Nach der Razzia bei Daimler: Ist der Diesel noch zu retten?
Es ist gerade eine Woche her, dass sich Volvo vom Diesel verabschiedet hat, da durchsuchen Staatsanwälte den Daimler-Konzern wegen möglicher Betrügereien im Zusammenhang mit Dieselmotoren. Und Fiat hat eine Klage der US-Behörden wegen seiner Dieselmanipulationen am Hals, die den Konzern viel Geld kosten könnte. Bad News für den Diesel.
Daimler-Chef Dieter Zetsche dürfte genauso überrascht von der Razzia gewesen sein wie Audi-Chef Rupert Stadler, der Mitte März gerade auf dem Podium der Bilanzpressekonferenz in Ingolstadt saß, als die Staatsanwaltschaft die Büros der Vorstandsetage durchsuchte. Einen Tag nach der Grundsteinlegung für eine neue Batteriefabrik in Kamenz wurde auch Daimler durchsucht.
Der Anlass war der selbe: Nach VW und Audi steht nun auch Daimler im Verdacht, die Abgaswerte seiner Dieselmotoren zu manipulieren.
Razzia in sieben Daimler-Standorten in Deutschland
23 Staatsanwälte, unterstützt von 230 Polizisten, durchsuchten Büros an sieben Daimler-Standorten in Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen und Berlin. Sie beschlagnahmten Computer und Akten. Sie ermitteln wegen „des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung im Zusammenhang mit der Manipulation der Abgasnachbehandlung an Diesel-Pkw“.
Die Reaktion der Konzernzentrale war ausgesprochen dünn. Man kooperiere vollumfänglich mit den Behörden. Was denn auch sonst? Ein Dementi ist das nicht.
Für den Ruf der renommiertesten deutschen Hersteller bietet das ein schlimmes Bild. Bei VW ist die Manipulation schon längst bewiesen und vom Konzern eingeräumt, auch Audi hat bewusst manipuliert und steht im Verdacht, sogar die treibende Kraft im VW-Konzern gewesen zu sein.
Schlecht für den Ruf des Diesels
Und jetzt Daimler. Das ist nicht irgendeine Marke. Mercedes ist DIE deutsche Marke, mit der Könige und Regierungschefs vorfahren, die 2016 die Nr. 1 der Premiummarken weltweit war und mit der S-Klasse laut Eigenwerbung das beste Auto der Welt baut. Und diese Marke soll schnöde getrickst haben? Sind Daimler-Ingenieure etwa nicht in der Lage, einen sauberen Diesel zu bauen?
In Testreihen der Zeitschrift auto motor und sport haben die Euro-6-Diesel relativ gut abgeschnitten. Insbesondere die neue E-Klasse war von über 40 getesteten Dieselfahrzeugen das sauberste Modell. Die E-Klasse stößt nur 41 g NOx pro Kilometer aus. Im echten Straßenverkehr wohlgemerkt! Der Grenzwert auf dem Prüfstand, wo optimale und unrealistische Bedingungen herrschen, liegt mit 80 g NOx doppelt so hoch.
Dabei hatte gerade Daimler nach Bekanntwerden des VW-Skandals getönt, dass es solche Manipulationen bei Daimler nicht gibt. „Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipuliert“, versicherte Vorstandschef Zetsche. Offenbar war das nicht die Wahrheit. Umso spannender wird sein, was die Staatsanwälte aus den beschlagnahmten Unterlagen herauslesen werden.
US-Behörde verklagt Fiat Chrysler wegen Manipulationen
Auch Fiat Chrysler muss sich jetzt wie schon VW mit den scharfen US-Behörden auseinandersetzen. Die Umweltbehörde EPA hat Klage gegen den Hersteller eingereicht. Fiat Chrysler soll eine illegale Software in den 104.000 Dieselfahrzeugen mit Dreilitermotoren in den USA einsetzen.
Fiat Chrysler bestreitet weiterhin, solche Software einzusetzen, obwohl die zuletzt sogar von Universitäten gefunden wurde. So hatten IT-Spezialisten der Ruhr-Universität in Bochum in der Software des Fiat 500X eine Art elektronischer Stoppuhr entdeckt, die die Abgasreinigung nach 22 Minuten abschaltet. Abschalten heißt: Fiat-Diesel fahren nach 22 Minuten ohne jede Abgasreinigung. Das hatten zuvor auch schon Messungen des Kraftfahrt-Bundesamtes und der Zeitschrift auto motor und sport nahegelegt.
Dennoch ist es der EU und auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt nicht gelungen, die zuständigen Aufsichtsbehörden in Italien zum Handeln zu bewegen. Die Behörden in Rom attestieren Fiat, dass es keine illegalen Abschalteinrichtungen gibt. Nun könnte die US-Klage helfen, die Sache endlich aufzuklären. Zudem hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien eingeleitet, damit die Behörden endlich gegen Fiat tätig werden.
Renault soll seit 25 Jahren manipulieren
Doch der Skandal dürfte sich noch ausweiten. Denn in Messungen etwa des KBA sind auch andere Hersteller aufgefallen mit extrem hohen NOx-Werten, die darauf schließen lassen, dass bei der Typenzulassung getrickst wurde. So fallen Renault-Diesel dadurch auf, dass sie auf dem Prüfstand sauber sind, im Straßenverkehr aber durch sehr sehr hohe NOx-Werte auffallen.
Auch Renault hatte schon Besuch von Staatsanwälten. Der Vorwurf lautet, dass Renault bereits seit 25 Jahren manipuliert.
Und so verwundert es nicht, dass Volvo keine neuen Dieselmotoren mehr entwickeln wird. Das wird wohl Schule machen.
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