Neues Nachweismodell für sicheres automatisiertes Fahren
Die Sicherheit von automatisiert fahrendenden Autos ist entscheidend für ihre Verkehrszulassung. Doch wie lässt sich überprüfen, ob ein autonomes System zuverlässig funktioniert? Um diesen Nachweis erbringen zu können, haben 21 Projektpartner ein Modell erarbeitet, das aus verschiedenen Methoden, Verfahren und Werkzeugen besteht.
Der kurze Blick auf das Handy, Unachtsamkeit beim Einparken oder zu schnelles Fahren – menschliches Fehlverhalten ist die häufigste Ursache von Unfällen im Straßenverkehr. Diese Fehler lassen sich jedoch vermeiden, zumindest teilweise. Denn die Technik automatisierter Systeme und Fahrzeuge schreitet immer schneller voran. Die Society of Automotive Engineers (SAE) hat sechs Stufen der Fahrzeugautomatisierung definiert, die von Level 0 (keine Automatisierung) bis zu Level 5 (vollständige Automatisierung) reichen. Inzwischen sind erste Level 3-Systeme (hochautomatisiertes Fahren) für das Autobahnfahren und sogar ein Level 4-System (vollautomatisiertes Fahren) für das fahrerlose Parken zugelassen.
Automatisiertes Fahren: Neue Technik kontrolliert Aufmerksamkeit der Fahrer
Doch mit der Umgebung ändern sich auch die Anforderungen an ein automatisiertes Fahrsystem. Je komplexer das Einsatzgebiet eines Systems ist, desto mehr Faktoren müssen bei der Entwicklung berücksichtigt werden. Das gilt auch für seine Sicherheit. Doch wie kann nachgewiesen werden, ob ein automatisiert fahrendes Auto sicher ist? Was lässt die Entwickler und Hersteller wissen, dass die Fahrfunktion auch die richtige Entscheidung trifft? Um diesen Nachweis erbringen zu können, hat sich die deutsche Automobilbranche in dem Verbundprojekt Verifikations- und Validierungsmethoden (VVM) mit 21 Partnern aus Industrie, Forschungsinstitutionen und Prüfungsgremien zusammengeschlossen und ein entsprechendes Modell erarbeitet, das eine wichtige Grundlage bildet.
Mit automatisierten Fahrsystemen sicher durch den Stadtverkehr
Automatisiertes Fahren im Stadtverkehr stellt eine besondere Herausforderung an das System dar, weil die Umgebung in der Regel deutlich komplexer und dynamischer ist als beispielsweise die einer Autobahn. So sind städtische Gebiete oft durch komplexe Verkehrssituationen gekennzeichnet, einschließlich mehrerer Fahrspuren, Kreuzungen, Ampelsysteme, Verkehrsschilder und verschiedener Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Radfahrer.
„Damit das Fahrzeug in Zukunft auch höchst seltene Szenarien beherrscht, braucht es nachvollziehbare Strukturen und Prozesse, die den sicheren Betrieb eines Systems in Ausnahmesituationen nicht nur ermöglichen, sondern das sichere Manövrieren auch nachweisen können“, sagt Roland Galbas von Bosch, Leiter des VVM-Projekts. Genau hier setzt das Forschungsprojekt an. Das Modell, das aus verschiedenen Verfahren, Methoden und Werkzeugen besteht, bietet eine Grundlage, die es ermöglicht, die Sicherheit von automatisierten Fahrzeugen in komplexen Umgebungen zu testen und schließlich auch zu belegen.
Sicherheitsaspekt entscheidend für die Verkehrszulassung
Als einer der Partner hat sich das Fraunhofer Institut für Experimentelles Software Engineering IESE mit der Frage beschäftigt, wie ein solcher Sicherheitsnachweis für autonome Systeme aussehen könnte. Für die Forschenden stand fest, dass dieser für die verschiedensten Interessensgruppen klar verständlich sein musste.
„Genau das ermöglichen wir durch den VVM-Sicherheitsnachweis, der mittels etablierter Techniken aus dem modellbasierten Systems- und Safety-Engineering gepaart mit adäquater Werkzeugunterstützung für die Goal Structuring Notation (GSN) entwickelt wurde“, sagt Jan Reich vom Fraunhofer IESE. Der technische Nachweis von Sicherheitsstandards ist eine entscheidende Voraussetzung für die Verkehrszulassung automatisierter Systeme und somit auch ein wichtiger wirtschaftlicher Aspekt.
Deutsche Automobilindustrie als Vorreiter beim automatisierten Fahren
Durch das neu entwickelte Nachweismodell stehen erstmals weltweit allen Automobilherstellern dieselben Strukturen bei der Verifikation und Validierung automatisierter Fahrsysteme im städtischen Umfeld zur Verfügung. Diese Vereinheitlichung könnte in Zukunft wiederum zu industrieweiten Standards führen und den Straßenverkehr noch sicherer machen. Ein einheitliches Nachweismodell würde so beispielsweise den Vergleich der Sicherheitsleistung unterschiedlicher automatisierter Fahrzeuge erleichtern. Hersteller und Verbraucher können besser beurteilen, wie gut verschiedene Systeme in Bezug auf Sicherheit abschneiden. Ebenso würde ein solches einheitliches Nachweismodell Klarheit für Regulierungsbehörden schaffen, die Sicherheitsstandards für automatisierte Fahrzeuge festlegen. Auch Kosteneinsparungen würden mit gewissen Standards einhergehen.
Die Weichen für Einsatz von vollautomatisierten Autos auf deutschen Straßen sind jedenfalls schon gestellt. Nach der weltweit ersten Regulierung für vollautomatisiertes Fahren in Deutschland, die im Jahr 2021 mit einem Gesetz in Kraft getreten ist, wurde 2022 eine Verordnung mit den technischen Details beschlossen, um entsprechende Fahrzeuge zulassen und betreiben zu können. Mit dem methodischen Ansatz aus dem VVM-Projekt, der auch industrielle Prozesse berücksichtigt, stärkt Deutschland nochmals seine Position in der Entwicklung von automatisierten Fahrsystemen. „Flankiert durch Regularien gilt für die deutsche Automobilindustrie der Grundsatz, eben nicht nur den schnellsten technologischen Fortschritt auf die Straße zu bringen, sondern jederzeit sichere Fahrzeuge und Systeme bereitzustellen, auf die man sich verlassen kann. Und diese Zuverlässigkeit beginnt bereits in der Entwicklung dieser Systeme“, sagt Mark Schiementz von BMW.
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