Mehr Sicherheit durch digitale Sonnenblenden
Werden Autofahrer geblendet, kann dies schnell zu Unfällen führen. Sonnenblenden verdecken jedoch das Blickfeld. Ein digitales Display von Bosch sorgt für mehr Schutz bei bester Sicht. Es wurde jetzt auf der CES 2020 in Las Vegas vorgestellt.
Fahrzeuge werden intelligenter, nur die Sonnenblende hat sich seit knapp 100 Jahren kaum verändert. Ab 1924 enthielten Autos wie der Ford Model T eine äußere Sonnenblende, und ab 1931 wurde ein Blendschutz im Inneren eingebaut. Frühe Versionen bestanden aus Glimmer, einem transparenten Mineral. Später folgten Konstruktionen aus Kunststoff. Doch das grundlegende Konzept rettete sich durch die Zeiten.
Ihre Berechtigung haben die Schutzeinrichtungen bis heute nicht verloren. Das Statistisches Bundesamt (DESTATIS) führt allein in 2018 genau 3.756 Unfälle im Straßenverkehr darauf zurück, dass Fahrer geblendet wurden – wobei der tatsächliche Wert sicher deutlich höher ist. Ähnliche Zahlen werden für die Vereinigten Staaten gemeldet.
Hinzu kommt: Klassische Sonnenblenden erfüllen zwar ihren Zweck, behindern mitunter aber auch die Sicht. Das war für Bosch Grund genug, eine digitale, transparente Sonnenblende zu entwickeln, die Schatten nach Bedarf erzeugt.
Individuelle Verdunklung je nach Lichtsituation
Das geht so: Beim Virtual Visor ersetzte man die klassische Sonnenblende durch ein digitales, wabenförmig gestaltetes Display mit Flüssigkristall-Technologie (LCD). Eine Kamera ist dabei auf das Gesicht des Fahrers gerichtet, um die tatsächlichen Lichtverhältnisse, die Blickrichtung und den Schattenwurf zu erfassen. Dann errechnen intelligente Algorithmen mit künstlicher Intelligenz, welche Bereiche zu verdunkeln sind. Der Rest der Waben bleibt durchsichtig – und gibt wie gehabt den Blick auf die Straße frei: ein Beitrag für mehr Sicherheit. Ändern sich Sonne oder Schatten, reagiert das Display entsprechend schnell darauf.
„Besonders, wenn Autofahrer morgens und abends von der tiefstehenden Sonne geblendet werden, geraten klassische Sonnenblenden an ihre Grenzen“, weiß Steffen Berns, Vorsitzender des Bereichsvorstands des Geschäftsbereichs Car Multimedia bei Bosch. „Mit der digitalen, transparenten Sonnenblende von Bosch haben wir für dieses Problem eine innovative Lösung entwickelt.“
Prototyp aus dem Recycling
Doch wie kam es zur Idee und zur Umsetzung des Virtual Visor? Bosch arbeitet unternehmensintern mit Methoden, wie man sie eher von Start-ups kennt: Mitarbeiter könne selbst Ideen einbringen, sie identifizieren Szenarien mit Innovationsbedarf wie besagte Sonnenblende. Und sie haben die Möglichkeit, Marktpotenziale auszuloten. Bosch beliefert bekanntlich verschiedene Autohersteller.
Beispielsweise entstand die neue Sonnenblende in einem Team aus mehreren Ingenieuren, die normalerweise Antriebslösungen entwickeln. Sie hatten die Idee und bauten nach einer Konzeptphase erste Muster. Ihr Prototyp zur Präsentation entstand aus einem alten LCD-Monitor – praktisch aus der Recyclingtonne. Ziel der Experten war, sich um eine interne Finanzierung zu bewerben. Das gelang ihnen. Das Team sicherte sich die Unterstützung von Führungskräften und konnte seine Idee perfektionieren.
Das Vorgehen war erfolgreich: Der Virtual Visor wartet auf der CES 2020 in Las Vegas noch bis zum 10. Januar 2019 auf Technikinteressierte. Die Organisatoren der weltweit größten Elektronikmesse haben der digitalen Sonneblende einen „Best of Innovation“-Award sowie einen Honoree-Award verliehen.
Technologien für mehr Sicherheit
Bosch zeigt mit der LCD-Sonnenblende, wie künstliche Intelligenz zusammen mit Kameratechnologien für mehr Sicherheit sorgt. Das Konzept, den Innenraum von Autos zu erfassen, beschränkt sich beim Hersteller aus Stuttgart nicht auf digitale Sonnenblenden.
Vor wenigen Wochen berichtete Bosch von einem System zur Innenraum-Beobachtung mit Kameras und künstlicher Intelligenz, um Fahrer in kritischen Situationen zu warnen. Dazu ein paar Zahlen: Wer bei Tempo 50 nur 3 Sekunden lang einnickt oder auf sein Smartphone statt auf die Straße schaut, legt in der Zeit 42 Meter zurück. Eine im Lenkrad eingebaute Kamera erkennt, wenn die Augenlider des Fahrers schwer werden, wenn er abgelenkt ist oder seinen Kopf zum Beifahrer oder in Richtung der Rücksitze dreht.
Dank künstlicher Intelligenz reagiert das System auf unterschiedliche Weise. Es kann den Fahrer warnen, Pausen empfehlen oder sogar die Geschwindigkeit verringern – je nach Vorgaben des Fahrzeugherstellers. Basis des Systems sind intelligente Bildverarbeitungsalgorithmen und Technologien des maschinellen Lernens. Sie erkennen anhand von Trainingsdatensätzen mögliche Gefahrensituationen und reagieren entsprechend der Vorgaben. Bleibt als Fazit: Künstliche Intelligenz ist aus Autos nicht mehr wegzudenken.
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