Neues Verfahren soll Erosion an Schiffspropellern verringern
Physiker der Universität Magdeburg haben eine neue Oberflächenstruktur entwickelt. Sie soll es mechanischen Kräften der Wasserströmungen erschweren, Materialien wie Stahl oder Silber anzugreifen. Erosion ließe sich damit minimieren.
Wenn Schiffe ins Trockendock kommen, sehen sie von unten meistens verheerend aus. Vor allem Schiffsschrauben und Turbinen befinden sich oft optisch in einem desolaten Zustand. Die Oberflächen sind angegriffen, die Erosion hat sogar Stahl beschädigt. Auf lange Sicht greift sie das Material so stark an, dass es an Funktionsfähigkeit einbüßt. Reparaturen und Austausch sind jedoch mit hohen Kosten verbunden. Die würden die Materialforscher der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg gerne vermeiden, beziehungsweise zumindest deutlich verringern. Sie haben ein neues Verfahren entwickelt, das Materialschäden vorbeugen soll.
Bläschen implodieren und schädigen das Material
Dass Wasser enorme Kräfte entwickeln kann, ist bekannt. Die Erosion an Schiffsschrauben entsteht allerdings durch einen ganz besonderen Effekt, der als Kavitation bezeichnet wird und nur dort zutrifft, wo Wasser fließt. Wenn es mit einer gewissen Geschwindigkeit an einer Oberfläche entlang strömt, wird diese Strömung abgelöst, sobald sich die Fläche verändert. Dadurch entstehen lokale Unterdruckbereiche, durch die sich wiederum wasserdampfgefüllte Bläschen bilden. Sobald diese in einen Bereich gelangen, wo der statische Druck wieder über dem Dampfdruck liegt, kondensiert das Wasser in diesen Bläschen und sie implodieren mit enormer Kraft. Dabei können sehr feine Flüssigkeitsstrahlen entstehen, sogenannte Micro-jets, die mit einer extremen Geschwindigkeit auf die Oberfläche des Materials prallen und es angreifen. Der Druck bei diesen Vorgängen kann über tausend Bar betragen. Das entspricht dem tausendfachen Umgebungsdruck.
Zu einer Kavitation kommt es natürlich nicht nur, wenn die Flüssigkeit selbst schnell fließt, sondern auch, wenn sich ein Objekt mit hoher Geschwindigkeit durch sie hindurchbewegt. Schiffspropeller und Turbinen sind daher naturgemäß von ihr betroffen. Dieses physikalische Phänomen führt aber auch zu Schäden an diversen Pumpen und Düsen, sogar die Lebensdauer künstlicher Herzklappen kann durch die Kavitation eingeschränkt werden.
Durch die neue Oberflächenstruktur bildet sich ein Schutzschild
„Materialschädigung durch Kavitationsblasen ist ein sehr altes und vor allem noch ungelöstes Problem in Maschinen und Anlagen“, sagt Claus-Dieter Ohl, Physiker an der Fakultät für Naturwissenschaften in Magdeburg. „Mit dem Beginn der motorgetriebenen Transatlantik-Schifffahrt im 19. Jahrhundert hat man bemerkt, dass die Schiffspropeller nur eine einzige Überfahrt überstehen.“ Da dieses Problem lange bekannt ist, haben bereits viele Wissenschaftler versucht, beispielsweise Legierungen zu entwickeln, die resistent gegen diese Kräfte seien – mit mäßigem Erfolg. Die Forschenden in Magdeburg haben daher einen alternativen Ansatz ausprobiert. „Wir haben nicht das Material selbst, sondern dessen Oberflächenstruktur so verändert, dass die Kavitationsblasen erst gar keinen Kontakt mit der Oberfläche finden und somit sie auch nicht zerstören können“, erklärt Ohl.
Die Wissenschaftler haben also nach einer Oberflächenstruktur gesucht, an die Kavitationsblasen nicht anhaften können. Dafür bohrten sie, vereinfacht gesagt, mikroskopisch kleine Löcher in das Material. Diese sind auf eine ganz spezielle Weise angeordnet, sodass sie dazu führen, dass sich winzige Gasblasen an der Oberfäche bilden. Diese Bläschen wirken stark wasserabweisend. Die Kaviationsblasen entstehen zwar trotzdem, können an diesem „Blasen-Schutzschild“ aber nicht anhaften. Stattdessen werden sie regelrecht abgestoßen und damit daran gehindert, durch eine spätere Implosion schädliche Kräfte auf das Material auszuüben. Die Forscher haben diesen Abstoßungseffekt nicht nur mit mathematischen Modellen nachgewiesen, sondern auch experimentell.
Verfahren wird jetzt zur Marktreife weiterentwickelt
So einfach wie die Entwicklung klingt, war sie in der Praxis jedoch nicht. Für die Wissenschaftler war es eine große Herausforderung, die Gasblasen an der jeweiligen Oberfläche zu stabilisieren, damit sie dort ihre wasserabweisende Wirkung entfalten konnten. Auf der Suche nach einer Lösung sind die Forscher in der Natur fündig geworden: „Die Öffnungen im Material haben eine ähnliche Struktur wie der Brustbereich von Meerwasserläufern (Halobates germanus). Der Wasserläufer braucht für seinen Auftrieb stabile Gasblasen am Körper. Genauso wie die Natur benötigen wir auch keine chemische Behandlung, um die Oberflächenstrukturen wasserabweisend zu machen“, sagt Ohl.
Das Verfahren haben die Magdeburger Wissenschaftler in Kooperation mit Kollegen der King Abdullah University of Science and Technology, KAUST, in Saudi- Arabien entwickelt. Die Methodik haben sie bereits beim Europäischen Patentamt eingereicht. Im nächsten Schritt wollen sie das Verfahren bis zur Marktreife weiterentwickeln, damit kavitationsgefährdete Oberflächen preisgünstig bearbeitet werden können.
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