Meyer Werft – und welche deutschen Schiffsbauer gibt es sonst noch?
Aida baut künftig in Italien – ein Dämpfer für die Meyer Werft, aber kein Untergang für den deutschen Schiffbau. Vom Kreuzfahrtriesen bis zur Hightech-Yacht: Deutschlands Werften zeigen ihre Stärken in Nischen, Technik und Innovation.

Die Meyer Werft ist mit Abstand der bekannteste deutsche Schiffsbauer, doch was hat Deutschland sonst noch zu bieten?
Foto: PantherMedia / Nightman1965
Die Nachricht kam überraschend: Nach neun Aufträgen für die Papenburger Meyer Werft lässt die Rostocker Reederei Aida Cruises ihre nächsten beiden Kreuzfahrtschiffe bei der italienischen Fincantieri-Werft bauen. Es ist das erste Mal, dass die Kreuzfahrtmarke, eine Tochter der amerikanischen Carnival Corporation, für Neubauten den Kurs wechselt. Die Entscheidung zeigt die Herausforderungen im globalen Schiffbaumarkt – und für die deutschen Werften.
Inhaltsverzeichnis
Traditionsbetrieb für Kreuzfahrtschiffe: Die Meyer Werft
Die Meyer Werft in Papenburg steht wie kaum ein anderes Unternehmen für den deutschen Kreuzfahrtschiffbau. Seit mehr als 230 Jahren wird an der Ems Schiffbau betrieben, heute mit rund 3.300 Beschäftigten. Die Werft hat mit der AIDAnova 2018 das weltweit erste Kreuzfahrtschiff mit LNG-Antrieb abgeliefert und damit neue Maßstäbe gesetzt.
Trotz voller Auftragsbücher steht das Familienunternehmen unter Druck. Während der Corona-Krise wurden Aufträge storniert, und eine Finanzierungslücke in Milliardenhöhe drohte die Werft ins Schlingern zu bringen. Der Bund und das Land Niedersachsen stützten das Unternehmen mit einer Beteiligung von 80 Prozent. Inzwischen liegt der Auftragsbestand der Meyer Werft wieder bei rund 11 Milliarden Euro – unter anderem mit Neubauten für Disney Cruise Line, Carnival Cruise Line und Spezialschiffen.
Internationale Konkurrenz und der Faktor Finanzierung
Warum also verliert die Meyer Werft trotz dieser Erfolgsbilanz den Zuschlag für zwei neue Aida-Schiffe? Die Antwort liegt nicht in fehlender Kompetenz, sondern in der Finanzierung: Der Bau eines Kreuzfahrtschiffs kostet mehrere Milliarden Euro – bezahlt wird der Betrag zum Großteil (etwa 80%), aber erst bei der Ablieferung. Das heißt, die Werften müssen vorfinanzieren. Das ist eine enorme Belastung – denn selbst die größten Werften haben solche Summen natürlich nicht in der Portokasse, sondern müssen dafür Kredite aufnehmen.
Fincantieri, die italienische Konkurrenz, ist wie auch die französische Werft Chantiers de l’Atlantique mehrheitlich in staatlicher Hand. Diese Strukturen erlauben oftmals günstigere Konditionen bei Bürgschaften und Zwischenfinanzierungen. In einem Markt, in dem es um Milliarden geht, kann das entscheidend sein.
Weitere Werften in Deutschland: ein Überblick
Neben der Meyer Werft gibt es zahlreiche weitere Schiffbauer in Deutschland. Vom Familienbetrieb über Mittelständler bis zur Großwerft ist alles dabei. Dazu zählen unter anderem:
- Lürssen (Bremen, Hamburg, Kiel): Die Lürssen-Werft ist international eine feste Größe beim Bau von Luxusyachten, Marineschiffen und Spezialschiffen. Das Unternehmen hat sich durch hochspezialisierte Fertigung, diskreten Umgang mit Kunden und moderne Technologien einen erstklassigen Ruf erarbeitet. Lürssen baute einige der größten und teuersten Privatyachten der Welt – etwa die „Azzam“ oder die „Dilbar“ – und beliefert zugleich Marinen mit Fregatten und Patrouillenbooten. Neben dem Hauptsitz in Bremen betreibt Lürssen Werftstandorte in Hamburg und Kiel und ist durch Zukäufe weiter gewachsen.
- Abeking & Rasmussen (Lemwerder): Die Werft an der Weser baut seit 1907 Schiffe in kleiner Stückzahl – vom Behördenfahrzeug über Forschungsschiffe bis zu High-End-Yachten. Erwähnenswert ist der technologische Anspruch: A&R ist bekannt für seine neuartige Leichtbauweise, Hybridantriebe und große Präzision. Auch militärische Boote wie Minenabwehrfahrzeuge oder Patrouillenboote gehören zum Angebot. Das Unternehmen beschäftigt rund 1.200 Mitarbeiter und versteht sich als Hightech-Manufaktur im Schiffbau.
- Fassmer (Berne): Fassmer ist ein familiengeführtes Unternehmen mit langer Geschichte. Die Werft baut Schiffe für die Küstenwache, Umweltbehörden und Forschungseinrichtungen, darunter für internationale Kunden. Bekannt ist Fassmer etwa durch den Bau des deutschen Forschungsschiffs „Atair“, das erste LNG-betriebene Behördenschiff Europas. Auch im Fährverkehr ist Fassmer aktiv, insbesondere für Inselverbindungen und innerstädtische Mobilität. Zudem entwickelt Fassmer Rettungsboote, etwa für die Deutschen Seenotretter.
- Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG): Gegründet 1872 erlebte die FSG in den vergangenen Jahren eine unruhige Geschichte mit mehreren Eigentümerwechseln und finanziellen Schwierigkeiten. Nach der Übernahme durch die Tennor Holding (Lars Windhorst) versuchte man den Neustart mit einem Fokus auf RoRo-Frachter (Roll-on/Roll-off) und Marineschiffe. Heute will sich die FSG als Spezialanbieter für militärische Logistik- und Versorgungsschiffe sowie Offshore-Schiffe positionieren. Die Werft verfügt über moderne Dock- und Produktionsanlagen und strebt den Ausbau des Exportgeschäfts an.
- Peters Werft (Wewelsfleth): Die Peters Werft ist eine kleine, aber traditionsreiche Werft an der Stör bei Itzehoe. Gegründet 1871 hat sie sich heute vor allem auf Umbauten, Modernisierungen und Reparaturen von Küstenschiffen, Passagierfähren und historischen Schiffen spezialisiert. Mit rund 100 Beschäftigten ist sie ein Beispiel für mittelständisches Handwerk im maritimen Bereich. In den vergangenen Jahren wurden auch mehrere hybride Antriebsprojekte für Binnenschiffe realisiert.
- Lloyd Werft (Bremerhaven): Die Lloyd Werft von 1857 ist heute Teil der NVL Group (Naval Vessels Lürssen) und konzentriert sich auf Umbauten, Refit und Instandhaltung großer Schiffe – von Kreuzfahrtschiffen über Forschungsschiffe bis zu Yachten. Nach der Insolvenz der MV Werften war ihre Zukunft lange ungewiss, inzwischen ist sie fester Bestandteil der Lürssen-Gruppe und gilt als Spezialist für anspruchsvolle Großprojekte. Zudem wird die Werft gelegentlich für den Marineschiffbau eingesetzt.
Deutsche Marine-Werften: Eine strategische Industrie
Während Schiffbauer wie die Meyer Werft sich auf Kreuzfahrtschiffe spezialisiert haben, andere Werften auf Forschungs- oder Rettungsschiffe sowie Fähren setzen, gibt es auch Unternehmen, die ausschließlich im militärischen Bereich arbeiten. Der militärische Schiffbau nimmt in Deutschland eine Sonderrolle ein. Dabei geht es nicht nur um industrielle Wertschöpfung, sondern auch um sicherheitspolitische Relevanz. Vier Werften stechen besonders hervor:
- Blohm+Voss (Hamburg): Einst eine der berühmtesten Werften Deutschlands, war Blohm+Voss unter anderem Erbauer der „Bismarck“. Heute gehört die Werft zur Lürssen-Gruppe und konzentriert sich auf Modernisierungen und Instandsetzungen von Marineschiffen sowie auf den Umbau großer Yachten. Das Dock in Hamburg gehört zu den größten Europas und ist regelmäßig Anlaufpunkt für Marineschiffe aus aller Welt.
- Kröger Werft (Schacht-Audorf bei Rendsburg): Die Kröger Werft gilt als Geheimtipp unter den deutschen Werften. Sie gehört zur Lürssen-Gruppe und hat sich auf kleinere Marineschiffe, Patrouillenboote und Spezialaufträge konzentriert. Die Werft agiert meist im Hintergrund, ist aber für ihre hohe Qualität bekannt – insbesondere bei Prototypen oder Pilotprojekten.
- Lürssen Naval Vessels (NVL Group): Die NVL Group ist das militärische Standbein von Lürssen und umfasst verschiedene Werftstandorte. Sie beliefert die Deutsche Marine sowie ausländische Marinen mit Fregatten, Korvetten und Spezialschiffen. Auch Ausbildungsschiffe, Tender und Hightech-Kommandoschiffe gehören zum Portfolio. In der NVL-Gruppe sind Kompetenzen aus verschiedenen Werften gebündelt, was kurze Entwicklungszeiten und große Fertigungstiefe ermöglicht.
- Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS, Kiel): TKMS ist Deutschlands führender Anbieter für militärischen Schiffbau. 1838 als “Maschinenbau und Eisengießerei Schweffel & Howaldt” gegründet, liegt der Schwerpunkt heute auf U-Booten (etwa der Klasse 212) und modernen Überwasserschiffen wie Fregatten und Korvetten. Besonders die U-Boot-Technologie mit Außenluft-unabhängigen Antrieben gilt weltweit als führend. Die Werft in Kiel spielt eine zentrale Rolle für die nationale und internationale Sicherheitspolitik – TKMS liefert unter anderem an Norwegen, Israel, Ägypten und Singapur. Der geplante Zusammenschluss mit der Lürssen-Gruppe wurde 2021 wieder verworfen, doch Kooperationen bestehen weiter.
Die Zukunft für Meyer Werft und Co.
Der deutsche Schiffbau ist ein Markt voller Nischen und Spezialisierungen. Während Großaufträge für Kreuzfahrtriesen auch für etablierte Unternehmen wie die Meyer Werft nur noch schwierig zu finanzieren sind, eröffnen sich in anderen Bereichen Chancen: Forschungsschiffe, Offshore-Plattformen, Spezialantriebe oder emissionsfreie Fähren sind Segmente mit Wachstumspotenzial.
Besonders gefragt sind Lösungen für nachhaltige Schiffsantriebe – ein Feld, auf dem deutsche Schiffbauer wie die Meyer Werft oder Fassmer eine Vorreiterrolle spielen. Denn der Verlust der Aida-Aufträge ist für die Meyer Werft zwar ein Dämpfer – aber kein Kursverlust. Entscheidend für die Zukunft wird sein, wie Werften, Politik und Industrie gemeinsam neue Wege finden: weg von der reinen Größe der Schiffe – hin zu Spezialanfertigungen, Nachhaltigkeit und technologischem Fortschritt.
Übersicht in Tabellenform
Werft | Standort(e) | Mitarbeiterzahl | Spezialisierung | Besonderheiten |
Meyer Werft | Papenburg, Rostock | ca. 3.300 | Kreuzfahrtschiffe, Spezialschiffe | LNG-Antrieb, höchste Auftragslast (11 Mrd. €) |
Lürssen/NVL Group | Bremen, Hamburg, Kiel, Lemwerder | ca. 2.800 | Yachten, Marineschiffe, Patrouillenboote | Größte Yachten der Welt, Betreiber von Blohm+Voss |
TKMS (Thyssenkrupp Marine) | Kiel | ca. 3.000 | U-Boote, Fregatten, militärischer Schiffbau | Weltmarktführer bei außenluftunabhängigen U-Booten |
Fassmer | Berne | ca. 2.000 | Forschungsschiffe, Küstenwache, Rettungsboote | LNG-Forschungsschiff ‚Atair‘, Serienbau kleiner Einheiten |
Abeking & Rasmussen | Lemwerder | Ca. 1200 | Behörden- & Forschungsschiffe, Yachten | Hightech-Manufaktur, Leichtbau, Hybridantriebe |
Flensburger Schiffbau-Ges. | Flensburg | ca. 330 | RoRo-Frachter, militärische Versorgungsschiffe | Nach Restrukturierung auf Spezialmärkte fokussiert |
Lloyd Werft (NVL) | Bremerhaven | ca. 300 | Refit, Umbauten, Spezialprojekte | Teil der NVL Group (militärisch und zivil) |
Kröger Werft (NVL) | Schacht-Audorf (Rendsburg) | ca. 350 | Kleine Marineschiffe, Prototypen | Fertigung für Bundesmarine, hohe Diskretion |
Blohm+Voss (NVL Group) | Hamburg | ca. 500 | Marineschiffe, Instandhaltung, Refit | Traditionswerft, heute Teil der NVL-Gruppe |
Peters Werft | Wewelsfleth | ca. 100 | Reparaturen, Modernisierungen, Hybrid-Binnenschiffe | Regionaler Mittelstandsbetrieb mit Innovationsbezug |
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