Nachhaltigkeit: Die Schifffahrt wird elektrifiziert
Kreuzfahrtschiffe und Fähren galten lange als Schmuddelkinder der Transportbranche. Jetzt gewinnt die Elektrifizierung zu Wasser an Bedeutung. Eine ganze Branche rüstet sich für künftige Herausforderungen.
Verbraucher werden auch beim Urlaub immer kritischer. Das betrifft nicht nur Flugreisen, sondern auch Kreuzfahrten. Für eine siebentägige Reise mit dem Schiff geben Forscher der University of Syndey 1.555 Kilogramm Kohlendioxid pro Kopf als Emission an. Zum Vergleich: Eine Flugreise nach Mallorca – inklusive Rückflug – setzt 644 Kilogramm des Gases frei. Und wer zwölf Monate in einem Mittelklassewagen unterwegs ist, angesetzt wurden 12.000 gefahrene Kilometer, kommt auf insgesamt 2.000 Kilogramm. Für das Auto gibt es nicht immer Alternativen – für den Urlaub allerdings schon. Die Branche ist unter Druck geraten und arbeitet deshalb an nachhaltigen Lösungen.
Bestes Beispiel ist „Color Hybrid“. Das Schiff wurde von der Werft Ulstein gebaut und ging jetzt an die norwegische Reederei Color Line. „Der Bau des weltweit größten Plug-in-Hybridschiffs entspricht den Ambitionen des Unternehmens, nachhaltige und umweltfreundliche Lösungen für die norwegische Schifffahrt weiterzuentwickeln“, sagt Trond Kleivdal, CEO von Color Line, mit Hinweis auf die Unternehmensstrategie.
Technische Daten des weltgrößten Plug-in-Hybridschiffs
„Color Hybrid“ hat eine Länge von 160 Metern, eine Breite von 27,1 Metern und einen Tiefgang von 6,0 Metern. Das Schiff bietet Platz für 2.000 Passagiere, 100 Besatzungsmitglieder und 500 Autos. Seine Akkus kommen aus dem Hause Siemens. Sie haben ein Gesamtgewicht von etwa 65 Tonnen und liefern bis zu 60 Minuten lang rund fünf Megawattstunden an elektrischer Leistung – bei extrem niedriger Lärmemission. Zum Vergleich: Ein Tesla Model S bietet 100 Kilowattstunden auf. Die Akkus des neuen Schiffs entsprechen also 50 Elektroautos dieser Marke.
Color Line plant, „Color Hybrid“ zwischen dem norwegischen Sandefjord und dem schwedischen Strömstad einzusetzen. Das Schiff wird fjordeinwärts bis zum Fähranleger Sandefjord und fjordauswärts komplett batteriebetrieben laufen. Ansonsten stehen vier Bergen Marine B33:45-Dieselmotoren von Rolls-Royce zur Verfügung. Die Abwärme aller Antriebssysteme wird effizient genutzt, um das Schiff zu heizen. Wie viel Kohlendioxid sich insgesamt einsparen lässt, ist noch nicht bekannt.
Stärkste Elektro-Fähre der Welt
Das neue Kreuzfahrtschiff zeigt einen generellen Trend der Branche: weg vom Diesel, hin zur Elektrifizierung. Vor wenigen Wochen hat bereits die norwegische Reederei Hurtigruten mit der MS Roald Amundsen das weltweit erste hybride Kreuzfahrtschiff in Betrieb genommen. Es soll unter anderem Grönland und Spitzbergen ansteuern. An Bord sind auch hier Verbrennungsmotoren. Überschüssige Energie kommt auf längeren Fahren den Akkus zu Gute.
Elektrische Antriebssysteme eignen sich auch für Fährschiffe. Bereits 2018 wurden die „Tycho Brahe“ und die „Aurora af Helsingborg“ elektrifiziert. Sie verbinden Helsingør in Dänemark mit Helsingborg in Schweden. Für die Strecke von fünf Kilometern benötigen die Schiffe rund 20 Minuten. Anschließend lädt ein Roboterarm die Akkus vollautomatisch in fünf bis neun Minuten wieder auf. Pro Strecke benötigt das Schiff 1.175 Kilowattstunden Strom. Die Gesamtkapazität aller Energiespeicher liegt pro Schiff bei 4.160 Kilowattstunden.
Und damit nicht genug: Im Juni nahm die bislang leistungsstärkste vollelektrische Fähre ihren Dienst auf. Mit 4,3 Megawattstunden hat sie die derzeit größte in einem Schiff verbaute Kapazität an Batterien. Sie legt damit etwa 40 Kilometer zwischen den dänischen Inseln Ærø und Fynshav zurück. Ihr Betrieb soll rund 2.000 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid pro Jahr einsparen.
Auch Yachten werden elektrisch
Selbst vor Luxusschiffen macht der Trend zur Elektrifizierung nicht Halt. Nidec ASI / Nidec Industrial Solutions haben für die Hybrid-Yacht „Wider 165“ Akkus mit einer Kapazität von 544 Kilowattstunden Energie geliefert, und dazu auch das erforderliche Powermanagement entwickelt. Im reinen Elektromodus („Zero Emission“) kann sich das Schiff vier Stunden lang mit bis zu vier Knoten fortbewegen. Daneben sorgt ein Schnelllademodus über die bordeigenen Dieselgeneratoren für volle Akkus. Und im „Boost“-Modus nutzt das Schiff dann beide Energiequellen, um schnell voranzukommen. Dominique Llonch von Nidec ASI und Vorsitzender von Nidec Industrial Solutions, betont, Hybridsysteme seien mittlerweile flexibel genug, um beliebig große Schiffe, Boote oder Fähren anzutreiben.
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