Thermomanagement 09.10.2020, 07:00 Uhr

Porsche: Software senkt den Energieverbrauch von E-Autos

Thermomanagement heißt das Zauberwort. Laut Porsche soll es künftig Fahrer von E-Autos dabei unterstützen, den Energieverbrauch deutlich zu senken. Dahinter steckt ein Algorithmus, der den Fahrverlauf erkennt und die Akkus dazu immer optimal temperiert.

Illustration Batterie

Der Farbverlauf zeigt: Beim Start ist die Batterie kalt. Bis zur Ankunft an der Ladesäule hat das Thermomanagement sie auf die passende Temperatur gebracht.

Foto: Porsche AG

Mehr Reichweite und weniger Ladezeit – diese Wünsche haben nicht nur überzeugte Elektromobilisten. Auch die Automobilhersteller beschäftigen sich damit, wohl wissend, dass diese Parameter darüber entscheiden werden, wie erfolgreich sich E-Autos in den nächsten Jahren am Markt etablieren können. Porsche Engineering hat deshalb ein vorausschauendes Thermomanagement entwickelt und getestet. Hintergrund: Die Temperatur spielt eine Schlüsselrolle, denn die Ladeleistung sinkt, wenn die Zellen zu kalt oder zu heiß sind. Dem will der Hersteller mit einer Software entgegenwirken. Diese soll den Verlauf der anstehenden Fahrt voraussagen und dann zeitgleich alle thermischen Komponenten steuern, damit die Batterie ihre optimale Temperatur erreicht und hält. Im Umkehrschluss soll somit unnötiges Aufheizen oder Abkühlen verhindert werden. Das spart Energie und erhöht die Reichweite.

Thermomanagement an sich ist im Automobilbau nicht neu. Es gibt zum Beispiel im simpelsten Fall einen Regelkreis, der die Temperatur des Motors konstant hält. Allerdings funktionieren er in Form einer Ad-hoc-Regelung. Bei Verbrennungsmotoren kein Problem, für die thermisch trägeren Batterien in E-Fahrzeugen, die bis zu 700 Kilogramm schwer sind, allerdings schon. „Bei Ihnen lässt sich die Temperatur nur sehr langsam regulieren“, erklärt Björn Pehnert, Fachprojektleiter Thermomanagement bei Porsche Engineering. E-Autos brauchen deshalb mehr Vorlauf, damit die großen Batterien rechtzeitig die optimale Temperatur beispielsweise zum Laden erreichen. „Es wird unerlässlich, weiter in die Zukunft zu schauen“, sagt Pehnert. In diese Richtung entwickelten die Ingenieure eine passende Software.

Die Lösung: ein digitaler Zwilling vom Auto

Ein Beispiel: Das installierte Prognoseprogramm erkennt, dass der Fahrer in Richtung einer Schnellladesäule unterwegs ist. Daraufhin aktiviert das System Kühl- oder Heizsysteme, damit bei Ankunft die ideale Temperatur für einen schnellen Ladevorgang herrscht. Entscheidend ist, dass nun ein entsprechender zeitlicher Vorlauf entsteht. Die Herausforderung bestand für die Ingenieure vor allem darin, solch komplexe Berechnungen, die bislang nur auf leistungsstarken Großrechnern möglich waren, in ein normales Steuergerät zu integrieren. Darin stehen in der Regel weniger Rechenleistung zur Verfügung als in einem Smartphone. Die Lösung: Das Programm arbeitet mit Look-up-Tables, in denen diskrete Werte gespeichert sind, zum Beispiel der Zusammenhang zwischen Temperatur und Batteriewiderstand. Damit sparen die Ingenieure Rechenzeit.

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Die Fahrzeugsteuerung muss genau wissen, wie die einzelnen Komponenten zusammenhängen, damit sie entweder das Heiz- oder das Kühlsystem aktiviert. Dafür haben die Ingenieure einen sogenannten digitalen Zwilling angelegt. Das bedeutet: Anhand von Modellen sind alle Teile – von der Batterie über Antrieb bis zur Kühlung – nachgebildet und stellen eine Simulation des gesamten Fahrzeugs dar. Dieses im Rechner nachgebaute Auto verhält sich exakt wie ein echtes Fahrzeug. Allerdings liefert es dabei immer nur einen Soll-Zustand. Damit sind wichtige Faktoren wie unter anderem Fahrstil, Zuladung, Straßenoberfläche, Farbe der Autolackierung nicht berücksichtigt. Mit einem speziellen Software-Modul ist es den Ingenieuren gelungen, diese mit einzubeziehen. Das Modul gleicht das tatsächliche Fahrverhalten mit der Simulation ab und passt dann das Modell schrittweise an die Realität an.

Wie das Auto die Routen lernt

Damit das Thermomanagement optimal arbeiten kann, müsste der Fahrer eigentlich jedes Ziel in das Navigationsgerät eingeben. Doch bei bekannten Strecken in gewohntem Umfeld tut dies kaum jemand. Auch dafür haben die Ingenieure eine Lösung. Der Fahrer kann dem Auto erlauben, die Fahrten zu „lernen“. Via GPS verfolgt die Software gefahrene Routen und merkt sich dabei die häufigsten. Auf diese Erfahrungswerte greift das System später zurück, um bereits kurz nach dem Start die Fahrt zu erkennen und intern eine Karte dieser Strecke zu erstellen. Herzstück des vorausschauenden Thermomanagement ist dabei der sogenannte Optimizer. Dieser berechnet aus den Daten des simulierten Fahrzeugs in Kombination mit den Routeninformationen die optimale thermische Reaktion des Autos, also wann die Wärmepumpe gefragt ist und wann die Klimaanlage. Seine Prognosen berechnet der Optimizer alle paar Sekunden neu und passt sie an die Realität an.

10% bis 30% Energieeinsparung sind laut Porsche Engineering theoretisch möglich. Das wäre zum Beispiel bei einem E-Auto, das hauptsächlich für kurze Innenstadtfahrten benutzt wird, denkbar. Das Steuergerät erkennt dieses Fahrmuster und weiß, dass die Fahrt bald wieder zu Ende sein wird und es sich beim Parken dann von selbst abkühlt. Deshalb muss die Batterietemperatur nicht zusätzlich erhöht werden. Getestet wurde das neue vorausschauende Thermomanagement in einem Demonstrator-Fahrzeug vom Typ Porsche Taycan auf Fahrten in der Stadt, über Landstraßen und Autobahnen – inklusive Stau. Nach Auffassung des Herstellers zeigt diese Konzeptstudie ein hohes Potenzial für die Serienentwicklung.

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Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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