Entwickler des Typ-2-Steckers 01.02.2013, 11:51 Uhr

Mennekes im Sauerland beliefert die Welt mit Steckern

Im sauerländischen Kirchhundem produziert die Firma Mennekes Industriesteckvorrichtungen und beliefert damit den Weltmarkt. Bekannt wurde das Unternehmen durch die Elektromobilität: Mennekes hat den Typ-2-Stecker entwickelt – laut EU-Kommission Europas Ladestecker für Elektroautos.

Mennekes im Sauerland hat den von der EU festgelegten Stecker für Ladesäulen in Europa entwickelt.

Mennekes im Sauerland hat den von der EU festgelegten Stecker für Ladesäulen in Europa entwickelt.

Foto: Mennekes

Einträchtig schlängeln sich die Bundesstraße 517 und das Flüsschen Olpe durch das Tal zwischen dem Bilsteiner Land im Westen und Ausläufern des Rothaargebirges im Osten. Am Weg kleine Dörfer, locker bebaut. Am Horizont nichts als Grün, ein dichter Saum von Tannen und Buchen.

„Rund 75 % der Gemeindefläche bestehen aus Wald“, sagt Martin Leisse, Vertreter des Bürgermeisters, der im Jugendstilrathaus von Kirchhundem die Amtsgeschäfte führt. Entsprechend stark sei die Forstwirtschaft in der Region. Als Weihnachtsbäume seien heimische Fichten ein Exportschlager. Auch der Tourismus sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Daneben gebe es viel Handwerk und produzierendes Gewerbe. Größter Arbeitgeber und sicher guter Steuerzahler am Ort ist die Firma Mennekes. „Für uns ein Unternehmen, das nicht wegzudenken ist“, sagt Leisse.

Mitten im Ort steht das Verwaltungsgebäude der Firma Mennekes. Auffällig sind die großen Fenster. „Der Sauerländer muss ins Grüne gucken können, sonst kann er nicht atmen“, erklärt Seniorchef Walter Mennekes verschmitzt.

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Und echte Sauerländer sind hier fast alle: der charismatische Seniorchef mit der fliederfarbenen Krawatte, der die Firma von seinem Vater übernahm und in 35 Jahren zum Weltmarktführer für Steckvorrichtungen nach CEE-Norm ausbaute. Als „Außenminister“ des Unternehmens hat er viel mit den Großen aus Wirtschaft und Politik zu tun und ist dabei doch ganz bodenständig geblieben, wie man im Ort vielfach hört. Sein Sohn Christopher Mennekes, der sich bei der Sanierung eines Tochterunternehmens in England die ersten Sporen verdiente und seit zwei Jahren das operative Geschäft steuert. Und der lässig-smarte Volker Lazzaro, der sich als Geschäftsführer den Bereich Elektromobilität vorgenommen hat. Aber jetzt erst mal schnell ein kleiner Umtrunk, bevor es gleich zur Führung in die angrenzenden Werkshallen geht: Herzlich willkommen in „Stecker- City“!

Von einem Transportband laufen rote CEE-Drehstrom-Stecker. „Die spezielle Konstruktion dieses Steckers haben wir selbst entwickelt“, sagt Walter Mennekes stolz. In allen Produkten, die das Unternehmen ausliefere, stecke auch immer eigene Entwicklungsarbeit. „Der Fertigungsprozess ist in hohem Grade standardisiert“, verrät der Seniorchef. Ähnlich wie der Grundkörper einer Playmobil-Spielfigur erst durch Merkmale wie einen Hut zur Figur eines Cowboys oder Bauingenieurs werde, gebe es auch beim Stecker definierte Grundkomponenten.

In der Steckerproduktion ist es blitzsauber, dabei stanzen und drehen hier Maschinen im Sekundentakt Steckerhülsen und -stifte. Die Tagesproduktion: rund 350 000 Kontakte. Gefertigt wird aus einer Messinglegierung mit einem Kupferanteil von 58 %. „Damit sind sie besonders leitfähig“, erklärt Walter Mennekes. CNC-gesteuerte Drehmaschinen zerspanen hier Messingstangen zu glänzenden Kontaktstiften.

An den Stanz- und Biegemaschinen wird Messingblech ausgestanzt, gerundet und zu Hülsen geformt. Ganz gleich, ob sie später im Schuko- oder Starkstromstecker zum Einsatz kommen: „In der Fertigung ist viel Erfahrung und höchste Präzision erforderlich“, erklärt der Seniorchef. Denn Geräte müssen auch unter härtesten Bedingungen einwandfrei funktionieren. Walter Mennekes: „Man muss den ganzen Prozess im Griff haben.“

Messingabfälle aus der Produktion werden beim Zulieferer später neu eingeschmolzen. „Wir arbeiten in geschlossenen Kreisläufen“, sagt Mennekes stolz. „Wir blasen keinen Qualm in die Luft, wir verschmutzen kein Wasser und arbeiten mit möglichst wenig Lärm.“

Weitere Produktionsstandorte in Sachsen und China

Zwischen den Maschinen flitzen Mitarbeiter in roten Polohemden hin und her. Der Seniorchef grüßt sie mit Namen und wünscht heute überall ein „Frohes Neues“. 500 Mitarbeiter zählt das Unternehmen am Firmensitz in Kirchhundem, etwa 50 davon sind Ingenieure. 300 arbeiten an zwei weiteren Produktionsstandorten in Sachsen und im chinesischen Nanjing, über 100 in weltweiten Tochtergesellschaften und Repräsentanzbüros. Im Schnitt ist ein Mennekes-Mitarbeiter heute 38 Jahre alt und seit 14 Jahren im Betrieb. „Sie sind erfahren und leistungsstark“, freut sich Mennekes.

Zu etwa 60 % produziert das Unternehmen Serienartikel für den Elektrogroßhandel, 40 % der Aufträge laufen als kundenspezifische Artikel im Projektgeschäft. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss der Lohn- und Gehaltskostenanteil sehr gering sein. Der Automatisierungsgrad in der Serienartikelproduktion liegt heute bei 75 %.

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Über blitzblanke Flure geht es weiter zur „Mittelserie“. Hier werdendie Steckergehäuse nach dem sogenannten Plattformprinzip gefertigt – so, dass sich später unterschiedliche Steckerkonfigurationen montieren lassen. Granulate aus Polycarbonat und Polyamid stehen in verschiedenen Farben bereit. Sie werden in den Extruderschnecken zu einem zähflüssigen Brei eingeschmolzen und im Spritzgussverfahren in die Werkzeuge gepresst. Alle Werkzeuge sind Eigenentwicklungen. „Da steckt das Know-how des Unternehmens drin“, sagt Walter Mennekes.

Nach der Plastifizierung verschwinden die Steckergehäuse für 24 Stunden in einer Kammer – eine Spezialität des Hauses. 95 % Luftfeuchtigkeit sorgen hier dafür, dass der Kunststoff seine Sprödigkeit verliert und der Stecker nicht zerspringt, wenn er später mal auf den Boden fällt.

Steckerkonfektionierung ist Frauensache

Die Steckerkonfektionierung ist bei Mennekes Frauensache. „Sie haben die geschickteren Hände“, sagt Walter Mennekes. Gerade montieren hier flinke Finger dreipolige rote Stecker für den Einsatz in Industrie oder Handwerk und dreipolige blaue, sogenannte Caravanstecker, die bei der Versorgung mit Haushaltsstrom an Campingplätzen sehr beliebt sind.

Echte Handarbeit leistet auch Armin Kadriga. Er bestückt heute signalgelbe, mobile Steckverteiler. Steckdosen und Montagezubehör stehen griffbereit in kleinen blauen und grünen Containern. „Pro Verteiler brauche ich bei dieser Linie 25 bis 30 Minuten“, schätzt Kadriga. Gelb ist den Verteilern für den Baustelleneinsatz vorbehalten, ansonsten können Kunden Farben und Steckdosenkombinationen frei wählen. Für den Afghanistan-Einsatz hat die Bundeswehr neulich schwarze Verteiler mit olivgrünen Steckdosen in Auftrag gegeben.

Im Prüflabor sind die Tests für heute schon abgeschlossen. „Wir sind unseres Wissens der einzige Steckerhersteller mit akkreditiertem Prüflabor“, erzählt Mennekes stolz. Hier werden die eigenen Produkte auf Herz und Nieren, auf das Spannungs- und Dehnungsverhalten geprüft. Und manchmal nehmen die Experten auch Produkte der Wettbewerber unter die Lupe. „Man kann immer noch was lernen“, kommentiert der Seniorchef mit einem Zwinkern.

Dass sich auch ein Weltmarktführer auf seinen Erfolgen nicht ausruhen kann, weiß Volker Lazzaro: „Wir sind in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess.“ Innovation sei zentraler Baustein der Unternehmensstrategie. Im „Think Tank“ von Mennekes soll neuen Ideen deshalb nichts im Wege stehen. In den Büros und Besprechungsräumen ist viel Glas verbaut, bodentiefe Fenster geben den Blick in die Landschaft frei. Hinter halbgeöffneten Jalousien diskutieren Entwickler an riesigen Tischen und tüfteln an Rechnern an den Produkten von morgen. Eine Glasfront ist in großen Lettern mit wertschätzenden Zitaten aus Zeitungen beklebt. Sie halten die Erfolge vor Augen und spornen weiter an.

50 % des Umsatzes stammen aus dem Export

Lazzaro ist überzeugt: „Man muss über Innovation Abstand und über Internationalisierung Menge schaffen.“ 50 % seines Umsatzes macht Mennekes heute im Exportgeschäft. Die Produkte gehen nach Europa, Amerika, Asien und Südafrika. In Nanjing produziere man für den Bedarf des chinesischen Marktes.

Draußen auf dem firmeneigenen Parkplatz lädt gerade ein weißer Tesla-Sportflitzer Strom nach. Die Ladesäule und die Steckertechnologie: made by Mennekes. 8 Mio. € Umsatz hat das Unternehmen im letzten Jahr im Bereich Elektromobilität gemacht. „Wir wollen hier zukünftig ein stabiles Geschäft aufbauen“, sagt Lazzaro. „Für den Typ-2-Stecker haben wir eine komplett neue Kontakttechnologie entwickelt.“ Ein Patent hat das Unternehmen aber nicht angemeldet. Dazu Christopher Mennekes: „Wir wollten, dass sich das beste System am Markt durchsetzt.“

Der Typ-2-Stecker hat heute die Nase vorn. Die EU-Kommission hat ihn kürzlich zur gemeinsamen Norm für ganz Europa erklärt. Das Original aus dem Hause Mennekes habe sich in vier Jahren immer weiterentwickelt, erzählt Lazzaro. „Das Feedback fast aller Autobauer und Energieversorger ist da eingeflossen, der Stecker hat heute einen hohen Reifegrad.“

Dass der Markt für Elektromobilität insgesamt noch in den Anfängen steckt, schreckt die Kirchhundemner nicht ab. „Als Mittelständler sind wir generell mittel- bis langfristig angelegt“, sagt Christopher Mennekes. 50 Mitarbeiter hat das Unternehmen im Geschäftsfeld Elektromobilität bereits neu eingestellt. „Fachkräfte zu finden ist für uns kein Problem“, stellt Lazzaro selbstbewusst fest. Das innovative, grüne Thema begeistere viele Ingenieure. Vor allem in der Familienphase könne Kirchhundem mit günstigen Lebenshaltungskosten, großzügigem Wohnraum und einem sicheren Umfeld punkten. Auch aus Konzernen wie Daimler und Johnson Controls gebe es Zulauf.

Genügend Nachwuchs aus der Region

An regionalem Nachwuchs mangelt es nicht. Auszubildende stellen rund 10 % der Belegschaft. „Ausbildung ist wichtig und wir bilden über Bedarf aus“, sagt Walter Mennekes und fügt lächelnd hinzu: „Die Jugendarbeitslosigkeit in Kirchhundem liegt bei 0 %.“ Manch Jüngeren aus der Gemeinde zieht es dennoch in die Stadt, weiß der vertretende Bürgermeister Leisse. Der öffentliche Nahverkehr fahre hier nicht flächendeckend. Auch in Sachen Breitbandanbindung sei man eher unterversorgt. Die Zukunft der Gemeinde sieht er trotzdem optimistisch: „Bei uns kann man sich was aufbauen, mit allem was dazu gehört.“

Zwischenzeitlich hat es geschneit. Wenn der Winter noch zulegt, werden bald Skitouristen in Kirchhundem Quartier nehmen und die Pisten des nahen Hochsauerlandes erkunden. Am Horizont die ersten weißen Flecken auf dem grünen Saum.

 

Ein Beitrag von:

  • Heike Freimann

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