Mit innovativen Sensoren Kollisionen im Straßenverkehr vermeiden
Schwere Autounfälle ereignen sich oft bei Dunkelheit. Ingenieurinnen und Ingenieure wollen solche Risiken künftig verringern – mit einer Idee aus dem Tierreich.
Obwohl nur rund 25% aller Autofahrten nach Einbruch der Dunkelheit stattfinden, ereignen sich fast die Hälfte der tödlichen Unfälle nachts. Da Fahrzeuge immer fortschrittlicher und sogar in Teilen autonom werden, sind Ingenieurinnen und Ingenieure gefragt, um Technologien zur Minimierung des Unfallrisikos weiterzuentwickeln. Viele der aktuell verbauten Systeme sind kompliziert, ressourcenintensiv oder funktionieren schlecht im Dunkeln. Oder sie benötigen viel Energie. Deshalb haben Forschende der Pennsylvania State University einen einfachen, stromsparenden Kollisionsdetektor entwickelt. Basis ihrer Technologie ist das biologische Muster von Insekten, die vermeiden, im Dunkeln gegen Hindernisse zu fliegen.
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Diese Schwächen haben Technologien der Kollisionsvermeidung
Der Hintergrund: Zahlreiche Systeme zur Vermeidung von Kollisionen (Collision Avoidance Systems, CAS) wurden bereits in Autos integriert, um Fahrerinnen und Fahrer zu unterstützen. Sie warnen optisch und akustisch oder bremsen automatisch, falls ein Objekt zu nahe kommt. Einige Tools analysieren Bilddaten der Umgebung. Aber bei ungünstigen Bedingungen wie starkem Regen, Nebel oder schwachem Licht ist das Bild oft nicht aussagekräftig genug. Um dieses Defizit auszugleichen, nutzen Hersteller komplizierte Signalprozessoren zur Verarbeitung und zur Interpretation. Andere Firmen setzen entweder auf Radar- oder LiDAR-Sensoren (Light Detection and Ranging). Sie lassen sich allerdings nur mit einigem Aufwand verkleinern und benötigen viel Strom.
Insekten dagegen können Kollisionen leicht vermeiden, ohne sich auf Software oder LiDAR-Sensoren zu verlassen, selbst nachts. Wie kann das sein? Heuschrecken oder Fliegen haben im Körper hoch spezialisierte neuronale Schaltkreise, die Daten von Sinnesorganen erfassen und analysieren. Das brachte Saptarshi Das von der Pennsylvania State University auf eine Idee: Biologische Strukturen aus dem Tierreich könnten sich eignen, um CAS der nächsten Generation zu entwickeln. Sie sollen zuverlässig sein, aber auch wenig Platz und vor allem wenig Energie beanspruchen.
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Mit innovativer Hard- und Software Kollisionen vermeiden
Zunächst entwarf das Team einen Algorithmus, der auf neuronalen Schaltkreisen von Insekten basiert. Anstatt das gesamte Bild der Fahrzeugumgebung zu analysieren, verarbeiteten sie nur eine Variable: die Intensität der Scheinwerfer eines Autos. Der innovative Sensor hat acht lichtempfindliche Memtransistoren (Memory Transfer Resistoren). Das sind neuartige Komponenten, die Funktionen verschiedener Bauteile zur Datenverarbeitung und -speicherung vereinen. Die Memtransistoren bestehen aus einer Schicht Molybdändisulfid und werden auf einem Schaltkreis angeordnet. Sie benötigen im Experiment nur die vernachlässigbare Fläche von 40 Quadratmikrometern und brauchen nur wenige hundert Picojoule Energie – zehntausendmal weniger als kommerziell erhältliche Systeme.
Diese Einheit zur Erkennung und zur Verarbeitung von Bilddaten verzichtet auf eine Onboard-Kamera und einen Bildsensor. Der Detektor sei kleiner und energieeffizienter, verglichen mit etablierten Systemen, schreiben die Forschenden. Erste Tests zeigen: Der Detektor erkennt in realen, nächtlichen Szenarien einen potenziellen Unfall mit zwei Autos zwei bis drei Sekunden vor dem Crash, sodass der Fahrer genügend Zeit hätte, um schnell noch einzugreifen. Außerdem könnte der Sensor Assistenzsysteme verbessern.
Großer Bedarf an Technologien zur Vermeidung von Kollisionen
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rechnen mit großem Interesse. Das liegt nicht nur an technischen Gründen. Eine Umfrage hat nämlich gezeigt, dass rund 18% aller Personen, die bei Kollisionen verletzt worden sind, nicht ausreichend auf den Verkehr geachtet haben – bei unbekannt hoher Dunkelziffer. An der Befragung hatten 1.378 Patientinnen und Patienten aus Kanada teilgenommen. Sie mussten sich in Krankenhäusern aufgrund ihrer Verletzungen behandeln lassen.
Nahezu alle Befragten – 99,7 % – gaben an, in den letzten zwölf Monaten abgelenkt gefahren zu sein: meist durch Gespräche, aber auch durch das Einstellen von Entertainment-Systemen an Bord. Essen und Trinken kamen als Risikofaktoren mit hinzu. Besonders häufig steckten aber Mobiltelefone hinter der Unachtsamkeit, trotz bekannter Verbote. Genau hier sehen Ingenieurinnen und Ingenieure der Pennsylvania State University eine große Chance. Systeme zur Vermeidung von Kollisionen könnten nicht nur warnen, sondern bei mangelnder Wachsamkeit über autonome Notbremsassistenten das Fahrzeug stoppen: auch bei widrigen Wetterverhältnissen.
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