Sanftes Klopfen statt Überschallknall: Lockheed Martin baut Flüster-Jet
Statt eines ohrenbetäubenden Doppelknalls könnte man nur ein sanftes Klopfen hören, wenn dieser Flüster-Jet die Schallmauer durchbricht. Lockheed Martin hat mit der Produktion eines superschnellen und superleisen Fliegers im Auftrag der Nasa begonnen. Und damit ein neues Kapitel für Passagierflugzeuge im Überschallbereich aufgeschlagen. 2021 könnten die ersten Testflüge über Wohngebieten beginnen.
Wird der Traum vom Reisen mit Überschallgeschwindigkeit neu belebt? Nach dem unrühmlichen Ende der Überschall-Passagiermaschine Concorde vor 15 Jahren will die Nasa mit dem Bau eines Testflugzeugs dieses schwierige Kapitel der Luftfahrt mit neuem Enthusiasmus fortschreiben. Dafür hat sich die Abteilung der Nasa, die in der kommerziellen und militärischen Luftfahrt forscht, Lockheed Martin Aeronautics Co. im kalifornischen Palmdale als Partner geholt und den Auftrag für den Bau eines Überschalljets vergeben. Am 16. November 2018 verkündete deren Tochterunternehmen Skunk Works, dass sie mit der Produktion des ersten Bauteilsder X-59 begonnen habe.
Nasa und Lockheed Martin forschen an leiser Supersonic-Technik
Für 247,5 Millionen US-Dollar soll Lockheed Martin den Low-Boom Flight Demonstrator (LFBD) bauen, der 2021 in die Luft gehen soll. Der Auftrag kommt nicht aus heiterem Himmel. Die Nasa betreibt zusammen mit Lockheed Martin bereits seit einigen Jahren das Forschungsprojekt QueSST, was für Quiet Supersonic Technology steht. Das Ziel: Den ohrenbetäubenden Überschallknall so zu reduzieren, dass es sich wie das Zuschlagen einer Autotüre anhört.
Den Großauftrag für den Bau des Testfliegers konnte die Nasa vergeben, nachdem der amerikanische Präsident Donald Trump das Budget dafür im nächsten Haushaltsjahr freigegeben hatte. Der Flieger könne, so Trump, neue Märkte für US-Firmen erschließen, Jobs schaffen und die Flugzeit über Land halbieren.
Noch aber ist es nicht soweit. Erstmal soll Lockheed Martin Aeronautics den Test-Jet bauen und damit beweisen, dass ein Überschallflugzeug nicht zwingend Boom-Boom, sondern ein relativ leises Klopf-Klopf macht. Der Knall entsteht, wenn sich das Flugzeug schneller als der Schall durch die Luft bewegt. Die Schallgeschwindigkeit Mach 1 ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie Luftdruck und Temperatur und beträgt deshalb nur ungefähr 1235 km/h. Wird die Schallmauer durchbrochen, entstehen dabei Stoßwellen – bei längeren Flugzeugen an Bug und Heck, deshalb der Doppelknall. Das Problem: Der Doppelknall ist während der gesamten Flugstrecke zu hören und nicht, wie oft angenommen, nur einmal beim Durchbrechen der Schallmauer. Über bewohntem Gebiet sind Überschallflugzeuge, meist Militärjets, deshalb nur ausnahmsweise erlaubt.
Überschallwellen kommen nicht als Doppelknall an
Das Testflugzeug von Lockheed Martin wird eine Länge von knapp 29 Metern haben und eine extrem spitze Nase, um die Stoßwellen besser zu verteilen. Der Pilot wird in einem einsitzigen Cockpit auf rund 16.000 Metern Flughöhe cruisen mit einer Geschwindigkeit von Mach 1,2 – das sind rund 1.500 km/h.
Laut Nasa ist das spezielle Design des Flugzeugrumpfes dafür verantwortlich, dass die beiden Stoßwellen, die an Bug und Heck entstehen, wesentlich schwächer sind als bei herkömmlichen Überschallfliegern. Außerdem erreichen sie die Erde nicht als Doppelknall, sondern separat „wie eine Serie von zarten Klopfern – falls sie überhaupt gehört werden“, so die Nasa. Skunk-Works-Manager Peter Iosifidis bestätigt: „Die lange, schlanke Konstruktion dieses Flugzeugs ist der Schlüssel, um einen geringen Überschallknall zu erreichen.“ Neuere Messungen im Windkanal und verbesserte Computersimulationen hätten dazu beigetragen, die Ausbreitung der Schallwellen besser zu verstehen.
Testflüge über amerikanischen Städten
Nach Plänen der Nasa soll der Low-Boom Flight Demonstrator ab Mitte 2021 zunächst über der Edwards Air Force Base in der Nähe von Lockheed Martin und dann über vier bis sechs ausgewählten Städten in den USA fliegen. Dort soll die Bevölkerung befragt werden, ob und falls ja, was genau sie gehört haben während des Überflugs. Diese „wissenschaftlich gesammelten Rückmeldungen“ werden laut Nasa an die amerikanische Luftaufsichtsbehörde (FAA) sowie die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) übermittelt.
„Mit diesen Daten kann die gegenwärtige Regel, die jeglichen zivilen Überschallflug über Land verbietet, geändert werden“, sagte Jaiwon Shin, der Direktor der Nasa-Luftfahrtforschung. „Wenn diese Regel erstmal gekippt ist, wird das die Türe öffnen für einen neuen Markt im Überschallbereich in unserem Land und überall auf der Welt. Dieses X-Plane ist ein entscheidender Schritt, der uns näher an diese aufregende Zukunft bringt.“
Es gibt aber noch eine ganze Reihe anderer Projekte, die an Überschallflugzeugen für die zivile Luftfahrt arbeiten. Hier ein Überblick.
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