Mit Punktwolken sollen Autos autonom und sicher navigieren
Das Start-up Artisense will mit einer neuen Software einen Standard setzen für das autonome Fahren. Die Gründer setzen auf Punktwolken statt auf fotorealistische 3-D-Aufnahmen mit GPS-Unterstützung.
Damit ein Auto sicher und autonom durch eine Stadt fahren kann, sind viele Komponenten nötig, von denen zahlreiche miteinander vernetzt sein müssen. Bisher reichten sie vom GPS-Signal über sensible Sensoren bis hin zu großen Bilddateien und entsprechender Hardware. Ein Start-up aus München schickt sich nun an, der Branche zu zeigen, dass es auch anders geht – und vor allem günstiger. Die Lösung von Artisense lautet: 3-D-Punktwolken reichen völlig aus, damit ein Fahrzeug voll automatisiert fahren kann.
Geringe Datenmengen trotz 3-D-Karten
Fahrzeuge und Roboter sollen künftig sehen lernen – so die Vision der Firma Artisense. Das wollen die Software-Experten des Unternehmens mit einer eigens programmierten Software möglich machen. Sie erstellt durch spezielle Algorithmen ganz neue 3-D-Karten. Der Aufwand und die Datenmengen dafür seien viel geringerer als bei fotorealistischen 3-D-Aufnahmen, welche die Wettbewerber als Basis verwenden. Laut Artisense könne deswegen auch auf teure Hardware verzichtet werden.
Fotorealistische Darstellungen sind für das menschliche Auge wichtig, ein Roboter benötigt viele der Details jedoch nicht. Ihm reicht ein komplettes Straßenbild aus einzelnen Punkten in einer 3-D-Wolke zur Orientierung völlig aus. „Künstliche Intelligenz ermöglicht dabei eine dynamische 3-D-Kartierung und Lokalisierung der Karte in Echtzeit“, erklärt Till Kästner, Mitgründer von Artisense. In anderen Worten: Während das Auto durch die Straßen fährt, werden Kamerabilder ebenfalls in Punkte umgewandelt und das Auto gleicht die Umgebung mit den vorliegenden Punkte-Karten ab. So kann es auch auf unvorhergesehene Hindernisse reagieren. „Maschinen sollen ihre Umgebung wie Menschen als dreidimensionale Umgebung sehen und sich in ihr punktgenau lokalisieren können“, erklärt Kästner. Das Fahrzeug benötigt daher weder ein GPS-Signal noch einen besonders leistungsstarken Rechner, der alle Informationen verarbeitet und das Fahrzeug auf komplexen Karten verortet. „Die Berechnungen unserer 3-D-Karten schafft auch ein herkömmlicher Computer“, sagt Kästner. Und der lässt sich natürlich viel platzsparender im Auto unterbringen. Unterstützung erhält das Unternehmen aus der Forschung. Daniel Cremers von der Technischen Universität München, Lehrstuhlinhaber für Computer Vision und Künstliche Intelligenz, ist Mitbegründer von Artisense und hat für das Unternehmen ein internationales Forschungs- und Entwicklungsteam zusammengestellt.
Till Kästner erklärt, was Artisense von Mitbewerbern unterscheidet:
Berlin wird als Pilotprojekt kartografiert
Der erste Stufe des Praxistests läuft gerade. In Berlin ist eine Flotte von 10 Artisense-Fahrzeugen unterwegs und erfasst den Großraum der Hauptstadt kartografisch. Bis März soll diese Pilotphase mit der 3-D-Kartierung abgeschlossen sein. „Wir sind zufrieden. Pro Tag legen wir rund 400 Kilometer auf den Straßen Berlins mit unseren Fahrzeugen zurück“, sagt Kaestner. Insgesamt ist das Berliner Straßennetz etwa 5.400 Kilometer lang. Entsprechend aufwändig ist diese Vorbereitungsphase. Die Fahrzeuge von Artisense sind übrigens gekennzeichnet. Während der Kartografierung werden zwar auch Kfz-Kennzeichen oder personenbezogene Daten wie Gesichter aufgenommen. Über Datenschutz müssen sich die Bewohner und Besucher der Stadt dennoch keine Sorgen machen. Solche Details der Aufnahmen sind nach der Datenverarbeitung nicht mehr erkennbar und für die 3-D-Karte auch irrelevant.
Bislang sei die Qualität der Sensordaten sowie der 3-D-Rekonstruktionen viel versprechend. Ziel ist es, die Kartografierung Berlins weitgehend lückenlos abzuschließen. Danach wollen die Software-Experten mit den erfassten Sensordaten weiter an der konkreten Anwendung arbeiten. An diesem Pilotprojekt beteiligen sich auch Firmen wie Siemens, der kanadische Hersteller von Flugzeugen und Schienenfahrzeugen Bombardier sowie das Recycling-Unternehmen Alba.
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