Nach Kopenhagen kreuzungsfrei auf der Fahrrad-Autobahn
Eigentlich ist die „Schlange“ noch gar nicht freigegeben – und doch herrscht schon reger Radverkehr auf der Stadtautobahn für Radler. Kopenhagen investiert seit Jahrzehnten systematisch in seine Infrastruktur. 26 Fahrrad-Schnellwege sind geplant.
„To copenhagenize“ ist ein Wort, das in der Fahrradfahrerszene und dort vor allem den Stadtplanern leicht über die Lippen kommt. Kopenhagen gilt als das Vorbild für die systematische Förderung des Fahrradverkehrs und alle, die den Dänen auf diesem Gebiet nacheifern, „kopenhagenisieren“ eben. Fleißig arbeiten die Kopenhagener Stadtplaner am Ziel, bis Ende 2015 die weltbeste Fahrradstadt zu werden.
Das geht sogar so weit, dass Ingenieure des berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) einen nachrüstbaren Pedelec-Antrieb konstruiert haben, der sich „Copenhagen Wheel“ nennt. Die rote Scheibe wurde auf der Weltklimakonferenz in Kopenhagen vorgestellt und enthält Motor, Akku, Gangschaltung, Drehmomentsensor und GPS. Die Hightech-Scheibe, die wirklich die gesamte Technik samt Akku enthält, wird einfach an der Hinterradnabe des Fahrrads angebaut.
Täglich werden in der dänischen Hauptstadt 1,27 Millionen Kilometer mit dem Rad zurückgelegt. Wenn man die Radfahrer in der Region dazurechnet, pendeln hier mehr Menschen mit dem Rad, als in den ganzen USA mit dem Rad zur Arbeit fahren. In Kopenhagen sind die Ziele jedoch noch höher gesteckt: Bis 2015 soll der Anteil der Radfahrer an den Pendlern auf 50 Prozent steigen. Ein erster Schritt dahin ist die neue „Fahrrad-Autobahn“ zwischen Kopenhagen und dem Vorort Albertslund.
Geplant ist ein Netzwerk aus 300 Kilometern Fahrrad-Highways
Die 22 Kilometer lange asphaltierte Strecke, markiert durch einen orangefarbenen Streifen, soll der Anfang für ein großes Netz von „Super Highways“ für Radfahrer werden. Zwei weitere Fahrrad-Highways sollen noch in diesem Jahr eröffnet werden. Auf insgesamt 26 Strecken werden künftig 300 Kilometer schnelle Radwege zur Verfügung stehen, die Radfahrer zügig in die Stadt bringen.
Vor dem Ausbau der Strecke zwischen Kopenhagen und Albertslund wurden Fahrradfahrer auf Testfahrt geschickt. Die größten Störfaktoren, so die Berichte der Testfahrer, seien rote Ampeln und Kreuzungen gewesen. Nun sind die Ampeln auf der Strecke so geschaltet, dass die Radfahrer per Grüner Welle bevorzugt durchgelassen werden.
Grüne Welle für Radfahrer bei 20 km/h
Die Grüne Welle für Radfahrer gibt es auch im Zentrum von Kopenhagen. Wer mit 20 Kilometern pro Stunde unterwegs ist, darf sich über freie Fahrt freuen. In fast jeder wichtigen Straße gibt es beiderseits der Autofahrbahn bis zu vier Meter breite Radwege und an vielen Kreuzungen können die Radfahrer eigene Unterführungen nutzen.
Kurz vor der Vollendung steht derzeit eine neue Hochtrasse, die den Radfahrern in einer viel befahrenen Gegend der Stadt eine willkommene Abkürzung bieten soll. „Die Schlange“, so heißt der spezielle Radweg, war nötig geworden, um eine Lücke im Radwegnetz zu schließen. Als 2006 eine neue Rad- und Fußgängerbrücke über den Kopenhagener Hafen entstand, die den Stadtteil Vesterbro mit der Insel Brygge verbindet, wurde diese sehr schnell beliebt.
„Die Schlange“ – eine elegante Abkürzung für Fahrradfahrer
Rund 9000 Radfahrer nutzten täglich die Brücke. Allerdings stellte das große Einkaufszentrum auf der Vesterbro-Seite ein Hindernis auf dem weiteren Weg in die Innenstadt dar. Die Radler mussten entweder ihr Rad über eine Treppe tragen, oder einen 800 Meter langen Umweg um das Einkaufszentrum herum machen.
Die neue „Schlange“ schlängelt sich nun elegant von der Brücke kommend am Einkaufszentrum vorbei in die Stadt. Entworfen hat das Fahrradbauwerk das dänische Architekturbüro Dissing + Weitling, gekostet hat es über fünf Millionen Euro. Der zweispurige, vier Meter breite Radweg ist 235 Meter lang und steht auf Pfeilern. Weil er nur als Radweg gedacht ist, reichte eine leichte Bauweise.
Eigentlich ist die „Schlange“ noch gar nicht offiziell freigegeben, aber benutzt wird sie trotzdem schon. Die Radfahrer in Kopenhagen wollen die neue Abkürzung endlich befahren und drücken sich und ihre Räder an den Absperrungen vorbei. „Normalerweise respektieren die Dänen Straßenschilder“, schreibt der Fahrrad-Experte Mikael Colville-Andersen in seinem Blog „Copenhagenize“. „Aber wenn sie gezwungen werden sollen, einen 800 Meter langen Umweg zu fahren, sieht das anders aus.“ Er selbst habe den neuen Radweg auch schon befahren, schreibt Colville-Andersen. „Ich kann sagen, es ist eine neue Art von urbanem Erlebnis.“
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