Meyer Werft verliert Aida-Aufträge: Was steckt dahinter?
Nach neun Aufträgen für die Papenburger Meyer Werft lässt die Rostocker Reederei Aida Cruises zwei Neubauten bei Fincantieri in Italien bauen.

Die AIDAdiva wurde einst von der Meyer Werft gebaut, die beiden nächsten Kreuzfahrtschiffe der Reederei wurden allerdings bei der italienischen Werft Fincantieri bestellt.
Foto: AIDA Cruises / Michel Verdure
Die Rostocker Reederei Aida Cruises erweitert ihre Flotte um zwei auf 13 Schiffe. Während der internationalen Branchenmesse „Seatrade Cruise Global“ in Miami verkündete das Tochterunternehmen des US-amerikanischen Kreuzfahrtkonzerns Carnival Corporation den Bau von zwei neuen Schiffen für jeweils bis zu 4200 Passagiere, die im Frühjahr 2030 und Winter 2031/2032 in Dienst gestellt werden sollen.
Die noch namenlosen Neubauten bilden nach Angaben des Aida-Chefs Felix Eichhorn „eine völlig neue Schiffsklasse“. Sie soll zwischen der 300 m langen AIDAprima und der 337 m langen AIDAcosma – das jüngste Schiff der Reederei – rangieren. Details gab Eichhorn nicht preis. Neu soll vor allem das Antriebskonzept mit Multi-Fuel-Motoren sein, die auch CO2-neutrale E-Fuels verwenden können. Den bislang offiziell nicht genannten Stückpreis beziffern Branchenkenner auf rund 1 Mrd. €.
Inhaltsverzeichnis
- Meyer Werft trägt Entscheidung mit Fassung
- Vorfinanzierung von Milliarden-Aufträgen birgt hohes Risiko
- Meyer Werft verfügt über Auftragsbestand von 11 Mrd. €
- Ein kleines und ein großes Kreuzfahrtschiff pro Jahr
- Aida-Neubauten setzen weltweite Maßstäbe
- Schon einmal wurde eine Aida nicht bei der Meyer Werft gebaut
Meyer Werft trägt Entscheidung mit Fassung
Nach neun Aufträgen für die Meyer Werft in Papenburg hat die Konzernmutter Carnival mit den beiden Neubauten erstmals zwei Aida-Schiffe bei der italienischen Fincantieri-Werft bestellt. Dort lässt die weltweit führende Kreuzfahrt-Gruppe bereits drei Schiffe einer neuen Klasse mit bis zu 3000 Kabinen für rund 8000 Passagiere bauen.
Die Schiffbauer an der Ems trugen die Entscheidung ihres bisherigen Stammkunden zumindest nach außen hin mit Fassung. Ein derartiger Werftwechsel sei im Schiffbaumarkt durchaus üblich, sagte ein Werft-Sprecher auf Nachfrage. Bei der Vergabe von Aufträgen in solchen Größenordnungen spielten finanzielle Aspekte unter Umständen eine größere Rolle als technische Argumente.
Vorfinanzierung von Milliarden-Aufträgen birgt hohes Risiko
Beim Bau eines neuen Kreuzfahrtschiffes werden etwa 80 % des Auftragswertes erst bei der Ablieferung gezahlt. Fincantieri ist genau wie die ebenfalls auf Kreuzfahrtschiffe spezialisierte französische Werft Chantiers de l’Atlantique seit Langem mehrheitlich in staatlichem Besitz. Unter Umständen können solche Unternehmen auf andere Konditionen für Bürgschaften und eine Bauzeitfinanzierung zugreifen als andere Schiffbaubetriebe.
Die immensen Summen für die Vorfinanzierung von Milliardenaufträgen wären der Meyer Werft im vergangenen Jahr beinahe zum Verhängnis geworden. Üblicherweise werden neue Aufträge teilweise aus den Zahlungen für aktuelle Ablieferungen finanziert. Nachdem als Folge der Corona-Krise mehrere Aufträge storniert worden waren, geriet das 230 Jahre alte Familienunternehmen in eine Liquiditätslücke, die der Bund und das Land Niedersachsen durch eine Beteiligung in Höhe von 80 % schlossen.
Meyer Werft verfügt über Auftragsbestand von 11 Mrd. €
Zur Vorfinanzierung der inzwischen eingeworbenen Neubauaufträge fehlten der Meyer Werft seinerzeit 2,7 Mrd. €, um das inzwischen wieder gefüllte Orderbuch abzuarbeiten. Mit der 228 m langen Asuka III für die japanische Reederei NYK hatten die Papenburger bereits 2021 während der Pandemie als erste Werft weltweit wieder einen Neubauauftrag für ein Kreuzfahrtschiff erhalten.
Zu dem Zeitpunkt standen aus der Vor-Corona-Zeit noch drei Aufträge der Disney Cruise Line auf der Bauliste, im August reichte der Entertainment-Konzern vier weitere Großaufträge nach, die bis 20231 abgearbeitet werden sollen. Zusammen mit vier geplanten Konverter-Plattformen, einem Forschungsschiff und weiteren Projekten verfügt die Werft damit über einen Auftragsbestand im Wert von 11 Mrd. €.
Ein kleines und ein großes Kreuzfahrtschiff pro Jahr
Die Abwicklung der Aufträge ist für die Werft auch eine Planungsfrage – die Kapazität des Unternehmens an der Ems erlaubt es rechnerisch, pro Jahr ein großes und ein kleines Kreuzfahrtschiff zu bauen. Theoretisch hätte die Meyer Werft noch Platz für die beiden jüngsten Aufträge der Carnival Corporation gehabt, bestätigte der Sprecher. Kreuzfahrtkenner gehen aber davon aus, dass Meyer bereits mit anderen potenziellen Kunden über weitere Aufträge spricht.
Derzeit arbeiten die 3400 Beschäftigten noch an zwei Kreuzfahrtschiffen für den Carnival-Konzern. Die jeweils 337 m lange und 42 m breite Carnival Festivale und Carnival Tropicale bieten bis zu 6500 Passagieren Platz. Sie sind die letzten zwei von einer Reihe von elf Schiffen, die in Papenburg für die Carnival-Töchter Aida, Costa, P&O sowie für Carnival selbst gebaut wurden.
Aida-Neubauten setzen weltweite Maßstäbe
Mit dem Typschiff dieser Reihe hatte die Meyer Werft Maßstäbe für die Kreuzfahrtbranche weltweit gesetzt. Die 2018 abgelieferte AIDAnova war das erste Kreuzfahrtschiff, das vollständig mit verflüssigtem Erdgas (LNG) angetrieben werden konnte. Das von Meyer mit Caterpillar-MAK entwickelte Antriebskonzept bestand aus vier Dual-Fuel-Motoren mit jeweils 15.400 kW Leistung, die auf Generatoren mit einer Gesamtleistung von 61.700 kW wirkten. Die damit erzeugte elektrische Energie wurde von zwei jeweils 18.500 kW starken Elektromotoren in Vortrieb umgesetzt.
Auch die nun an Fincantieri vergebenen Aida-Neubauten sollen Maßstäbe für die Kreuzfahrtindustrie setzen. Nach Angaben der Reederei werden beide Schiffen einen sogenannten Multi-Fuel-Antrieb bekommen, in dem neben LNG und herkömmlichem Marinediesel auch alternative Kraftstoffe wie Bio- und E-Fuels verwendet werden können. Details nannte die Reederei bislang nicht. Aus den Erfahrungen mit der AIDAnova dürften die Rostocker aber noch wissen, dass die Entwicklung neuer Antriebe mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. Neben den technischen Aufgabenstellungen sind dabei auch zahlreiche rechtliche Fragen zu klären. Für die AIDAnova mussten seinerzeit sogar die internationalen Solas-Regeln (Safety of Live at Sea) geändert werden, die bis dahin den Einsatz von LNG verboten.
Schon einmal wurde eine Aida nicht bei der Meyer Werft gebaut
Der Auftrag für Fincantieri ist der zweite in der Geschichte von Aida, der nicht an die Meyer Werft vergeben wurde. 2011 hatte die Carnival Corporation bei der japanischen Mitsubishi Heavy Industries auf der Tategami-Werft in Nagasaki die 299 m langen Schwesterschiffe AIDAprima und AIDAperla bestellt. Angeblich hatten die Japaner den Auftrag gewonnen, weil sie zugunsten der Beschäftigungssicherung für die Werft auf einen Gewinn verzichteten und deutlich billiger als die Meyer Werft angeboten hatten.
Augenscheinlich fehlte der Werft jedoch die notwendige Erfahrung für den komplexen und komplizierten Bau von Kreuzfahrtschiffen. Die AIDAprima wurde erst 2016 mit zwei Jahren Verspätung abgeliefert. Ein Jahr später musste der damalige Mitsubishi-Chef Shunichi Miyanaga nach der Fertigstellung der AIDAperla einräumen, dass das Unternehmen mit beiden Schiffen einen Gesamtverlust von mindestens 1,8 Mrd. $ gemacht hatte.
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