E-Mobilität Wasserstoff: Wie der Nikola E-Truck die Schwächen der Konkurrenz nutzt
Nach Tesla baut das nächste Unternehmen Fahrzeuge in Deutschland: Nikola will in Ulm mit Elektro- und Wasserstoff-Trucks durchstarten. Wie Nikola die deutschen Lkw-Riesen ausbremsen will.
Das US-Startup Nikola entdeckt den deutschen Markt und baut Brennstoffzellen-Lkw in Ulm. Der Truck namens „Nikola Tre“ wird speziell auf den europäischen Markt ausgelegt sein und in einer batterieelektrischen und einer per Brennstoffzelle angetriebenen Variante erscheinen. Das Werk des Nutzfahrzeugherstellers Iveco in Ulm dient als Produktionsstätte. Eine Reichweite von 1.000 Kilometern soll die Käufer vom Pick-up-Truck überzeugen. Gemeinsam wollen Nikola und der Nutzfahrzeughersteller im Teilbesitz des italienischen Agnelli-Clans die Lkw-Riesen ausbremsen.
Gelingen soll das durch:
- stringentes Geschäftsmodell
- Kunden erhalten deutlich niedrigere Gesamtbetriebskosten
- schnell verfügbare Strom- und Wasserstofftrucks
Batterie-Trucks sollen Daimler und Co. davon fahren
Als klaren Wettbewerbsvorteil sieht Nikola das zögerliche Handeln der Konkurrenz. Die meisten Wettbewerber elektrifizieren ihre Sattelzugmaschinen lediglich in Kleinserien und nutzen darüber hinaus noch über Jahre hinweg Diesel als Kerntreibstoff. In Ulm denkt man da voraus: Im ersten Quartal 2021 sollen die ersten Batterie-Trucks mit 400 Kilometer elektrischer Reichweite vom Band rollen. Die Pläne schmieden Nikola und Iveco vor der Nase von Daimler in Stuttgart und Traton in München.
Nikola legt fulminanten Börsenstart hin – und fliegt auf die Nase
Der US-Autohersteller Nikola hat währenddessen an der NASDAQ ein fulminantes Börsendebüt hingelegt. Das Unternehmen von Gründer Trevor Milton hat eine vorläufige Bewertung von fast 29 Milliarden Dollar erreicht. Der Erlös soll direkt in den Ausbau der Wasserstofftankstellen-Infrastruktur fließen. Doch der Jubel hielt nicht lange an, denn Nikola hat sein erstes Quartal an der Börse versaut. Verluste waren zwar einkalkuliert, aber nicht in dieser Höhe. Die Aktie verlor gut 18 % Vom Rekord und jüngsten Hoch bei 93,99 Dollar sind die Aktien aktuell weit entfernt. Im zweiten Quartal stellte sich ein Verlust von 88,6 Millionen US-Dollar ein, was einem Minus von 0,33 Dollar je Aktie entsprach.
Bislang erzielt Nikola noch keine nennenswerten Umsätze. Man rechne aber damit, dass die Wasserstofftechnologie in den nächsten Jahren stark im Kommen ist. Das Ziel: 2024 soll ein Umsatz von 3,2 Milliarden Dollar erzielt werden. Nikola setzt aber nicht nur auf Wasserstoff. 2021 soll der Truck in einer batterieelektrischen Variante auf den Markt kommen. Die Ausführung mit Brennstoffzelle soll dann 2023 kommen.
Über die Brennstoffzellen-Technologie und ihr Potenzial haben wir in dieser Podcast-Folge von „Technik aufs Ohr“ mit unserem Gast Angelika Heinzel gesprochen:
Tausende neue Jobs sollen in Ulm entstehen
Nicht nur in Sachen Technik will Nikola eine Vorreiterrolle einnehmen, auch als Arbeitgeber möchte das US-Start-up auftrumpfen.
„Es werden Tausende Jobs entstehen“, verspricht Trevor Milton, Chef von Nikola.
Die neuen Arbeitsplätze sollen vor allem ab 2023 entstehen, denn da auf den Strom-Truck ein mit Wasserstoff befeuertes Modell folgt. Die Reichweite soll bis zu 800 Kilometer betragen. Daimler und Volvo, die beiden großen Konkurrenten, dürfen erst Mitte der Dekade mit eigenen Brennstoffzellen-Lkws in größeren Stückzahlen auftrumpfen. Erlebt Nikola den „Tesla-Moment“? Investoren sind sich sicher, dass das Start-up hierzulande groß rauskommt. An der Börse wird Nikola bereits mit fast 14 Milliarden Dollar bewertet.
40 Millionen Euro Investment am Ulmer Standort
Zunächst sollen 40 Millionen Euro am UImer Iveco-Standort investiert werden. Das Geld fließt unter anderem in die Modernisierung von Produktionsanlagen. Hauptinvestor ist CNH Industrial. Als weiterer Sponsor tritt Bosch auf. Der deutsche Elektro- und Zulieferkonzern hat mindestens 100 Millionen US-Dollar in Nikola Motors investiert. Über die Beteiligung von Bosch berichten wir hier.
In Ulm soll hauptsächlich die Endmontage der Fahrzeuge im Fokus stehen. 2021 rollen dann, so der Plan, die ersten Nikola Tre vom Band. Die Dauerleistung des elektrischen Antriebs belaufe sich auf 480 Kilowatt. Zu den ersten Modellen zählen die batterieelektrischen 4×2- und 6×2-Lkw, deren modulare und skalierbare Akkupacks eine Kapazität von bis zu 720 Kilowattstunden erreichen sollen. Im Nachgang soll dann auch das mit Brennstoffzellen betriebene Tre-Modell in Ulm zusammengebaut werden. Die Markteinführung ist für 2023 geplant. In weniger als 15 Minuten soll das Fahrzeug mit Wasserstoff betankt sein. Nikola steht in direkter Konkurrenz zu Tesla. Das Unternehmen hat einen Semitruck angekündigt, der mit einer Batterieladung 800 Kilometer weit fahren soll.
Baden-Württemberg als Standort für E-Lkws
Ulm und damit auch Baden-Württemberg werden durch die neue Produktion als Standort für die Automobilbranche aufgewertet. Iveco stellt bereits qualifizierte Facharbeiter und technologische Skills. Im Rahmen der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung locken zwei Milliarden Euro zur Förderung der Technologie und Infrastruktur.
Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann heißt die Entscheidung willkommen: „Die heutige Entscheidung der Firma Iveco für den Bau des Nikola Tre in Ulm ist ein wichtiges standortpolitisches Signal für den Innovationsstandort Baden-Württemberg.“
Die EU zwingt die Hersteller zudem, ihren CO2-Ausstoß in der Flotte bis 2025 um 15 Prozent zu reduzieren und bis 2030 sogar um 30 P%. Wer diese Ziele verfehlt, zahlt saftige Strafen in dreistelliger Millionenhöhe, so Bernd Heid, Partner bei McKinsey. Das heißt: Auch der Schwerlastverkehr muss elektrifiziert werden. Die Brennstoffzelle liegt im Vorteil.
Heute kosten Herstellung, Betrieb und Wartung eines schweren Lkws mit Brennstoffzelle allerdings noch deutlich mehr als das Verbrenner-Pendant.
Nikola verzeichnet 14.000 Vorbestellungen für den E-Truck
Das Unternehmen Nikola entwickelt elektrisch angetriebene Lkw-Batteriefahrzeuge für mittlere Entfernungen. Des Weiteren beinhaltet das Portfolio Wasserstoff-Trucks für den Schwerlastfernverkehr. Laut Angaben des Unternehmens liegen 14.000 Vorbestellungen für den Elektro-Truck vor. Mit Sponsor Bosch verbindet Nikola bereits eine gute Arbeitsbeziehung. Bosch hat maßgeblich am Antriebsstrang und der Fahrzeugelektronik des Nikola Two mitgewirkt. Mehr zu diesem Projekt, erfahren Sie hier.
Nikola will zudem nicht nur die modernsten E-Trucks der Welt bauen, sondern parallel die nötige Infrastruktur aufbauen. In Nordamerika plant die Firma, 700 Tankstellen zu errichten und den Wasserstoff direkt vor Ort in Elektrolyseuren zu gewinnen. In Europa sind circa 50 Stationen geplant. Dahinter steckt ein weiterer Plan:
60 % der Gesamtkosten eines Trucks entfallen nämlich auf den Sprit. „Unsere Wettbewerber werden beginnen, unsere Tankstellen zu nutzen“, glaubt Milton. Umsatz soll also auch mit der Konkurrenz gemacht werden.
Damit habe die Unternehmensspitze auch kein Problem, denn Milton kooperiert sehr gern mit anderen Herstellern. Tesla sei daher auch Vorbild und Konkurrent zugleich.
Badger Pickup-Truck für ländliche Regionen
Nach der Ankündigung des Tre, veröffentlicht Nikola nun das nächste Modell: mit dem Badger steigt das Unternehmen in das Segment der elektrisch angetriebenen Pickup-Trucks ein. Dieses Modell soll vor allem in den ländlichen Regionen der USA fahren. Nikola setzt damit ein klares Zeichen gegenüber Konkurrent Tesla und seinem Cybertruck. Der Nikola Badger soll mit einem Akku und Brennstoffzellen ausgerüstet sein. Wenn sowohl die Batterie als auch der Wasserstoffspeicher komplett voll sind, erreicht der Pickup-Truck eine Reichweite von fast 1.000 Kilometer. Die rein elektrische Reichweite sowie die per Brennstoffzelle erreichte sollen jeweils rund 483 Kilometer betragen. Sein Debüt feiert das Gefährt im September 2020 auf der Nikola World.
Konkurrent Tesla kündigt Semitruck an
Im zweiten Halbjahr 2020 möchte Tesla die Produktion des Semi langsam anlaufen lassen. Den Tesla Semi soll es in zwei Versionen geben: Eine mit 480 Kilometer Reichweite und einen mit 800 Kilometer Reichweite. Ob der elektrische Semi-Truck schon dieses Jahr auf den Straßen rollt, ist eher fraglich.
Angekündigt hatte Tesla seinen Semi schon 2017.
In Deutschland finden einige Testprojekte für den Betrieb von elektrische Lkw statt. Oberleitungen, die LKW während der Fahrt mit Strom versorgen, gibt es auf einer fünf Kilometer langen Teststrecke zwischen Reinfeld und dem Autobahnkreuz Lübeck. Diese ist bereits seit Monaten fertiggestellt. In Kürze soll der Abschnitt durch einen pendelnden Hybrid-Laster auf den Prüfstand gestellt werden. Alles zum E-Highway auf der A1 erfahren Sie hier.
Erst kürzlich machte ein weiteres Start-up von sich reden. Hyzon Motors Inc. setzt als Newcomer auf den Brennstoffzellenantrieb. Schon ab November 2020 will das amerikanische Start-up Trucker-Herzen höher schlagen lassen. Dann sollen die ersten Lkws oder Heavy Trucks von Hyzon zur Verfügung stehen. An den Start gehen eine 6 x 4-Zugmaschine sowie ein 6 x 4- und ein 8 x 4-Lkw mit starrem Fahrgestell.
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