Politik investiert in Flugtaxis, aber Anwohner sind misstrauisch
Nicht zum ersten Mal fördert die öffentliche Hand Projekte rund ums Flugtaxi. Während die einen darin eine sinnvolle Alternative über verstopften Straßen sehen, wollen andere die kleinen Helis nicht über ihrem Grundstück sehen.
Das Land Baden-Württemberg fördert Flugtaxis mit 1,3 Millionen Euro. Unter dem Projektnamen „E-Fliegen“ prüft das Wirtschaftsministerium des Landes zusammen mit der Universität Stuttgart Standorte für Testgelände. Das langfristige Ziel ist es, dort Drohnen und Flugtaxen für den Personentransport flugsicher zu machen. Das Ministerium spricht in dem Kontext von „3D-Mobilität“.
Die Politik wünscht das Flugtaxi
Das Projekt konzentriert sich zwar auf Rotormaschinen, setzt aber trotzdem auf zwei Flügel: urbanes Fliegen und autonomes Fliegen. Das Testfeld für die Flugtaxis im städtischen Umfeld entsteht im etwa 100 Kilometer von Stuttgart entfernten Lahr an der französischen Grenze. Die Eigenständigkeit der Flieger wird dann in Mengen geprüft, das etwa 80 Kilometer südlich der Landeshauptstadt liegt.
Diese Aufteilung suggeriert, dass nicht alleine die Flugfähigkeit und technische Seite des autonomen Fliegens untersucht wird. Wichtig ist dabei die Kommunikation der Flugobjekte untereinander und mit Objekten am Boden, etwa hohen Gebäuden oder Masten. Teil der Übung ist darüber hinaus ist, die Flugtaxis sinnvoll in das bestehende Verkehrsnetz einzugliedern. Daher spielte die Nähe zu Ortskernen und Infrastruktur wie Bahngleise und anderer ÖPNV eine Rolle. Denn das Ministerium äußert den Wunsch, die Standorte Lahr und Mengen nach Fertigstellung der Studie nicht brach zurückzulassen.
Walter Fichter, Professor am Institut für Flugmechanik und Flugregelung der Universität Stuttgart, hält die Zweiteilung für sinnvoll: „Die beiden Standorte eignen sich für die jeweilige Ausrichtung hervorragend und ergänzen sich in idealer Weise. Darüber hinaus schaffen wir mit diesem Ansatz in Baden-Württemberg die Möglichkeit, flexibel auf zukünftige Entwicklungen reagieren zu können.“ Im Vorfeld durchliefen die beiden Flugfelder ein Auswahlverfahren gemäß Konzeptpapier des Wirtschaftsministeriums. Insgesamt wurden 88 Flugplätze verschiedener Typen unter die Lupe genommen.
Baden-Württemberg ist kein Neuling in Sachen Flugtaxi
Dass ausgerechnet Baden-Württemberg Testfelder für Flugtaxis installiert, ist keinesfalls verwunderlich. Hier sind bereits Unternehmen ansässig, die sich den fliegenden Beförderungsvehikeln verschrieben haben. Darunter auch Volocopter, die 2011 mit einer skurrilen Konstruktion aus Elektromotoren und Propellern an Aluminiumstangen Aufsehen erregten. Als Landekonstruktion diente ein Gymnastikball. Dieses Unternehmen erhielt eine Förderung vom Bundeswirtschaftsministerium und startete 2017 ein autonomes Flugtaxi in Dubai. Um solche Erfolgsgeschichten zu wiederholen, will das Land aufstrebende Unternehmen fördern. Unbekannte Firmen mit großem Potenzial („Hidden Champions“) sollen ausfindig gemacht werden und zur Treibkraft der baden-württembergischen Flugindustrie avancieren.
Das Wirtschaftsministerium des Landes nannte zudem zwei alteingesessene Partner: Einer davon ist der französische Konzern Thales mit Sitz in Ditzingen. Das Unternehmen bringt Erfahrung mit Drohnen vor allem aus Militäranwendungen mit. Aufgabe des Wehrunternehmens ist es, Infrastruktur für die Flugfelder bereitzustellen. Außerdem brachte das Landeswirtschaftsministerium Acentiss mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen mit an Bord. Acentiss entwickelte in der Vergangenheit ein Leitsystem für elektrische Tragflächenflugzeuge und soll bald schon die ersten Forschungsflüge im Rahmen des Projekts „E-Fliegen“ absolvieren. Ziel dieser sei die Luftraumintegration.
Flugtaxi als Ergänzung zur Elektromobilität am Boden
Der Wunsch, Flugtaxis zu haben, ist in Baden-Württemberg gar nicht neu. Wolfgang Müller, Oberbürgermeister der Stadt Lahr, erklärt, dass die ersten Schritte bereits einige Zeit her sind: „Schon die im Jahr 2011 veröffentlichte Studie sieht für den Flughafen Lahr eine Nutzung für autonomes Fliegen vor – nach langer Entwicklungszeit kann diese Saat nun aufgehen.“
Die fliegenden Transporter sollen jedoch mehr als nur Prestigeobjekte werden. Die elektromobile Kleinluftfahrt könnte etwa kleinere ländliche Flughäfen miteinander verbinden oder unter Verkehrsinfarkt leidende Städte entlasten, zu denen die Landeshauptstadt Stuttgart zweifelsohne zählt. Gleichzeitig erhofft sich das Land Baden-Württemberg, dass die kleinen Flugobjekte logistisch schwierige Gebiete versorgen könnten.
Der Vorstandsvorsitzende des Forums Luft- und Raumfahrt Baden-Württemberg, Rolf-Jürgen Ahlers, will noch davon abgesehen eine höhere Berufung in den Drohnen sehen. Er betrachtet die zunehmende Urbanisierung als Grund für die Überlastung der bestehenden Verkehrssysteme. Gleichzeitig bestehe das Problem des Klimawandels. „Es müssen neue energieeffiziente und umweltfreundliche technologische Lösungen identifiziert, erprobt und zur Marktreife entwickelt werden. Im Luftfahrtbereich liefern wir hier einen wesentlichen Beitrag zu den modernen Mobilitätsszenarien in der Erprobung energieeffizienter, elektrischer Antriebe und autonomer Systeme“, so Ahlers.
Flugtaxis in der Kritik
Trotz Investitionen und Wünschen seitens der Landesregierung sind die kleinen Flieger umstritten. Bereits autonome Drohnen, die nur Fracht verschieben, stellen sich als komplexe Herausforderung für die Luftsicherheit dar. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeitet bereits seit Jahren an Lösungen, damit die Rotormaschinen nicht zusammenstoßen und zur Gefahr für Personen unter ihnen werden. Sollten Flugtaxis gängig werden, würde die Anzahl und damit die Komplexität dieser Systeme enorm steigen. Zusätzlich wären bei Flugtaxis auch noch Menschen statt Fracht an Bord.
Das DLR veröffentlichte darüber hinaus im Dezember 2018 eine Studie, die sich mit der Akzeptanz von Drohnen in der Bevölkerung beschäftigte. Daraus ging hervor, dass Anwohner bereit sind, unbemannte Flugobjekte über ihren Grundstücken hinzunehmen – aber nicht nach Belieben. Die höchsten Zustimmungswerte erhielten Drohneneinsätze, die dem Allgemeinwohl dienen: 91 % der Befragten würden ein Copter zum Katastrophenschutz über ihrem Haus nicht stören, 89 % wären mit Forschungsdrohnen d’accord. Drei Viertel der Befragten würden immerhin noch dem Transport von Medikamenten zustimmen.
Kommerziellere Anwendungen hingegen kommen weniger gut an: Landwirte müssen mit dem Wissen leben, dass 3 von 10 Nachbarn die Drohne im Stall nicht gut finden. Über die Hälfte der Befragten, 58 %, wünscht keine autonome Paketzustellung in ihrem Luftraum. Die geringste Akzeptanz finden Aufnahmen aus der Luft, wenn sie Werbezwecken dienen: 72 % sprechen sich dagegen aus, wohingegen Aufnahmen zwecks Berichterstattung nur 4 von 10 Befragten ein Dorn im Auge wären.
Doch nicht nur der Zweck des Flugs bestimmt, ob Anwohner beim Anblick einer Drohne ein Auge zudrücken. Laut DLR-Studie verteilt sich die Akzeptanz unterschiedlich abhängig vom Urbanisierungsgrad. Während 78 % der Befragten keine Bedenken beim Einsatz in unbewohnten Gebieten hätten, sehen das in Großstädten nur noch 36 % unkritisch.
Auch Elon Musk, der Mehrfach-Unternehmer aus dem Silicon Valley, hat eine kritische Meinung zu Flugtaxis: „Falls Sie Drohnen über Ihrem Haus mögen, werden Sie die große Zahl von „Autos“ über Ihrem Kopf lieben. Die sind nämlich 1.000 Mal größer und lauter und pusten beim Landen alles fort, das nicht niet- und nagelfest ist.“ Musk selbst investiert in autonome Landfahrzeuge und das Musk selbst investiert in autonome Landfahrzeuge. Ahlers vom Forum Luft- und Raumfahrt BW sieht das deutlich entspannter: „In Zukunft wird ein Flugtaxi genauso selbstverständlich sein wie ein Smartphone.“
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