Mehrfach aufgeladene Turbomotoren stoßen in neue Leistungsregionen vor
Bei leistungsstarken Diesel- und Ottomotoren geht der Trend zum Einsatz mehrerer Turbolader. Audi entwickelt ein Biturbo-Konzept. BMW hat gar Motoren mit drei Ladern in Serie. Solche hoch aufgeladenen Direkteinspritzer stoßen in neue Regionen hubraumspezifischer Leistung vor. Ob Doppel- und Dreifachlader Volumenmärkte erobern, ist offen.
Der V8-Biturbo-Motor des neuen Audi RS7 Sportback leistet 103 kW pro Liter Hubraum. Zwischen 1750 min-1 und 5500 min-1 entfaltet er satte 700 Nm Drehmoment. BMW hält mit einem hoch aufgeladenen Sechszylinder-Diesel dagegen, dessen maximales Drehmoment 740 Nm (bei 2000 min-1 bis 3000 min-1) beträgt. Seine spezifische Hubraumleistung: 93,6 kW/l.
Zum Vergleich: Bei den im Jahr 2011 neu zugelassenen Sportwagen lag dieser Wert bei durchschnittlich 71 kW/l, im Kompaktsegment bei 56 kW/l und bei Kleinwagen unter 50 kW/l. Bis 2016 erwarten Turbolader-Hersteller einen Weltmarkt von über 30 Mio. Ladern jährlich, davon 18,5 Mio. im Dieselbereich.
Fraglich ist, ob 30 Mio. Lader auf 30 Mio. Fahrzeuge verteilt sein werden. Denn gerade bei leistungsstarken Otto- und Dieselmotoren geht der Trend zum Einsatz mehrerer Turbolader. BMW lädt erwähnten Reihensechszylinder gar mit drei Ladern auf. Zwei kleine Hochdrucklader mit variabler Turbinengeometrie (VTG) und ein größerer Niederdrucklader aus dem Hause BorgWarner sorgen für bis zu 4 bar Ladedruck.
Wann welcher Lader im Abgas rotiert, um auf seiner Kaltseite Frischluft in die Brennräume zu schaufeln, hängt von Motordrehzahlen und Abgasdruck ab. Schon kurz oberhalb der Leerlaufdrehzahl, wenn kaum Abgas strömt, geht einer der flinken Hochdrucklader in Betrieb. Bei den VTG-Ladern regeln schwenkbare Leitschaufeln den Abgasstrom. Ist er noch schwach, verengen sie den Turbineneinlass, um Strömung zu beschleunigen.
Steigen Motordrehzahl und Abgasdruck, springt der Niederdrucklader dem ersten VTG-Lader zur Seite. Bei Volllast setzt dann zusätzlich der zweite VTG-Lader ein. Nur nahe der Maximaldrehzahl lässt ein „Wastegate“ Abgas passieren, um unerwünschten Abgasgegendruck zu vermeiden.
Damit so viel Sauerstoff wie möglich in den Brennraum gelangt, wird die verdichtete Frischluft auf dem Weg in den Brennraum gekühlt. Dort wird aus Piezo-Injektoren bis zu acht Mal pro Arbeitstakt Diesel eingespritzt. BMW setzt dafür erstmals im Pkw-Bereich auf ein 2200-bar-Common-Rail-System.
Der in der Sportmarke BMW M in Serie gebrachte Triturbo-Diesel hat mittlerweile in den Limousinen der 7er-Reihe Fuß gefasst. Allerdings dürfte das Konzept leistungsstarken Reihensechszylindern vorbehalten bleiben. Denn bei Drei- und Vierzylindermotoren auf Otto- und Dieselseite setzt BMW auf einen oder zwei Turbolader kombiniert mit präziser Direkteinspritzung und variabler Ventilsteuerung bei Benzinern sowie die VTG-Technik bei den Diesel-Turboladern.
Die Aufladung sämtlicher Motorfamilien mit drei, vier und sechs Zylindern hat für die Münchener große Vorteile: Die Diesel- und Benzinmotoren haben bis zu 60 % Gleichteile und 40 % bauliche Übereinstimmungen. Je nach Zielgruppe lassen sich aus dem Baukasten Benziner mit Hubraumleistungen 60 kW/l bis 110 kW/l und Diesel mit 40 kW/l bis über 90 kW/l realisieren.
Audi setzt im RS7 Sportback auf zwei Turbolader, die bis zu 1,2 bar Ladedruck erzeugen. Genauer handelt es sich um Twinscroll-Lader, deren Turbinen vom vorab vereinten Abgas aus zwei bis drei Zylindern durchströmt werden. Vorteil: weniger Druckschwankungen und Strömungsverluste, was in flinkem Ansprechen resultiert. Auch bei BMW sind neben Mono- auch Twinscroll-Lader im Einsatz.
Um das Konzept zu verfeinern, arbeitet Audi daran, einen der Turbolader bei niedrigen Motordrehzahlen elektrisch anzutreiben. Er soll vom Start weg Ladedruck aufbauen und für Drehmoment sorgen. In Tests haben die Entwickler den „e-boost“-Verdichter zwischen herkömmlichen Turbolader, Ladeluftkühler und Zylinder eines V6-Dieselmotors mit 3 l Hubraum montiert. Meist fließt die verdichtete Luft durch einen Bypass am Elektrolader vorbei. Nur wenn bei geringem Abgasdruck eine Klappe im Bypass schließt, wird ihm Luft zugeführt und elektrisch verdichtet. Den nötigen Strom generiert sein E-Motor nahezu verbrauchsneutral in Schubphasen.
Mit dem System will Audi die Erfolgsgeschichte seiner TDI-Motoren fortschreiben: Seit 1989 hat sich deren hubraumspezifische Leistung mehr als verdoppelt, das Drehmoment um 70 % gesteigert und obendrein sanken die Emissionen um 95 %.
Beobachter sind sich einig, dass Turbomotoren bei Neuwagen künftig die Regel sein werden und auch „e-booster“ sowie mechanisch mit der Kurbelwelle gekoppelte Kompressoren weitere Marktanteile gewinnen werden. Wie tief Bi- und Triturbos den Markt durchdringen werden, ist aber unklar. Zwar spricht die Leistungsdichte für ihren Einsatz. Doch Insider bezweifeln aus Kostengründen die Großserientauglichkeit. Zudem gibt es Probleme bei der Abgasnachbehandlung. Jeder Lader ist eine Wärmesenke im Abgasstrom. Gerade nach Kaltstarts zählt jedes o C, damit Katalysatoren und Entstickung zügig in Gang kommen. – Erst recht, wenn Emissionen im realen Fahrbetrieb überwacht werden.
Laut Audi ein Argument für „e-boost“-Verdichter mit Bypass: „Die flexible, kompakte Aufladestrecke ermöglicht zweistufige Aufladung mit einer Abgasturbine. Durch die reduzierte Wärmekapazität wird frühes Anspringverhalten des Katalysators erreicht.“ Anders gesagt: Eine Turbine entzieht dem Abgas in der Warmlaufphase weniger Wärme als zwei oder drei, wodurch die Abgasentgiftung früher einsetzt. PETER TRECHOW
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