfte das Forschungsteam das Fahrzeug selbst – auf dem Verkehrsübungsplatz in Olpe.
Neue Achse für kleine E-Autos: Serienproduktion kann starten
Mit den Ergebnissen waren die Forschenden sehr zufrieden: Komfort und Sicherheit des Fahrzeugs zeigten sich auf gleichem Niveau wie bei der herkömmlichen Achse. Bei der Fahrdynamik konnte der Testwagen nicht in allen Bereichen mithalten. Doch nach Ansicht der Forschenden sei der Unterschied so gering, dass weitere Verbesserungen und Veränderungen es möglich machten, diesen anzugleichen. Deshalb arbeitet das Team aktuell daran, die neue Achse weiterzuentwickeln. Parallel gibt es bereits Gespräche mit verschiedenen Automobilherstellern. Das Ziel: eine Serienproduktion der neuen Hinterachse in Elektro-Kleinwagen. „Wir wären sehr stolz, wenn in einigen Jahren E-Autos mit unserer Achse durch die Gegend fahren“, sagt Fang.
Entwickelt haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Hinterachse im Rahmen eines Forschungsprojekts namens „E-MLTA“ (Entwicklung und Erprobung einer bauraumsparenden Mehrlenker-Torsionsachse). Neben der Universität Siegen waren auch die Automobilunternehmen Ford und VW sowie die Firmen Mubea, Vorwerk Autotec, Schmedthenke Werkzeugbau und CP Autosport GmbH und die Technische Hochschule Köln beteiligt. Insgesamt 1,6 Millionen Euro bekamen die Forschenden aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) NRW für ihre Forschung.
Mehr zum Thema Elektromobilität:
Ein Beitrag von: