Emissionsarmer Schienenverkehr 18.09.2018, 07:17 Uhr

Neuer Batteriezug bringt Strom auf jede Schiene

Der Schienenverkehr soll emissionsärmer werden. Da aber weite Strecken nicht elektrifiziert sind, arbeiten die TU Berlin und Bombardier an einem Batteriezug, der diese Strecken mit einem eigenen Akku überbrücken kann.

Zug auf Strecke ohne Oberleitungen

Elektrisch fahrende Züge ohne Oberleitungen? Ob das wirtschaftlich und technisch umsetzbar ist, soll das Projekt BEMU klären.

Foto: Bombardier

Rund 40% des deutschen Schienennetzes ist bislang auf den Einsatz von Diesellokomotiven angewiesen, weil es nicht elektrifiziert ist. Als umweltfreundliche Alternative prüft die Technische Universität in Berlin einen Elektrotriebwagen von Bombardier Transportation, der Streckenabschnitte ohne Oberleitung im Batteriebetrieb überbrücken kann. Wir stellen das vom Bundesverkehrsministerium mit 4 Millionen Euro geförderte Forschungsprojekt vor.

Elektromobilität auf deutschen Schienen

Alle großen deutschen Zentren sind untereinander und innerorts schon längst mit elektrisch betriebenen Zügen, U- und S-Bahnen verbunden. Dennoch besitzen etwa 40% der deutschen Schienenstrecken keine Oberleitung. Das betrifft vorwiegend Strecken, die weit in das Land hinein führen und wo die Installation und dauerhafte Unterhaltung von stromführenden Oberleitungen nicht wirtschaftlich ist.

Mit einem batteriebetriebenen Schienenfahrzeug könnten auch die Strecken befahren werden, die über kurze bis mittlere Distanzen aus dem elektrifizierten Bereich herausführen. Der jetzt getestete Akkumulatortriebwagen soll auf Strecken von bis zu 100 Kilometern ohne externe Stromversorgung auskommen. Diese Reichweite ist ausreichend, um typische Nebenstrecken lokaler Verkehrsbetriebe zu bedienen.

Funktionsweise des Batteriezugs von Bombardier

Als Grundlage des neuen Batteriezugs dient die dritte Generation des „Talbot leichter Nahverkehrs-Triebwagen“, kurz Talent, des kanadischen Flugzeug- sowie Zugherstellers Bombardier. Bei Talent handelt es sich um eine Klasse elektrischer Triebzüge, die als S-Bahn, Regional- sowie Fernverkehrszüge ausgestattet und eingesetzt werden können.

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Für den Batteriebetrieb wird der etablierte Elektrotriebwagen zusätzlich mit leichten Lithium-Ionen-Traktionsbatterien ausgestattet. Sie verfügen über einen geplanten Wirkungsgrad von 90%. Verlässt der Triebzug den elektrifizierten Schienenabschnitt, so übernehmen die eingebauten Stromspeicher die Versorgung der Antriebsmotoren. Aufgeladen werden die Batterien bei der Rückkehr in den mit Oberleitungen ausgestatteten Netzbereich. Zusätzlich wird ein Teil der Bremsenergie aufgefangen und ebenfalls zur Aufladung genutzt (Rekuperation).

Für dieses Primove-Batteriesystem bringt Bombardier Transportation Erfahrung aus dem Bereich des innerstädtischen Nahverkehrs mit. Die nun getesteten Systeme sollen jedoch weit größere Streckenabschnitte ohne Elektrifizierung überbrücken.

Der Umfang des Forschungsprojektes BEMU

Mehrere lokale Verkehrsbetriebe, die Technische Universität Berlin und Bombardier Transportation arbeiten für das Forschungsprojekt BEMU zusammen. Die Abkürzung steht für Battery Electric Multiple Unit und beschreibt elektrische Triebzüge, die eine ausreichend große Batteriekapazität aufweisen, um auch größere Streckenabschnitte im Regelbetrieb und ohne Elektrifizierung zu überbrücken.

Den Grundstein für das Forschungsprojekt legte der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt auf der Fachmesse InnoTrans 2016 in Berlin. Er gab Bombardier Transportation, einem etablierten Hersteller von Schienenfahrzeugen für den Nah- und Fernverkehr, die Zusage über einen Projektzuschuss, wenn diese bis Mitte 2018 ein Testfahrzeug für die Forschung bereitstellen. Auf der InnoTrans 2016 wurde auch der Coradio iLint, ein Wasserstoffzug mit Brennstoffzelle von Alstom, vorgestellt, der just in diesen Tagen in den Testbetrieb startete. Mehr zum ersten Wasserstoff-Zug im Linienbetrieb lesen Sie hier.

Der geforderte Prototyp des Batteriezuges hat seine Jungfernfahrt am Stammwerk in Henningdorf ebenfalls erfolgreich unternommen. Jetzt steht er den Forschern der TU Berlin zur Verfügung. Abgeschlossen wird das Projekt mit einem 12-monatigen Testbetrieb, der im Februar 2019 beginnen wird.

Wettbewerbsfähigkeit des Batteriezugs auf dem Prüfstand

Neben der reinen technischen Machbarkeit wird in Berlin auch die ökonomische Seite des Projektes genau untersucht. Dafür arbeiten die Experten vom Fachgebiet für Schienenfahrzeuge und Bahnbetrieb mit den Kollegen vom Fachbereich Methoden der Produktentwicklung und Mechatronik eng zusammen. Sie entwickeln unter anderem Einsatzszenarien für den batteriebetriebenen Fahrbetrieb, anhand derer sie verschiedene Fahrzeit- und Energieverbrauchssimulationen durchführen. Auch die Fahrgäste, Zugführer und anderer vom Testbetrieb Betroffenen werden befragt und die Erfahrungen ausgewertet.

Zur wirtschaftlichen Betrachtung gehört auch die ganzheitliche Umweltbilanz des batteriebetriebenen Elektrozuges. Hierzu wird von der Produktion über den Einsatz bis zum späteren Recycling der ganze Produktzyklus betrachtet. Der zu 90% recyclebare Testzug setzt hier Maßstäbe.

Ausblick auf einen emissionsfreien Bahnverkehr

Der im kommenden Jahr anstehende zwölfmonatige Testbetrieb des Batteriezugs findet voraussichtlich in der Region Alb-Bodensee statt. Das Projekt wird neben der Deutschen Bahn auch von vielen lokalen Verkehrsbetrieben interessiert verfolgt. Sie alle betreiben die eigenen nicht-elektrifizierten Strecken bislang mit Dieseltriebwagen. Beispielhaft sei hier der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) genannt, der vier Nebenstrecken in die sächsische Schweiz, in die Westlausitz und das Osterzgebirge betreibt. Im Rahmen der für 2024 anstehenden Neuvergabe des Netzes ist eine Umstellung auf die neuen, emissionsfreien Batteriezüge sehr gut vorstellbar.

Mit dem jetzt vorgestellten Batteriezug können künftig weite Teile des deutschen Schienennetzes völlig emissionsfrei betreiben werden. Daran arbeitet auch der französische Hersteller Alstom, der am Sonntag den mit Wasserstoff betriebenen Zug Coradia iLint auf die Schiene setzte. „Wenn es gelingt, die Einsatztauglichkeit der Brennstoffzellentechnologie im täglichen Betrieb nachzuweisen, werden wir die Weichen dafür stellen, dass der Schienenverkehr in Zukunft weitestgehend klimafreundlich und emissionsfrei betrieben werden kann“, sagte Niedersachsens Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU). Die nächste Runde für den Wettbewerb auf der Schiene ist damit eingeläutet.

 

Mehr zum Wasserstoffzug mit Brennstoffzelle, der gerade in der Elbe-Weser-Region in den Testbetrieb gestartet ist.

Mit der kartellrechtlichen Einschätzung zu den Fusionsplänen von Siemens und Alstom befasst sich die EU-Kommission erst im Januar 2019. Mehr Informationen zu Alstom gibt es hier.

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Ein Beitrag von:

  • ingenieur.de

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