ÖPNV nach der Wahl: Ist das Deutschlandticket in Gefahr?
Wie geht es mit dem Deutschlandticket nach der Bundestagswahl weiter? Finanzierung unsicher, Parteien uneinig – drohen höhere Preise oder das Aus?
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Gerade erst ist der Preis für das Deutschlandticket auf 58 Euro gestiegen, schon kommen neue Diskussionen auf.
Foto: PantherMedia / andreengelhardt
Seit Mai 2023 ermöglicht das Deutschlandticket bundesweite Fahrten im Nah- und Regionalverkehr zu einem festen monatlichen Preis. Es hat die Tarifstrukturen vereinfacht und den öffentlichen Nahverkehr für Millionen Menschen attraktiver gemacht. Doch die Zukunft ist ungewiss: Die Finanzierung ist nur bis Ende des Jahres gesichert, danach steht das Ticket auf der Kippe. Die Bundestagswahl 2025 könnte über dessen Fortbestand entscheiden.
Bisherige Zuschüsse werden nicht ausreichen
Die aktuelle Finanzierung des Deutschlandtickets erfolgt durch Bund und Länder zu gleichen Teilen. Jährlich stellt der Bund 1,5 Milliarden Euro bereit, ebenso die Länder. Diese Regelung ist im Regionalisierungsgesetz verankert. Doch die tatsächlichen Kosten übersteigen diese Mittel deutlich. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) kalkulierte für 2024 mit einem Finanzbedarf von 3,45 Milliarden Euro. Der VDV-Präsident Ingo Wortmann warnt: „Die von Bund und Ländern jährlich zur Verfügung gestellten drei Milliarden Euro werden dauerhaft nicht ausreichen.“
Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des VDV, sieht ein großes Risiko bei weiteren Preiserhöhungen: „Die Kündigungsquote ist jetzt okay, aber wenn das Ticket 20 Euro teurer wird, dann wird es auch schon eng.“ Mit zuletzt rund 13,5 Millionen Abonnenten blieb die Branche aber rund 10 % unter ihrem Ziel, bis Ende 2024 rund 15 Millionen Kundinnen und Kunden für das Ticket zu gewinnen. Eine nachhaltige Finanzierungslösung ist dringend nötig, damit das Ticket langfristig attraktiv bleibt.
Uneinigkeit über die Zukunft
Die Parteien vertreten unterschiedliche Standpunkte zur Zukunft des Deutschlandtickets. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) fordert, dass der Bund die Kosten künftig alleine übernimmt, da das Ticket eine bundesweite Maßnahme sei. Die Union sieht zudem grundlegende Mängel in der Konstruktion des Tickets. Ulrich Lange (CSU) erklärte im Dezember: „Es gibt Spielraum für alles Weitere oder Neue.“
Kritikpunkte sind eine unzureichende Finanzierung und eine vermeintliche Benachteiligung ländlicher Regionen. Besonders im ländlichen Raum bleibt das Auto für viele Menschen unverzichtbar. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz äußerte sich zurückhaltend: „Das ist eine sehr schwierige Frage, die wir auch im Lichte der Haushaltsplanungen im nächsten Jahr beantworten müssen.“ Im Wahlprogramm der CDU/CSU wird das Deutschlandticket bislang nicht erwähnt.
Auf der anderen Seite setzen sich SPD und Grüne für eine langfristige Absicherung ein. Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) bezeichnet das Ticket als eine Erfolgsgeschichte und fordert eine dauerhafte Finanzierung durch den Bund. Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) betont: „Wir müssen weg von dieser wiederkehrenden Hängepartie bis kurz vor Torschluss.“ Eine langfristige Lösung sei essenziell für den Erfolg des Deutschlandtickets.
Droht eine Preiserhöhung?
Eine weitere Preiserhöhung des Deutschlandtickets ist nicht ausgeschlossen. Bereits im Januar 2025 stieg der Preis von 49 auf 58 Euro. Eine Entwicklung, die sich möglicherweise fortsetzen könnte. Olaf Lies hält eine Preisanpassung für unausweichlich: „Wenn wir über Preiserhöhungen sprechen, können wir die allgemeine Preissteigerung nicht komplett ausklammern. Aber sie müssen moderat und erklärbar bleiben.“
Auch Oliver Krischer sieht eine stabile Preisstruktur als entscheidend für den Erfolg des Tickets: „Zur preislichen Stabilisierung sind höhere Verkaufszahlen entscheidend.“ Je mehr Menschen das Ticket nutzen, desto stabiler könne der Preis gehalten werden. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob eine steigende Zahl an Nutzerinnen und Nutzern die Finanzierungslücke tatsächlich schließen kann.
Zukunftsoptionen: Ausbau oder Abschaffung?
Neben der Preisfrage gibt es Vorschläge zur Weiterentwicklung des Deutschlandtickets. SPD-Fraktionsvize Detlef Müller fordert eine Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten. So könnten deutschlandweit einheitliche Mitnahmeregelungen für Kinder und Fahrräder eingeführt werden. Zudem sollten weitere Gruppen wie Auszubildende, Studierende und Seniorinnen und Senioren in die Ticketstruktur integriert werden. Eine breitere Nutzung könnte die Einnahmen aus dem Ticketverkauf erhöhen und langfristig zur finanziellen Stabilität beitragen.
BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg sieht den Bund in der Pflicht: „Eine neue Bundesregierung muss sich klar zum Ausbau des ÖPNV und eine dauerhafte Beibehaltung eines für alle bezahlbaren Deutschlandtickets bekennen.“ Dabei müsse nicht nur die Ticketstruktur verbessert, sondern auch das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln ausgebaut werden. Denn ohne ein leistungsfähiges Verkehrsnetz könne das Ticket nicht seine volle Wirkung entfalten. (mit dpa)
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