„Projekt i”: BMW setzt auf Nachhaltigkeit
Elektromobilität ist mehr als neue Antriebe. Das hat BMW früh erkannt und mit dem „Projekt i” einen Thinktank im Konzern installiert, der übergeordnete Konzepte für die Mobilität der Zukunft entwickelt. Der Expertenkreis nimmt von der Auswahl der Rohstoffe bis zum Recycling sämtliche Abläufe unter die Lupe. Das reicht vom Wasser- und Energieverbrauch der Produktion bis zum Recycling.
Ulrich Kranz hat keinerlei Denkverbote. Vor vier Jahren beauftragte ihn der Vorstand der BMW Group damit, den Konzern auf seine Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit hin zu durchleuchten. Seither leitet er das „Projekt i”, das er als „Thinktank” bezeichnet.
Im BMW-Konzern stellte sich Kranz sein Wunschteam zusammen und sucht nun neue Strategien, Technologien und Fahrzeugkonzepte, erdenkt beschleunigte Entwicklungsprozesse die in neuen Produktionsverfahren und Netzwerken umgesetzt werden. Oberstes Gebot: Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit ist oberstes Gebot bei BMW
Um bei dem scheinbar uferlosen Auftrag einen Anfang zu finden, besann sich das Team darauf, für wen es eigentlich arbeitet. „Wir haben bei den Kunden angesetzt”, berichtete Kranz auf dem Deutschen Elektro-Mobil Kongress am 8./9. Juni in Bonn. In Metropolen Asiens, Europas und der USA habe man ein halbes Jahr lang Interviews geführt, um herauszufinden, was Kunden, aber auch Stadtplaner und Bürgermeister von künftiger Mobilität erwarten.
Städter waren Kranz als Zielgruppe wichtig, weil für die Branche viel davon abhängt, ob individuelle Mobilität in den rasant wachsenden Metropolen möglich bleibt. Elektromobilität ist dazu ein Schlüssel. „Wir haben deshalb 2008 in kürzester Zeit 600 Elektro-Minis produziert und in Kundenhand gegeben”, berichtete er.
Mittlerweile haben die Mini-Stromer 13 Mio. km zurückgelegt. Die Erfahrungen aus dem Flottentest sind Basis für das, was BMW noch 2011 startet: Kunden in sechs Ländern erhalten mehr als 1000 elektrifizierte Fahrzeuge der 1er-Reihe, so Kranz. „Damit kommt erstmals unser eigener Antrieb in Kundenhand.” Die Elektromaschine, Leistungselektronik, Getriebe und das Batteriesystem habe man im eigenen Hause entwickelt und teils auch produziert. Ab 2013 soll dieser Antriebsstrang im ersten Serienstromer des Herstellers verbaut werden, dem „Megacity Vehicle” BMW i3.
In den Kundenbefragungen und Flottenversuchen hat BMW laut Kranz gelernt, wie die Kunden Stromer nutzen und wo für sie Grenzen des Verzichts liegen. „Wir haben aus allen Regionen das Feedback, dass Kleinstfahrzeuge als unsicher und unkomfortabel angesehen werden”, sagte er. Auf Rücksitze und Kofferraum wollten Kunden nicht verzichten, auf Reichweite bei Stadtautos nur bis zu einem gewissen Grad. Die Praxis zeige auch, wie wichtig Partnerschaften mit Politik, Energiewirtschaft und Hochschulen beim Start in die Elektromobilität seien. Autos bauen allein reiche nicht.
BMW i3 als Vorbild für weitere Elektroautos
Ebenso wenig reicht es, herkömmliche Modelle nachträglich zu elektrifizieren. Der Mini E mit 1460 kg und der 1er E mit 1800 kg Leergewicht sind zu schwer und obendrein im Nutzraum eingeschränkt. Beim i3 geht BMW neue Wege, die als Vorbild für alle weiteren Stromer der neu gegründeten Submarke BMW i dienen.
Zentraler Unterschied zu bisherigen Modellen ist die Zweiteilung in eine Fahrgastzelle auf Basis kohlenstofffaserverstärkter Kunststoffe (CFK) und ein Chassis in Aluminium-Space-Frame-Bauweise. Letzteres birgt die Batterie sicher in der Mitte des Fahrzeugbodens und den Elektromotor in der Hinterachse. „Dadurch liegt der Schwerpunkt sehr weit unten, was für die Fahrdynamik ideal ist”, betonte Kranz.
Aus Produktionssicht ist der neue Ansatz auch von Vorteil. „Wir können beide Module parallel fertigen und die Durchlaufzeiten so mehr als halbieren”, erklärte Projektleiter Kranz. Zudem erlaube der per se korrosionsfreie Materialmix erhebliche Einsparungen: Rostschutzbehandlung und Tauchbäder der kathodischen Tauchlackierung (KTL) samt Trocknung entfallen, was den Energiebedarf massiv senkt.
BMW wird den kleine Stromer i3 ebenso wie den großen i8 mit derselben Architektur entwickelten und in Leipzig bauen. Letzterer ist ein als Plug-in-Hybrid ausgelegter Supersportwagen, der laut Kranz die Performance eines M3 mit dem Verbrauch eines Kleinwagens verbinden soll.
Bei den zwei E-Modellen soll es nicht bleiben. Kranz: „Zwischen i8 und i3 ist viel Platz und auch nach unten ist noch Luft für weitere Derivate.”
BMW plant Carsharing-Angebot gemeinsam mit Sixt
BMW hat mit der Submarke BMW i, die als Marke der alternativen Antriebe ein Gegengewicht bilden soll zur sportlichen M GmbH, viel vor. Dazu zählt auch ein Carsharing-Angebot, das zusammen mit Sixt demnächst in München und bald darauf in Berlin starten soll.
Doch das Team um Kranz blickt über die neue Marke hinaus. „Nachhaltigkeit bekommt in der gesamten Wertschöpfungskette absolute Priorität”, berichtete er. Dafür habe man mit Partnern und den eigenen Abteilungen konkrete Ziele vereinbart. So soll der Wasserverbrauch im Werk Leipzig, das bereits der Maßstab im Konzern ist, um 70 % gegenüber dem aktuellen Stand sinken. Zudem soll der Energieaufwand je Fahrzeuge halbiert und komplett aus erneuerbaren Energien bestritten werden.
„Premium wird künftig nur noch in Verbindung mit Nachhaltigkeit funktionieren”, gab sich Vordenker Kranz überzeugt. Bei BMW zähle auch Recycling dazu, wo die Münchener ebenfalls über neue Wege nachdenken. „Wir gehen davon aus, dass wir die Life-Module, also die Fahrgastzellen des i3, als Ganzes wiederverwenden können, da Kohlefaserstrukturen nicht verrotten, korrodieren oder ermüden”, erklärte er.
Es sei denkbar, die vorhandenen Module zur Wiederverwendung neu zu beplanken. Auch E-Maschinen sind laut Kranz mit einem einzigen Fahrzeugleben unterfordert. „Sie halten 1 Mio. km und mehr, wenn die Rotorlager mal gewechselt werden”, sagte er. Das sei nicht nur ökologisch, sondern wegen der höheren Restwerte auch für Finanzierungs- und Leasingmodelle wichtig.
Wo direkte Wiederverwendung ausfällt, soll Recycling helfen. Im Werk Wackersdorf hat BMW im Joint Venture mit der SGL Carbon SE eine Anlage im Testbetrieb, die Fasern und Harz trennt. „Die Fasern könnte man in Bauteilen verarbeiten, für die auch kürzere Fasern genügen”, erklärte Kranz. Weitere Details mochte er aber nicht verraten. Denn Nachhaltigkeit hat ja auch eine wirtschaftliche Seite – und der Wettbewerb hörte und schrieb in Bonn fleißig mit.
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