Pop-up-Radwege: Das bringen sie wirklich
Während der Corona-Pandemie hat unter anderem die Stadt Berlin zahlreiche spontane Radwege eingerichtet. Forschende haben das Experiment begleitet und jetzt ihre Ergebnisse veröffentlicht. Sie wollten wissen, ob die Zahl der Radler tatsächlich gestiegen ist und wie die Bevölkerung die zusätzlichen Radwege beurteilt. Anders gesagt: Könnten Pop-up-Radwege zur Verkehrswende beitragen?
Die Corona-Pandemie hat in vielerlei Hinsicht für ein Umdenken gesorgt – unter anderem wurde das Radfahren plötzlich deutlich attraktiver. Denn die Gefahr, sich mit dem Virus SARS-CoV-2 anzustecken, war auf dem Rad im Freien faktisch nicht vorhanden, anders als in voll besetzten öffentlichen Verkehrsmitteln. Wie auch in viele anderen europäischen Städten haben die Politikerinnen und Politiker in Berlin die Gelegenheit ergriffen, zumindest vorübergehend zusätzliche Fahrstreifen für Radler zu schaffen. Dahinter stand nicht nur der Gedanke, den Bürgerinnen und Bürgern Wege zu erleichtern. Die sogenannten Pop-up-Radwege galten gleichzeitig als Hoffnungsträger, um den Übergang zu einer nachhaltigen Mobilität zu beschleunigen.
Die Mobilitätswende beginnt vor der eigenen Haustür
Forschende des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS Potsdam) haben das Projekt daher von Anfang an begleitet. Eine ihrer Fragen lautete: Können zusätzliche Radwege die Menschen dazu motivieren, das Fahrrad als Verkehrsmittel tatsächlich mehr zu nutzen? Die Ergebnisse haben sie jetzt präsentiert.
Unterschiedliche Akzeptanz der Pop-up-Radwege
Für ihre Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die viel befahrene Straße Kottbusser Damm im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ausgewählt. Dort sind im April 2020 beidseitig Pop-up-Radwege in voller Länge der Straße eingerichtet worden. Die Straße diente den Forschenden als Fallbeispiel, um die Auswirkungen auf die Luftqualität und die Fahrradnutzung zu untersuchen. Außerdem befragten sie die Bevölkerung.
Die Ergebnisse der Umfrage überraschen wenig: Die Akzeptanz der Pop-up-Radwege war unter den Radfahrern sehr hoch und lag bei 94%. Die Fußgängerinnen und Fußgänger waren ebenfalls mehrheitlich pro Radweg eingestellt. 75% befürworteten sie. Bei den Nutzerinnen und Nutzern des öffentlichen Nahverkehrs waren es sogar 79%. Anders sah es bei den Autofahrerinnen und Autofahrern aus. Nur 15% der Befragten gefiel die Maßnahme.
Zahl der Radfahrerinnen und Radfahrer stieg deutlich
Zusätzlich analysierten die Forschenden die Veränderungen des Mobilitätsverhaltens in der Region. Dafür nutzten sie anonymisierte Daten von Radfahrenden, die die Tracking-App Strava aufs Smartphone geladen hatten. Repräsentativ sind die erhobenen Daten also nicht. Trotzdem gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass die Informationen sehr aussagekräftig sind, weil es grundsätzlich eine hohe Korrelation zwischen den Daten der App und offiziellen Fahrradzählungen gäbe.
Beim Mobilitätsmanagement sind Unternehmen auf dem richtigen Weg
Die Analyse ergab, dass der Radverkehr um 73% zugenommen hat, nachdem der Pop-up-Radweg eingeführt wurde, und das innerhalb von zwölf Monaten. Im Mai 2020 war der Peak erreicht: Die Zahl der Radfahrenden war im Vergleich zum Mai 2019 um 141% gestiegen. „Pop-up-Radwege sind eine wichtige Maßnahme für die notwendige Flächenumverteilung in Städten, sodass es mehr Platz für sicheres Radfahren gibt. Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Radverkehr auf diesen Strecken zunimmt und dass die Pop-up-Radwege nicht nur bei Radfahrenden, sondern auch bei ÖPNV-Nutzenden und Fußgängerinnen und Fußgängern große Zustimmung hervorrufen“, sagt Sophia Becker, Erstautorin der Studie.
Durch Pop-up-Radwege verbesserte sich die Luftqualität
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führten auch Luftqualitätsmessungen durch. Demnach war die Belastung mit dem Luftschadstoff Stickstoffdioxid für die Radfahrerinnen und Radfahrer auf dem Pop-up-Radweg um 22 Prozent geringer als in den umliegenden Straßen.
Die Studie sagt allerdings nichts darüber aus, worauf die Veränderungen zurückzuführen sind – während des fraglichen Zeitraums gab es zwei Variablen. Abgesehen von den zusätzlichen Radwegen könnte sich das Nutzungsverhalten auch verändert haben, weil die Radlerinnen und Radler den öffentlichen Nahverkehr vermeiden wollten, um die Gefahr für eine Ansteckung mit dem Coronavirus zu verringern.
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