So wollen private Nachrüster Altfahrzeuge zu Euro 6 aufschließen lassen
Nachrüsttechniken setzen, soweit sie auf SCR-Katalysatoren basieren, meist auf die aktive Umwandlung von Harnstoff in Ammoniak durch Heizelemente. Das sorgt dafür, dass Stickoxide in allen Fahrsituationen geknackt werden können.
SCR-Katalysator heißt das Zauberwort, das Dieselfahrzeuge der Euro-Norm 5, vielleicht auch 4, zu Saubermännern machen soll, die locker zu den auf allen Straßen zugelassenen Fahrzeugen mit Euro-6-Norm aufschließen können. Mehrere Hersteller bieten eine Umrüstung an. Die Autohersteller wollen davon nicht allzu viel wissen. Sie bevorzugen den Eintausch gegen neue Fahrzeuge. Dafür zahlen sie hohe Prämien, selbst wenn der Wechselwillige ein Benzinfahrzeug kauft, das mehr Sprit verbraucht, also auch mehr Kohlendioxid in die Luft pustet.
Der SCR-Kat und seine technischen Grenzen
SCR steht für Selective Catalytic Reduction. Es handelt sich um einen Katalysator, der gezielt Stickoxide knackt, andere Bestandteile des Abgases aber passieren lässt, ohne sie in noch gefährlichere Schadstoffe umzuwandeln. Die Stickoxide zerbrechen bei dieser Behandlung in harmlosen Stickstoff und Wasser. Es gibt zwei technische Varianten: Die erste besteht vorwiegend aus Titandioxid, Vanadiumpentoxid und Wolframdioxid, die andere verwendet eisenhaltige Zeolithe. Eine dritte Bauart auf Basis von Aktivkohle wird noch nicht genutzt.
Ganz ohne Hilfe schafft der Katalysator die Zerstörung der Stickoxide nicht. Er benötigt gasförmiges Ammoniak, das sich erst im heißen Abgas bildet, wenn Harnstoff aus einem Extratank eingespritzt wird.
In der Stadt stößt diese Art der Stickstoffeliminierung an ihre Grenzen. Franz Rohrer, Atmosphärenforscher am Forschungszentrum Jülich, der seit vielen Jahren Zusammenhänge zwischen den Emissionen des Verkehrs und der Luftbelastung erforscht, sagt, dass die für die Ammoniakbildung notwendige Temperatur beim Stop and Go in den Städten oft nicht erreicht wird. Auch die Start-Stopp-Automatik sorgt für eine Temperaturabsenkung. Ist sie zu niedrig entfalte der SCR-Kat nicht seine volle Wirkung. Rohrer empfiehlt daher eine Zusatzheizung.
Twintec reagiert mit Zusatzheizung
Genau die bietet Twintec in Königswinter bei Bonn an, ein Unternehmen der Schweizer Baumot-Gruppe. BNOX heißt das System. Es besteht aus einem SCR-Kat, einem Tank für Harnstoff und einem Generator, der Harnstoff in gasförmiges Ammoniak verwandelt – ganz gleich, wie kalt der Abgasstrom ist. Bei normaler Fahrt hält das Abgas den Generator auf Solltemperatur. Beim Start schaltet sich eine 500-Watt Heizung dazu, die auch in der Stadt aktiv ist, wenn die Temperatur unter den Grenzwert fällt. Gerade dort ist es wichtig, dass der SCR-Kat optimal arbeitet, weil in den Häuserschluchten die Stickoxidkonzentration oft den – keineswegs unumstrittenen – Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschreitet.
Lesen Sie die Kontroverse um den Grenzwert in den Beiträgen „Der NOx-Grenzwert ist ein Zufallsprodukt“ sowie „Der Stickstoffdioxid-Grenzwert hat seine Berechtigung“ nach.
Twintec beziffert die Nachrüstungskosten mit 1.500 Euro pro Pkw, die Bundesregierung und auch viele Wissenschaftler halten das für zu wenig. Die Fachzeitschrift „Auto Motor Sport“ ermittelte bei einem Vergleichstest zwischen einem umgerüsteten Euro-5-Passat und einem baugleichen mit serienmäßiger Abgasreinigung Emissionen von 49 Milligramm pro Kilometer beim Fahrzeug mit BNOX. Damit schlug der Passat sogar Euro-6-Fahrzeuge. Dabei sollte man wissen, dass auch Euro-6-Fahrzeuge die nötigen Grenzwerte nicht zwingend einhalten, wenn sie in Städten unterwegs sind. Das Vergleichsfahrzeug jedenfalls kam auf 432 Milligramm. In einem ähnlichen Test kam der ADAC auf nicht ganz so gute Werte. Immerhin stellten die Prüfer des Automobilclubs aber eine Senkung der Stickoxidemissionen um 60 % fest.
Mehr zum BNOx-Abgassystem von Twintec
Bei Amminex kommt das Ammoniak aus der Patrone
Das dänische Unternehmen Amminex, das seit 2016 zum französischen Automobilzulieferer Faurecia gehört, entscheidet sich vor allem in einem Punkt von der Konkurrenz. Das Ammoniakgas kommt aus zwei Patronen, in denen es in fester Form gelagert ist. Sie werden in der Reserveradmulde montiert. Deren Inhalt reicht für 15.000 Kilometer, sagt der Hersteller. Das entspreche 16 Liter Harnstoff. Wenn die Patronen leer sind, können sie in Minutenschnelle ausgetauscht werden. Das BlueFit genannte System reduziert die Stickoxidemissionen auf 40 Milligramm pro Kilometer, so das Unternehmen.
Weitere private Nachrüster mit Pkw-Lösungen
Dr Pley SCR Technology aus Bamberg setzt dagegen, wie Twintec, auf flüssigen Harnstoff. Das Unternehmen nennt seinen Wandler Hydrolysereaktor. Die Funktion ist ähnlich wie bei den Konkurrenten. Die Kosten für den etwa dreistündigen Umbau sollen bei rund 3.000 Euro liegen.
Die Oberland Mangold GmbH aus Eschenlohe nahe Garmisch-Partenkirchen setzt ebenfalls einen Wandler ein, der Thermolysegenerator NEO-Blue genannt wird. AdBlue, so der Handelsname von Harnstoff, wird in einer Thermokammer in Ammoniak umgewandelt. Dort herrscht stets eine Temperatur, die für die Umwandlung in Gas ausreicht. Kosten für die Nachrüstung kann das Unternehmen noch nicht nennen.
Ein ähnliches System hat HJS Emission Technology aus Menden im Sauerland im Angebot. Motorisches Thermomanagement nennt sich das Verfahren, das Bussen auch an Haltestellen und bei Schleichfahrten durch die Stadt das Emittieren von Stickoxiden austreiben soll. Es wird auch bei Neufahrzeugen eingesetzt. Das ist wichtig, weil ein Großteil der innerstädtischen Emissionen auf Busse sowie kleine und große Lkw entfallen.
GoDiesel zeigt: Es geht auch mit destilliertem Wasser
GoDiesel aus Neuwied nahe Koblenz setzt auf eine ganz andere Technik, die sich schon bei Großmotoren bewährt hat. In die Ansaugluft wird destilliertes Wasser eingedüst. Das soll bei ausnahmslos allen Dieselmotoren funktionieren, sogar bei denen mit Abgasnorm Euro4. Das Wasser senkt die Temperaturspitzen bei der Verbrennung – je heißer desto eher bilden sich Stickoxide. Die Effizienz der Dieselmotoren bleibe vollständig erhalten, verspricht das Unternehmen, Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen würden nicht erhöht, Laufkultur und Leistung blieben unverändert. Die Stickoxidemissionen würden hingegen halbiert.
All diese Systeme schicken sich an, künftig die Abgasnachbehandlung von Diesel-Pkw zu übernehmen. Doch eine marktreife Nachrüstlösung für Pkw mit Zulassung für Deutschland steht nach Ansicht von Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), bisher noch aus. In unserem Artikel „Warum es sobald keine Hardwarenachrüstung für Diesel-Pkw geben wird“ beleuchten wir die technischen Gründe dafür.
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