Neue Software simuliert Unfälle für autonome Fahrzeuge
Bei autonomen Fahrzeugen muss sich der Fahrer darauf verlassen können, dass die Software in Gefahrensituationen richtig reagiert. Die TU Graz hat jetzt eine Möglichkeit entwickelt, sicherheitskritische Simulationsszenarien zu verbessern und in großer Zahl einzuspielen.
Autonome Fahrzeuge werden zunehmend auf den Straßen unterwegs sein. Darin sind sich die Verkehrsexperten einig. Schon jetzt gehören automatisierte Systeme zum Bremsen oder Spurhalteassistenten bei vielen hochwertigen Fahrzeugen zur Ausstattung. Dass technisch bereits deutlich mehr möglich ist, zeigen zahlreiche Pilotprojekte. In den USA liefern beispielsweise autonome Kleinwagen Pizza aus, und Mercedes plant Tests mit selbstfahrenden Lkw auf der Autobahn. Aktuell ist es in Deutschland gesetzlich noch nicht erlaubt, im regulären Straßenverkehr autonome Fahrzeuge zu nutzen – es muss immer ein sogenannter Sicherheitsfahrer an Bord sein. Wie schnell sich das ändert, wird sicherlich auch davon abhängen, wie überzeugend die Sicherheit der neuen Fahrzeug-Generation gewährleistet werden kann. Dazu will die Technische Universität Graz mit einer Software beitragen. Sie soll sicherheitskritische Szenarien simulieren – in der Praxis hat das System bereits schwerwiegende Mängel entlarvt.
Mit Ontologien lassen sich die Szenarien vervielfachen
Für ihr Testsystem haben die Grazer Forscher einen Industriepartner an der Seite: Die AVL-Gruppe ist darauf spezialisiert, Antriebssystemen inklusive Simulation und Prüftechnik zu entwickeln. Dass Testfahrten alleine kaum ausreichen, um die Sicherheit der autonomen Fahrzeuge zu garantieren, ist klar. Schließlich fällt der Mensch als regulierender Faktor weg, sodass im Prinzip in jeder Situation klar sein muss, dass die Technik die richtige Entscheidung trifft. „Autonome Fahrzeuge müssten rund 200 Millionen Kilometer gefahren werden, um ihre Zuverlässigkeit – speziell für Unfallszenarien – unter Beweis zu stellen. Das sind 10.000-mal mehr Testkilometer als sie bei herkömmlichen Autos notwendig sind“, sagt Franz Wotawa vom Institut für Softwaretechnologie der TU Graz.
Hinzu kommt ein praktisches Problem: Bei Testfahrten lassen sich Situationen, die für andere Verkehrsteilnehmer potenziell lebensgefährlich sind, nicht darstellen. Das könne nur über Simulationen erfolgen. Die werden natürlich schon eingesetzt und gehören gerade bei autonomen Fahrzeugen standardmäßig zum Entwicklungsprozess der Autohersteller. Doch nach Ansicht der Wissenschaftler reichen diese Simulationen nicht aus. „Die bisherigen Tests decken zwar schon viele Szenarien ab. Doch bleibt immer die Frage stehen, ob das ausreichend ist und an alle möglichen Unfallszenarien gedacht wurde“, sagt Wotawa.
Die Forscher nutzen eine spezielle Methode, um die Zahl der Testszenarien zu vervielfachen: Sie beschreiben die Umgebung autonomer Fahrzeuge mit sogenannten Ontologien. Dabei handelt es sich um Wissensbasen für den Austausch relevanter Informationen innerhalb eines maschinellen Systems. So können beispielsweise Schnittstellen, Verhaltensweisen und Beziehungen einzelner Systemeinheiten miteinander kommunizieren. Beim Beispiel des autonomen Fahrens könnten das die Bereiche „Entscheidungsfindung“, „Verkehrsbeschreibung“ oder „Autopilot“ sein. Faktisch haben die Forscher diese Wissensbasen mit umfangreichen Daten gefüttert, unter anderem mit Details zum Aufbau von Straßen, Kreuzungen, Ampeln und so weiter. Sie bilden die Grundlage, damit ein spezieller Algorithmus daraus Testszenarien generieren kann.
Testreihe zeigte Schwachstellen der autonomen Fahrzeuge auf
Im Rahmen des EU-Projekts AutoDrive haben die Wissenschaftler bereits praktische Testreihen durchgeführt. „Wir haben in ersten experimentellen Versuchen gravierende Schwachstellen von automatisierten Fahrfunktionen aufgedeckt. Ohne diese automatisch generierten Testszenarien wären die Schwachstellen nicht so schnell erkannt worden: 9 von 319 untersuchten Testfällen haben zu Unfällen geführt“, sagt Wotawa. So habe zum Beispiel ein Bremsassistenzsystem Personen, die sich aus verschiedenen Richtungen auf das Fahrzeug zubewegten, nicht gleichzeitig erkannt. Es wurde zwar ein Bremsmanöver eingeleitet, in der Realität wäre eine Person jedoch verletzt worden. „Das heißt, man findet anhand unserer Methode Testszenarien, die man einerseits in der Realität schwer testen kann und die man andererseits vielleicht auch gar nicht im Fokus hat“, ist Wotawa überzeugt.
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