Pedelec und Velomobil im Alltagsvergleich
Hohe Benzinpreise und Weiterentwicklungen in der Velo-Technik machen das Fahrradfahren wieder sehr attraktiv. Gerade Elektrofahrräder bringen der Branche einen Nachfrageschub. Die VDI nachrichten haben daher zwei Fahrradkonzepte einem Praxistest unterzogen.
Die Probanden: Getestet wurde ein Elektrofahrrad bzw. Pedelec (pedal-electric) in Touringausführung und Motorunterstützung bis 25 km/h sowie ein Dreirad mit aerodynamischer Vollverkleidung (Velomobil).
Die Strecke: Gefahren wurde eine etwa 18 km lange Route am Niederrhein. Der Weg ist weitgehend eben und führt zumeist über Radwege durch Felder. Es gibt zwei Ortsdurchfahrten sowie drei signifikante Steigungen/Gefälle, z. B. zwei Brücken. Es gibt einige lange Geraden, die sich teilweise über mehrere Kilometer erstrecken.
Das Anfahren: Am schnellsten kommt das Pedelec mit seinem Elektromotor auf Touren. Bei niedrigster Unterstützungsstufe (30 % zusätzlich zur eigenen Tretleistung) ist dabei jedoch wenig zu merken. Bei einer Unterstützung über 100 % wird die Kraft des Motors jedoch deutlich spürbar und bei den maximalen 250 % ist beim Anfahren etwas Übung hilfreich. Aufgrund des Gewichtes von etwa 34 kg beschleunigt das Velomobil aus dem Stand eher gemächlich, auch wenn die 14-Gang-Nabenschaltung da einen guten Dienst tut. Sportliche Radfahrer ziehen da schon einmal vorbei.
Velomobil: Hohe Geschwindigkeiten auf langen Wegen
Das Fahren: Sind die Fahrräder erst einmal in Schwung lassen sich mit dem Velomobil auf langen geraden Radwegen mit etwa 35 km/h die höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten erreichen. Auf der Straße wurden kurzzeitig Spitzengeschwindigkeiten von rund 50 km/h erreicht. Je nach Modell und Fahrbahn lassen sich mit Velomobilen aber auch höhere Werte erzielen.
Das liegt vor allem daran, dass bei Zweirädern der Windwiderstand deutlich spürbar wird. Gegenüber einem Tourenfahrrad ist bei der Geschwindigkeit von 35 km/h der Leistungsaufwand beim Velomobil um etwa 100 W geringer.
Das Pedelec kann den Nachteil bis etwa 26 km/h durch die Motorunterstützung ausgleichen. Bei Überschreiten der Unterstützungsgrenze wird der Motor abgeregelt, was sich beim Treten subjektiv wie eine Bremswirkung anfühlt. Bei abgeschaltetem Motor tritt der Effekt nicht auf. So pendeln sich die Durchschnittsgeschwindigkeiten bei neutralen Windverhältnissen auf den langen Geraden mit dem Pedelec bei etwa 28 km/h ein. Als Spitzengeschwindigkeiten auf einer ebenen Straße wurden 38 km/h gemessen.
Vorteile hat das Pedelec gegenüber dem dreirädrigen Velomobil dagegen bei Kurvenfahrten. Während sich die Fahrer bei den klassischen Fahrradformen gut in die Kurve legen können wenn sie schnell fahren, besteht bei dem Dreirad Kippgefahr.
Das Pedelec ist ein Multitalent
Das gewählte Fahrprofil brachte dabei eine Überraschung: Über die gesamte Strecke lagen die Durchschnittsgeschwindigkeiten bei trockener Fahrbahn und annähernd neutralen Windverhältnissen bei beiden Fahrrädern je nach Tagesform des Testers zwischen 23 km/h und 25 km/h. Ein Grund dafür waren neben Nachteilen des Velomobils beim Beschleunigen und bei Kurvenfahrten auch Bodenwellen durch Frostschäden und Baumwurzeln, die eine angepasste Fahrweise erfordern.
Der Gesamteindruck: Das Pedelec ist ein Multitalent. Es bietet zu einem Preis von etwa 2400 €, die vom Fahrrad gewohnten Fahreigenschaften, lässt sich aber auch bei Gegenwind oder an Steigungen leicht bewegen. Negativ fiel allerdings auf, dass ein Defekt am Bediengerät den kompletten Elektroantrieb stilllegte und Fahrradhändler noch wenig Erfahrung mit derartigen Systemen haben. Auch dass der Einschalter beim Bosch-System hinten am Akkupaket liegt und nicht vom Bediengerät betätigt werden kann, ist verbesserungswürdig.
Trotzdem ist der Eindruck insgesamt positiv: Bei sommerlichen Temperaturen und maximalem Motoreinsatz kühlt der Fahrtwind, sodass auch Fahrten im feinen Anzug nicht zur schweißtreibenden Qual werden. Beim Tragen von Regenkleidung lässt sich der nötige Kraftaufwand des Fahrer damit ebenfalls auf ein angenehmes Maß reduzieren. Auf rutschigem Untergrund wie Schotter und Schlamm sowie unebenen Wegen sollte der Zusatzantrieb allerdings feinfühlig dosiert werden.
Die für das Akkupaket im Handbuch angegebenen 70 km im Modus „Tour“ mit 160 % Motorunterstützung konnten erreicht werden. Für die geringste Unterstützung werden 145 km und für die höchste 60 km angegeben. Neben der Batterieanzeige gibt der Bordcomputer dabei eine ziemlich genaue Prognose für die im gewählten Modus zu erwartende Reichweite.
„Supersportwagen“ Velomobil
Das Velomobil könnte man als „Supersportwagen“ bezeichnen. Die Technik mit vielen handgefertigten Teilen, z. B. aus glasfaser- und kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen, hat ihren Preis. Der Neupreis für das getestete Modell liegt bei etwas über 9000 €. Dafür erfordert es bei Fahrten mit einem Tempo jenseits der 25 km/h und auch bei starkem Gegenwind einen deutlich geringeren Kraftaufwand, sofern es die Radwege zulassen.
Gleichzeitig bietet seine aerodynamische Verkleidung auch dem Fahrer Schutz vor Wind und Regen. Selbst bei nasskaltem Wetter kann daher auf die sonst auf dem Fahrrad notwendige Schutzkleidung verzichtet werden. Beim Testmodell konnte die Belüftung im Innenraum zufriedenstellend geregelt werden. Das ist nicht bei allen Velomobil-Modellen so.
Das Fazit: Es wurde deutlich, dass das Streckenprofil einen großen Einfluss auf die Alltagstauglichkeit der einzelnen Fährräder hat. Während beim Pedelec der Windwiderstand höhere Geschwindigkeiten limitiert, sind es beim Velomobil eher Schlaglöcher und Erhebungen durch Baumwurzeln auf den Radwegen. Durch Kombination der Aerodynamik des Velomobils – zumindest in Teilen – mit einer Motorunterstützung ließe sich der körperliche Einsatz gezielter nutzen. Interessante Konzepte, wie der „Läufer“ von der TU Darmstadt sind jedoch wieder in der Schublade verschwunden. Velomobile mit Elektromotor werden dagegen inzwischen angeboten.
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